„Abgetaucht im Paradies – aufgetaucht im Chaos“

Ein jähes Ende hat für Nico und Julian Schmieder das Projekt „Without a plan to Japan“ (Ohne Plan nach Japan) gefunden. Die aus Hailfingen stammenden Brüder waren seit Ende April des vergangenen Jahres mit dem Rad auf dem Weg zu den Olympischen Sommerspielen nach Tokio. Zunächst strandeten sie aufgrund der inzwischen weltweiten Corona-Krise auf den Fidschi-Inseln, dann am Flughafen von Singapur.

Von Robert Stadthagen

Lesedauer: ca. 3min 22sec
In einer Dorfschule erzählen Julian (links) und Nico Schmieder (rechts) den Kindern von ihrer Reise GB-Fotos: Pasta-Gorillas

In einer Dorfschule erzählen Julian (links) und Nico Schmieder (rechts) den Kindern von ihrer Reise GB-Fotos: Pasta-Gorillas

„Abgetaucht im Paradies – aufgetaucht im Chaos“. Das ist der vielsagende Titel des letzten Blog-Eintrags der Pasta-Gorillas. Unter diesem Namen hatten sich Julian und Nico Schmieder im vergangenen Jahr auf den Weg nach Japan gemacht (wir berichteten). Schon 2014 hatten sie mit ihrer Tour unter dem Motto „Trio for Rio“ von sich reden gemacht. Die Olympischen Spiele in Tokio sind gestern offiziell auf 2021 verschoben worden, die ganz persönliche Reise der beiden Brüder war schon vorher beendet – ihre Odyssee noch nicht.

Gerstern Vormittag deutscher Zeit saßen Nico und Julian Schmieder am Flughafen in Singapur fest. „Wir werden in eine Isolationszelle mit zig anderen gestrandeten Touristen gesteckt – später stehen wir unter Polizeikontrolle und Quarantäne, wir werden wie Gefangene behandelt, dürfen nicht einmal mehr ohne Erlaubnis auf die Toilette“, schreiben sie auf Facebook. Mit dabei ist Julians Freundin Marisa. Sie war den beiden Männern zusammen mit Nicos Freundin Sophia auf die Fidschi-Inseln hinterhergereist. Im Paradies am anderen Ende der Welt war Corona zunächst weit weg, doch das änderte sich rasend schnell.

Die Reisepläne der Pasta-Gorillas hatte das Virus zuvor schon durcheinandergewirbelt. Nach der zweiwöchigen Pause auf den Fidschis sollte es von Neuseeland eigentlich über Nordthailand, Laos und Vietnam nach China gehen. Dort wollten die beiden in Yantai ein Boot nach Japan nehmen. Dieser Plan wird verworfen, weitere Alternativen wenig später. Als immer mehr Länder die Grenzen für Ausländer dichtmachen, entschließen sich Nico und Julian Schmieder dazu, vom neuseeländischen Auckland nach New York zu fliegen und von der US-Ostküste quer durchs Land an die Westküste zu fahren. „Ein kleines bisschen Asientour ist bei unserem USA-Trip, und mit einer großen Portion Ironie gesehen, allerdings dann doch dabei, wir verbinden ganz einfach Chinatown New York mit Chinatown San Francisco – China im Miniformat quasi. Die Vordertür nach Japan wurde uns also verbaut, manchmal muss man dann einfach durch die Hintertür radeln. Oder?“ So beschreiben sie die neue Idee in ihrem Blog. Mit diesem Plan im Kopf und der Vorfreude auf zwei Wochen Auszeit stellen sie ihre Räder bei ihren Bekannten John und Kathleen in Neuseeland unter und machen sie sich auf den Weg auf die Fidschis.

Die nächsten Tage sind traumhaft. „Sofort sind wir von der entspannten Lebensart und dem Dauergrinsen der Einheimischen angetan. Auf Fidschi ticken die Uhren definitiv anderes. ’Fidschi-Time’, ist quasi immer und kann ein kleines Nickerchen, einen Sprung in die Fluten oder einfach nur ein kühles Bier im Schatten einer Palme bedeuten. Die unglaublich herzlichen und freundlichen Menschen lassen sich scheinbar durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen. Uhrzeiten gibt es nicht – die ’Fidschi- Time’ bestimmt unseren Rhythmus und den Urlaubstakt für die nächsten zwei Wochen.“

Schnorcheln, Fischen, Strandspaziergänge – an einer Dorfschule erzählen sie Kindern von ihrer langen Reise. Aber die harte Realität läuft den beiden erbarmungslos hinterher. „Plötzlich tauchen wieder Fetzen der Realität im Paradies auf, Amerika macht die Grenzen dicht, heißt es. Verdammt, was geht da draußen eigentlich ab?“, schreiben sie. Zunehmend beschäftigen sie neben den Gedanken um die eigene Reise auch Sorgen um die Familien und Freunde in Deutschland. „Aber dann kommt er, der erste große Schock für uns! Kalt, fies und unerwartet steht er erst nur als Gerücht im Raum und wird uns später von John live aus Neuseeland betätigt. Neuseeland hat die Grenzen zugemacht, auf unbestimmte Zeit, für alle Ausländer! Die Räder sind auf Neuseeland gestrandet und von uns getrennt! Der absolute Super-GAU für Nico und mich, nie im Leben hätten wir mit diesem Reiseverlauf gerechnet. Wie auch? Wer hätte überhaupt mit solch einer Pandemie gerechnet?“, schreibt Julian Schmieder.

Während Nicos Freundin Sophia noch die Rückreise antreten kann, muss der Rest des Quartetts ausharren. In einem Paradies, dessen Behörden – wie viele andere Länder auch – Besucher nun so schnell wie möglich verabschieden möchte. „Die Hotels werden allmählich geschlossen, wir werden gedrängt zu gehen. Wir würden gerne, dürfen aber nicht – Ironie pur. Guter Rat ist teuer, wir sind ein Spielball von Corona, von weltpolitischen Entscheidungen und von irgendwelchen Transitregelungen, welche sich minütlich ändern.“ Nach vier Tagen am Flughafen erwischt das Trio mit viel Glück einen Flug nach Singapur. Wie es von dort aus weitergeht? Der geplante Weiterflug wurde gestrichen, die Weltreisenden hängen erneut fest. Bei Redaktionsschluss am gestrigen Dienstagabend war ihre Odyssee noch nicht beendet.

Den Blog von Julian und Nico Schmieder finden Sie online unter www.pasta-gorillas.com

Gestrandet am Flughafen in Singapur

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Die unbeschwerten Tage auf den Fidschi-Inseln wurden durch die Corona-Krise jäh beendet

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Erstellt:
25. März 2020

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