„Abbruch ist die einzig richtige Variante“

Den Beschluss des Württembergischen Fußballverbands (WFV), die seit November unterbrochene Spielrunde nicht wieder aufzunehmen, stieß bei den Kreisvereinen fast durchweg auf Zustimmung. Obwohl er für Clubs wie den SV Oberjesingen und die SF Kayh eine besondere Härte darstellt.

Von Thomas Oberdorfer, Jürgen Klemenz und Edip Zvizdiç

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„Abbruch ist die einzig richtige Variante“

Der VfL Herrenberg profitiert vom Abbruch der Runde. Das Team kämpfte gegen den Abstieg, nun kann es mit einer weiteren Saison in der Bezirksliga planen. „Natürlich ist der Abbruch ein Glücksfall für uns, wir hätten den Klassenerhalt aber auch noch aus eigener Kraft schaffen können. Es ist wichtig, dass die Vereine jetzt Planungssicherheit haben und wissen, wie es weitergeht. In der kommenden Runde müssen wir ganz anders auftreten, als es in dieser Runde der Fall war. Es gab Spiele, da haben wir uns aufgegeben – das darf nicht mehr passieren. Wir haben das mit den Spielern thematisiert, sie müssen auch an sich selbst arbeiten. Wille, Ehrgeiz und Trainingsfleiß müssen in der kommenden Saison deutlich ausgeprägter an den Tag gelegt werden, da ist die Mannschaft gefordert“, sagt Giuseppe Costanza, Sportlicher Leiter beim VfL Herrenberg.

„Ich hätte gerne gesehen, was bei uns sportlich noch gegangen wäre“, bedauert Hanjo Kemmler, Trainer des Landesligisten FC Gärtringen die Entscheidung ein wenig. Der FCG hatte noch die Chance, zumindest in den Kampf um Platz zwei einzugreifen. „Vor diesem Hintergrund ist der Abbruch ein Stück weit schade“, sagt Kemmler, „alles andere als ein Abbruch wäre aber auch angesichts der Pandemie unvernünftig gewesen. Es hätte keinen Sinn ergeben, die Runde weiterzuspielen. Für die vorderen Mannschaften ist das natürlich bitter, die hinteren Teams können sich darüber freuen. Wir haben einen Zweierschnitt wie auch in der letzten Runde, damit ist man oben dabei. Wir waren auch in diesem Jahr nicht schlecht unterwegs. Ich weiß nicht, ob wir großartig etwas mitnehmen können aus dieser Runde. Wir haben gerade einmal zweieinhalb Monate gespielt und haben zwölf Spiele absolviert, das ist nicht einmal ein Drittel der Runde.“

Thomas Dietsche, Sportlicher Leiter des Verbandsligisten VfL Sindelfingen, befürwortet die Absage: „Es ist richtig, dass diese Saison nicht gewertet wird. Der Abbruch der Saison ist die einzige sinnvolle Maßnahme, zumal ja auch landesweit die Situation völlig uneinheitlich ist. Wir nehmen aus dieser Runde sehr viel Positives mit. Wir hatten eine intensive Phase mit zwei Jahren des Umbruchs. Die junge Mannschaft hat sich absolut gut entwickelt, sie ist wettbewerbsfähig. Wir können ein positives Fazit ziehen.“

Nagolds Trainer Armin Redzepagic ist weniger glücklich mit der gestrigen Entscheidung des WFV-Beirats. „Ich hätte mir gewünscht, dass man mit der Entscheidung noch ein bisschen abgewartet hätte. Jetzt brechen sie die Runde ab. Und im Mai lassen sie uns dann wieder raus auf den Platz. Was machen wir dann? Spielen wir dann Freundschaftsturniere?“ Redzepagic hadert nicht zuletzt deshalb mit der Entscheidung, weil es bei der Annullierung keine Aufsteiger gibt, der Landesligist VfL Nagold damit in der zweiten Saison hintereinander um die Chance gebracht wird, wieder in die Verbandsliga aufzusteigen. „Das trifft uns natürlich besonders hart, auch wenn da niemand was dafür kann – außer dem Coronavirus.“ Redzepagic betont, dass sich der Rundenabbruch auch auf die Kaderplanung auswirkt. „Unsere Argumente in Gesprächen mit möglichen Neuverpflichtungen, in der kommenden Saison in der Verbandsliga zu spielen, haben sich in Luft aufgelöst. Immerhin bleiben uns die Spieler erhalten, die da sind. Lediglich bei Nils Schuon müssen wir noch abwarten.“ Was er vermisst, ist ein Konzept für die neue Runde. Denn der WFV plant diese, obwohl sich das Virus ja nicht in Luft auflöst, wie alle anderen Runden zuvor. „Man könnte ja nach der Vorrunde die Liga teilen und eine Auf- und Abstiegsrunde spielen. Dann hätten wir wenigstens wieder Auf- und Absteiger.“

