„Aber eine einfache Nummer wird das nicht“

Einen Corona-Schaden von insgesamt über 90 Millionen Euro haben die württembergischen Sportvereine beim WLSB gemeldet. Darunter auch der TV Nebringen. Der Vorsitzende Frank Huber zeigt sich enttäuscht über die vom Kultusministerium zugesagten zehn Millionen Euro und sieht andere Wege, um die Vereine zu unterstützen.

Von Berkan Cakir

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Zwei Rasenplätze, vier Tennis-Spielfelder und ein eigenes Sportheim (rechts unten) muss der TV Nebringen unterhalten GB-Foto (Archiv): Steffen Bartl

Zwei Rasenplätze, vier Tennis-Spielfelder und ein eigenes Sportheim (rechts unten) muss der TV Nebringen unterhalten GB-Foto (Archiv): Steffen Bartl

Ein wenig ratlos klingt Frank Huber. „Wie soll der Sport durchkommen?“, fragt der Nebringer Vereinschef. Dass das Kultusministerium für die Sportvereine einen Notfallfonds in Höhe von gerade einmal zehn Millionen Euro vorgesehen hat, entspräche nicht annähernd dem, was er erwartet hatte. Von mindestens dem doppelten Betrag sei der seit 2006 amtierende Vorsitzende des TV Nebringen ausgegangen, um den rund 11000 Sportvereinen in Baden-Württemberg angemessen unter die Arme greifen zu können. „Ich bin schon ein wenig enttäuscht“, sagt Huber, vor allem wenn er bedenke, dass die Schadensmeldungen, die beim Württembergischen Landessportbund (WLSB) eingegangen sind, über 90 Millionen Euro betragen.

Von 5800 Sportvereinen, die beim WLSB Mitglied sind, hatten in den vergangenen Wochen rund 2300 Vereine den in Folge der Corona-Krise entstandenen Wirtschaftsschaden geschätzt und beim Sportbund über eine Internet-Plattform eingereicht. Angegeben wurden über 33 Millionen Euro an fehlenden Einnahmen, hochgerechnet auf alle WLSB-Vereine ergab dies ein Betrag von fast 90 Millionen Euro für Württemberg. Zählt man die beiden badischen Sportbünde von der Schätzung her dazu, käme man laut WLSB-Pressemitteilung auf über 170 Millionen Euro in ganz Baden-Württemberg.

Auch an dem Mehrspartenverein TV Nebringen sind die zahlreichen Ausfälle im Sportbetrieb nicht spurlos vorübergegangen. Insgesamt schlagen in der Schadensmeldung des 670 Mitglieder umfassenden Vereins rund 23000 Euro zu Buche. Geld, das nun fehlt und dazu führt, dass der Verein an seine Rücklagen muss.

Den mit Abstand größten Anteil am Ausfall, noch vor der Handball-, Tennis-, und Turnabteilung hat mit rund 10500 Euro die Fußballabteilung des TVN. Eintrittsgelder, die Einnahmen aus der Bewirtung bei Heimspielen des A-Ligisten und die eines abgesagten Sommerfestes fehlen in der Kasse der Kicker. Hinzu kommen die Kosten für die Sport- und Vereinsanlagen wie beispielsweise die Bewässerung für zwei Rasenplätze, die trotz ausgesetztem Spielbetrieb weiterlaufen muss. „Der Rasen macht mit Kosten von 4000 Euro extrem viel aus“, so Huber.

Darüber hinaus können Vereinsfeste wie die Backhaushocketse der Tennisabteilung nicht stattfinden, die der 58-Jährige als „Selbstläufer“ bezeichnet, weil sie regelmäßig gut besucht wird. „Früher haben wir das veranstaltet, damit etwas in die Kasse kommt. Mittlerweile haben wir das fest im Haushaltsplan eingeplant – mit dem Unterschied, dass wir nun mit den Einnahmen rechnen“, sagt der Vereinsvorsitzende. Sorgen bereiten ihm auch die Unsicherheit bei Sponsoren, die nicht weniger an der Corona-Krise leiden, und Mitgliedschaften, die infrage gestellt werden könnten, da der Turnverein derzeit in der Öffentlichkeit weniger präsent sein kann.

