Ältere Unparteiische scheuen die Online-Arbeit

Von Berkan Cakir

Auch die Schiedsrichtergruppe in Böblingen bleibt von Corona nicht verschont. Nicht nur, dass einige ältere Unparteiische aus Gesundheitsgründen ihre Pfeife an den Nagel gehängt haben – auch ein wichtiger Beobachtungsplatz geht verloren. Obmann Achim Gack fordert mehr Einsatz.

Ältere Unparteiische scheuen die Online-Arbeit

Der Leistungskader der Schiedsrichtergruppe Böblingen mit (von links) Patrick Stephany, Jan Huber, Maximilian Jäger und David Simovski, auf dem Bild fehlt Stefan Jokic GB-Foto: Cakir

Erst seit Anfang des Jahres ist Achim Gack als Obmann bei der Böblinger Gruppe im Einsatz. Der Herrenberger Unparteiische macht seit einem guten halben Jahr die Arbeit, die zuvor sein Vorgänger Kurt-Heinz Kuhbier 20 Jahre lang geprägt hat. Eine Umstellung an der Spitze bedeutet immer auch Veränderung. Vor allem, da diese Aufgabe in Böblingen nicht mehr nur allein vom Obmann, sondern auch von seinem Stellvertreter, Christian Runge, getragen wird. Arbeitsteilung heißt nun das Credo auch im gesamten siebenköpfigen Ausschuss – alle Mitglieder arbeiten im Tandem, zusammen mit einem Partner, der die Arbeitslast auch mal abnehmen soll. „Wir wollten eigentlich richtig loslegen“, meinte Runge rückblickend bei der Pressekonferenz im Altdorfer Vereinsheim, „aber dann wurden wir ausgebremst.“

Corona hat auch der Schiedsrichtergruppe einen Strich durch die Rechnung gemacht – und stellt sie künftig auch vor einige Herausforderungen. Achim Gack kam beim ersten Zusammentreffen der Unparteiischen nach der Krise nicht umhin von einem „Aderlass“ zu sprechen. Die Angst vor dem Virus treffe auch einige ältere Kollegen, die potenziell zur Risikogruppe zählen. Viele seien nicht mehr bereit gewesen, die Arbeit unter diesen Umständen weiterzutragen, und hätten ihre Karrieren (vorerst) beendet. „Wir haben etliche Haudegen verloren“, so Gack. Corona ist nicht der einzige Grund. Problem sei für viele ältere Schiris auch die Online-Bearbeitung, die 60 Minuten nach Spielende fertig sein muss – ansonsten gibt es eine Strafe, die nahezu der Summe entspricht, was ein Schiri pro Spiel verdient. „Das packen die nicht so schnell“, so der Obmann. Hinzu kommt, dass die neue Führungsriege den Bestand an Unparteiischen durchforstet hat, um zu schauen, wer wirklich noch aktiv pfeift. Unterm Strich bleiben so rund 170 Schiedsrichter für die kommende Saison. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es noch 197. Im Hinblick auf die neue Saison bedeutet das: Weniger Schiris, mehr Spiele. Gerade in den Ligen ab der Bezirksliga wird es aufgrund der Corona-Umstände mehr Teams in den Spielklassen geben, und damit auch mehr Partien. Die Schiedsrichter müssen also öfter pfeifen. Dabei zeigte sich Gack ohnehin nicht ganz zufrieden mit der Anzahl der gepfiffenen Spiele in der vergangenen Saison. Insgesamt 2920 Spiele wurden von 158 Böblinger Schiris geleitet. Im Schnitt sind das 19 Spiele pro Mann, nur dass manche weniger als fünf, andere hingegen fast 30 gepfiffen haben. Für Gack steht fest: „Liebe junge Kameraden, ihr könnt noch mehr pfeifen.“

Momentan verfügt die Gruppe nurüber drei Beobachtungsplätze

Der neue Obmann will die Zügel wieder anziehen. Letzten Endes wirkt sich das Engagement der Schiris auch auf die Beobachtungsplätze aus, über die man in die nächsthöhere Liga aufsteigen kann. Und da die Ligen von der Landesliga aufwärts nur spärlich mit Gacks Mannen besetzt sind, ist es dem ehemaligen Verbandsliga-Referee wichtig, dass es genug Beobachtungsplätze gibt – die der Verband einem praktisch auch wieder wegnehmen kann. So geschehen für die Böblinger: Statt vier sind es künftig nur noch drei Beobachtungsplätze, die für die kommende Saison von Jan Huber, David Simovski und Stefan Jokic in der Bezirksliga eingenommen werden.

Grund dafür ist, dass von 158 Schiedsrichtern der Böblinger Gruppe nur 130 anrechenbar gewesen sind. Jeder Schiedsrichter, der bei einem Verein aktiv ist, muss bestimmte Anforderungen erfüllen. Aufgrund der Corona-Krise wurden die Anrechenbarkeitsklauseln angepasst: Sechs Spiele und zwei Schulungen hätten die Schiris absolvieren müssen, um aus dem Soll zu kommen. Geschafft haben das nicht alle. Vor allem bei den Schulungen, die online stattfanden, hatte Gack mehr erwartet. „Mit den Beobachtungsplätzen bleibt es wohl nun erst einmal so. Wir müssen das auf die Reihe kriegen“, betonte der Herrenberger. Erfreut zeigte er sich hingegen von zwei Aufsteigern. Während Patrick Stephany (weiterhin im Leistungskader für die Landesliga) nur knapp an der Verbandsliga scheiterte, gelang Maximilian Jäger aus Bondorf der Sprung in die nächsthöhere Liga. „Wir sind stolz darauf, dich in die Verbandsliga gebracht zu haben“, sagt Gack an den Schiedsrichter gerichtet, der für die SV Böblingen pfeift.

Auf einer noch größeren Bühne steht künftig Tobias Reichel, Gacks „Flaggschiff“. Obwohl der Deutsche Fußballbund bereits viele Schiedsrichter aus dem Südwesten in den professionellen Ligen hätte und daher zusehe, für mehr Ausgewogenheit zu sorgen, sei es dem Maichinger gelungen, sich für die Erste Bundesliga zu empfehlen. Reichel ist streng genommen zwar noch Schiedsrichter in der Zweiten Bundesliga, darf in der kommenden Saison aber ein paar Spiele in der obersten Klasse pfeifen. Zudem sind weiterhin Norbert Fleischer und Manuel Dürr in der Verbandsliga, Thomas Schnaufer in der Landesliga und Ulf Ritschel in der Bezirksliga als Beobachter aktiv.