Javier Klug, Trainer des Landesliga-Tabellenführers TSV Ehningen, der auf Platz eins der Tabelle steht, zeigt sich hin- und hergerissen: „Für uns ist es ein Stück weit schade, dass die Runde abgebrochen wird. Damit war allerdings zu rechnen, wir hatten Zeit genug, uns darauf einzustellen. Wir haben zwölf super Spiele gezeigt, was wir geleistet haben, kann uns keiner mehr nehmen. Wir nehmen mit, dass wir den Spannungsbogen aufrecht halten konnten bei dem sehr komischen Trainingsbetrieb zu Beginn der Runde und dass sich die neuen Spieler sehr schnell akklimatisiert hatten. Sobald man darf, werden wir wieder loslegen. Wir werden jede Woche nutzen, die möglich ist.“

Andreas Poser, scheidender Spielertrainer des Bezirksligisten SV Nufringen, zeigt sich mit dem WFV-Beschluss einverstanden: „Der Abbruch der Saison ist die einzige richtige Variante. Für die Mannschaften, die oben stehen, ist das natürlich bitter, für die hinteren ist es gut. Wir hätten gerne weitergespielt, um auf sportlichem Wege die Klasse zu erhalten. Ich hätte gerne mit den Jungs die letzten Monate noch durchgezogen. Es wäre aber einfach zu riskant gewesen, wieder anzufangen. Die Gesundheit geht vor. Nach einem halben Jahr Pause und nur wenigen Wochen Vorbereitung wieder anzufangen, hätte sicher zu Verletzungen geführt. Ich hoffe, dass die kommende Runde wieder sauber durchgeführt werden kann. Vielleicht kann man damit ja etwas früher anfangen, eine Sommerpause brauchen die Spieler ja eigentlich nicht.“

„Ich bin gemeinsam mit meinem Trainerkollegen Dustin Kappus der Meinung, dass der Abbruch die einzige richtige Lösung ist“, sagt Daniel Supper, Spielertrainer des SV Deckenpfronn. Der SVD ist einer der Vereine, denen dadurch ein möglicher Aufstieg verwehrt wird, er hatte in der Bezirksliga gute Chancen im Kampf um Platz eins oder zwei. „Es wäre völlig sinnfrei gewesen, die Saison zu Ende zu spielen. Gesellschaftspolitisch gibt es landesweit ganz andere Themen. Wir hätten ein schlechtes Gewissen gegenüber anderen Branchen, hätten wir weitergespielt. Fußballerisch und taktisch haben wir uns in dieser Runde weiterentwickelt. Vom Punkteschnitt her war es die beste Runde, die wir bisher gespielt haben. Für die neue Saison wollen wir ein neues Spielsystem etablieren. Ich denke, die Mannschaft ist so gefestigt, dass wir das machen können, wir können die eine oder andere taktische Finesse einbauen. Die sportliche Ausrichtung bleibt dieselbe, wir wollen ein gehöriges Wort mitreden um die Plätze eins und zwei. Positiv an der Entscheidung ist, dass jetzt alle Vereine Planungssicherheit haben. Sobald es das Infektionsgeschehen nachhaltig zulässt, wollen wir wieder trainieren. Eine On-off-Geschichte wäre aber schlecht, das frustriert nur.“