Die mittelfristig entstehenden Schäden sind zum Teil noch zu vage, um sie zu benennen. Bereits jetzt lässt sich für Frank Huber aber feststellen, dass es bei dem Thema nicht nur um nackte Zahlen geht, sondern auch um die Menschen, die mit dem Verein in Verbindung stehen. „Es schlägt in keiner Schadensmeldung durch, dass den Menschen, die hier arbeiten, das Geld fehlt“, sagt Huber.

Dem Pächter im Sportheim des TV Nebringen, der erst im Januar dieses Jahres eingezogen war, ergeht es wie vielen andere Gastronomen, die ihre Türen schließen mussten. Aufgrund aufwendiger Renovierungsarbeiten des in die Jahre gekommenen Sportheims und des Ausbaus des Obergeschosses auf Wunsch des Pächters, wollte der Verein eigentlich die Pacht erhöhen. Nun sei diese Erhöhung vom TVN erstmal für ein halbes Jahr ausgesetzt worden. Auch dank eines Außer-Haus-Verkaufs, für den der Verein eine Flyer-Aktion gestartet hatte, könne der Wirt zumindest die bisher vereinbarten Pachtzahlungen leisten.

Finanziell betroffen seien auch mehrere Übungsleiter. Viele zum Teil gebührenpflichtige Kurse der Turnabteilung fallen während der Corona-Krise aus. „Wenn die Übungsleiter keine Stunden geben können, haben sie auch keine Vergütung“, sagt Huber. Beispielsweise würden dadurch zwei lizenzierten Trainern, die Gymnastikkurse für Senioren anbieten, rund 1500 Euro entgehen. Der Verein überlege daher, diese Personen beispielsweise mit Gutscheinen zu entschädigen. „Wir rechnen fest mit ihnen, wenn der sportliche Betrieb wieder losgehen kann“, unterstreicht Huber.

Geht es nach dem TVN-Vorsitzenden wird es in Zukunft wichtig sein, die Vereine finanziell zu entlasten, damit sie sich von der Krise erholen können. Um besser zu wirtschaften, schlägt Huber vor, die Steuerbefreiungsgrenze der Sportvereine auf 45000 Euro zu erhöhen. Derzeit liegt sie bei 35000 Euro. „Das reißen wir mit unseren vier Abteilungen immer“, sagt Huber. Als Mehrspartenverein fühle man sich da schnell an den Rand gedrängt. Eine entsprechende Änderung zusammen mit einer Erhöhung der Freibeträge für Übungsleiter ist vom Bundesrat bereits für 2019 vorgeschlagen worden. Bisher hat sich in der Sache jedoch nichts getan. Für Huber biete sich nach 13 Jahren, in denen die Freigrenze nicht angehoben wurde, gerade jetzt die Gelegenheit für eine Änderung.

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„Aber eine einfache Nummer wird das nicht“

Außerdem steht im Juli für alle Vereine, die Mitglied im WLSB sind, die zweite Rate des „Kopfbeitrags“, also der Verbandsabgabe an: „Wenn der Beitrag erlassen würde, würde das unserer Liquidität helfen“, so Huber. Sicher ist für den Funktionär, dass man allein mit einem niedrig kalkulierten Notfallfonds „nicht weit kommt“. Anspruch darauf hätten womöglich ohnehin eher größere Vereine, die festangestellte Mitarbeiter haben und deren Schadensquoten weitaus höher seien. Im Vergleich dazu sei die Lage des TV Nebringen weniger kritisch. „Ich kann nachts noch gut schlafen“, sagt Huber, der sich sicher ist, dass der Verein durch die Krise kommen wird. „Wir haben es bisher immer geschafft. Aber eine einfache Nummer wird das nicht.“

Frank Huber

Frank Huber

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Erstellt:
28. Mai 2020

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