Groß ist die Enttäuschung in Reihen des SV Oberjesingen. Zwar war man sich auch beim Tabellenführer der A2 schon seit längerem im Klaren darüber, dass diese Saison kein Ball mehr rollen würde. Jetzt aber, wo die Entscheidung des Verbandes tatsächlich feststeht, wird den Verantwortlichen klar, dass es das Schicksal bereits zum zweiten Mal in Serie nicht gut mit ihnen meint. „Natürlich haben auch wir mit einem Abbruch der laufenden Runde gerechnet“, kommentierte Daniel Wahnsiedler, „aber gleichzeitig war da diese kleine Hoffnung, dass der WFV vielleicht doch noch die Spitzenreiter der jeweiligen Ligen belohnen würde. Ich bin halt ein kleiner, naiver Optimist.“ Somit steht das Trainertrio Daniel Wahnsiedler, Julian Weidinger und Andreas Gusenbauer nun einmal mehr vor der schwierigen Aufgabe, seine Mannschaft für eine weitere Saison in der A2 zu motivieren. „Wenn man sich zweimal auf bestem Wege befindet, an die Tür zur nächsthöheren Liga anzuklopfen, dann wird das gar nicht einfach sein, den Jungs zu verklickern, dass es mit dem Aufstieg erneut nichts wird“, so Wahnsiedler. „Das Gute ist, alle unsere Spieler haben unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit zugesagt. Und gemeinsam wollen wir uns diesen Traum von der Bezirksliga erfüllen. Wir werden den Verbandsentscheid sacken lassen, uns kurz schütteln und dann stärker zurückkommen.“

„Diese Entscheidung ist überfällig und sie war auch erwartbar“, reagierte Ralf Richter gelassen auf die Neuigkeiten vom WFV. Dass sich der Verband lange Zeit gelassen hat, findet der Spielertrainer des TSV Kuppingen „absolut in Ordnung. Der WFV hatte klar kommuniziert, dass mit vier Wochen Vorlauf für die Vorbereitung spätestens am 9. Mai der Restart erfolgen sollte. Das hätte bedeutet, dass wir in der kommenden Woche mit dem Training hätten beginnen dürfen. Das lassen die aktuellen Inzidenzzahlen aber nicht zu.“ Kurzzeitig hatte Richter die Hoffnung, dass die Saison wieder aufgenommen werden könnte, als Mitte März wieder der Ball im Training rollte. Die Ernüchterung daraufhin blieb dem Kuppinger Spielertrainer aber nicht verborgen. „Das war eigentlich ein leichter Aufgalopp, aber am Ende doch richtig anstrengend. Eklatant war, dass das Timing für die Zweikämpfe völlig weg war.“ Deshalb hätte es keinen Sinn gemacht, die Saison durchzuboxen. „Es hätte bei allen Mannschaften Verletzungen gehagelt“, ist sich Richter sicher, hat aber auch Mitleid mit dem SV Oberjesingen, der zum zweiten Mal hintereinander knapp am Aufstieg scheitert. „Mit nur neun absolvierten Spielen kann man keine Mannschaft aufsteigen lassen. Das ist dann einfach Pech.“

Von Beginn des zweiten Lockdowns an war Mathias Steinhübel die Ruhe in Person. Der Abteilungsleiter des A-Ligisten TSV Hildrizhausen hat Anfang November schon den sofortigen Saisonabbruch thematisiert und fühlt sich nun bestätigt. „Jetzt haben wir alle Gewissheit, dass die Saison vorbei ist. Aufgrund der Gemengelage ist das auch die einzig vernünftige Entscheidung.“ Selbst als Mitte März das Training kurzzeitig wieder erlaubt war, blieb Mathias Steinhübel skeptisch. „Als die Zahlen wieder stiegen, haben wir ganz schnell davon abgesehen, das Team wieder zusammenzutrommeln. Deshalb hat bei uns auch kein Training stattgefunden.“ Dass sich der WFV mit der Entscheidung sehr lange Zeit gelassen hat, versteht der Hausemer Fußballchef. „Der Verband hat nichts falsch gemacht, sondern immer klar kommuniziert, was möglich sei und was nicht. Spätester Zeitpunkt für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs wäre der 9. Mai gewesen, wodurch wir mit einem Monat Vorlauf diese Woche hätten wieder mit dem Training beginnen müssen. Das wäre aber absoluter Irrsinn gewesen.“ Auf Teufel komm raus den Restart zu forcieren hätte, so Steinhübel weiter, nur zu vielen Verletzungen geführt. „Das wäre fatal gewesen, denn keiner von uns hatte jemals in seinem Leben, sofern er keine größere Verletzung hatte, eine Pause von fünf Monaten ohne Fußball. Das hätte nur dazu geführt, dass die Vereine mangels einsatzfähigen Spielern von sich aus zurückgezogen hätten.“ Wichtig sei jetzt, wann man die nächste Runde angehen könne. „Der Abbruch jetzt heißt ja nicht, dass wir überhaupt keine Lust mehr aufs Kicken haben. Im Gegenteil, wir alle brennen darauf, dass es endlich wieder weitergeht. Aber die Umstände müssen halt auch passen.“

Viermal Dritter, danach zweimal Zweiter in der Kreisliga B4: Die Sportfreunde Kayh hätten allen Grund, ob des sportlichen Schicksals der vergangenen sechs Jahre zu zetern. Davon sind Spielleiter Fabian Diether und dessen Mitstreiter aber weit entfernt. „Auch wenn wir als Tabellenzweiter alles noch selbst in der Hand hatten, die Entscheidung, die Saison abzubrechen und damit zu annullieren, ist die einzig richtige.“ Auch im Kreise der Mannschaft sehe man das so. „Es ist zwar schade, dass wir erneut um die Chance zur Rückkehr in die Kreisliga A2 gebracht werden, aber der Tenor im Team lautet: Jetzt erst recht.“ Untermauert werden die Worte des Kayher Spielleiters von Zusagen ausnahmslos aller Spieler für die kommende Saison. „Dann wollen wir uns das holen, was uns jetzt mehrere Male verwehrt blieb“, schickt Fabian Diether bereits eine Kampfansage an die Konkurrenz in der Kreisliga B4. In den kommenden Tagen werde man sich kurzschließen und das weitere Vorgehen bis zum möglichen Start der Vorbereitung besprechen. Groll in Richtung des Verbands, da sich dieser mit seiner Entscheidung so lange Zeit gelassen hat, hege man vonseiten der Sportfreunde keinen. „Der WFV hatte einen klaren Stufenplan, den er verfolgt hat“, so Fabian Diether. „Das war schlicht und einfach überlegtes Abwarten.“

Ähnlich wie beim SV Oberjesingen fühlt man sich derzeit beim B-1-Ligisten SV Sulz am Eck. Letztes Jahr als Tabellenzweiter aufgrund der Quotientenregel gegenüber dem FV Calw den Kürzeren gezogen, schaut das Team von Thomas Carle auch heuer als Spitzenreiter in die Röhre. Der Aufstieg in die Kreisliga A1 muss erneut verschoben werden. „Das ist natürlich sehr bitter, da wir zum zweiten Mal hintereinander um die Aufstiegschance gebracht werden“, ist René Hepp traurig, weiß das Ganze aber auch einzuordnen. „Gegen Corona können wir nichts ausrichten, egal, wie gut wir auch kicken.“ Der Sulzer Abteilungsleiter ist dennoch guter Dinge, Versäumtes im nächsten Jahr nachholen zu können. „Alle Trainer, alle Spieler bleiben an Bord. Das ist eine gute Basis, um in der kommenden Saison erneut den Aufstieg anzugehen.“ Mit der Haltung des WFV, eine Entscheidung zum Saisonabbruch erst jetzt zu tätigen, kann der Sulzer Fußballboss leben: „Der Verband war in einer reaktiven Position. Er hat alles versucht, damit es irgendwann weitergehen könnte, aber die Inzidenzzahlen haben das nicht zugelassen.“ Die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs bleibe ab sofort das erste Ziel, das Turnier um den Wanderpokal mit den Nachbarn TSV Kuppingen, SV Oberjesingen und SV Deckenpfronn Anfang August, bei dem Sulz dieses Jahr Gastgeber ist, das nächste. „Das wäre toll, wenn wir dann wieder Testspiele absolvieren dürften“, hofft Hepp auf eine Normalisierung der Lage.

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Erstellt:
10. April 2021

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