Wenn die Green Island Band loslegt, dann ist sofort Stimmung im Saal. Der Schlagzeuger zählt ein und hält den Rhythmus. Uwe am Klavier hält die Band musikalisch und menschlich zusammen. Gitarrist Harald Sattler ist Backup und hat besondere Beziehungen zu Irland: „Schon als 15-Jähriger war ich auf der Insel.“ Stefan, der Sänger, legt in breitestem Irisch los, kann aber kein Wort Englisch: „Alles rein phonetisch gelernt“, weiß Sattler.
Im Tennental wird beim Tag der offenen Tür altes Handwerk demonstriertGB-Foto: Holom
Vorbild der Band sind die Dubliners. Ihre irischen Songs, aber auch schottische und englische Lieder und sogar deutsches Liedgut finden sich im Repertoire der Green Islanders. „Hauptsache, es macht allen Spaß“, sagt Harald Sattler. Dem Publikum im Großen Saal im Gemeinschaftshaus der Dorfgemeinschaft Tennental gefällt’s. Das Besondere an den Green Islanders: Sattler ist das einzige nichtbehinderte Bandmitglied.
Und niemand scheint das überhaupt wahrzunehmen. Im Grunde logisch: Im Tennental wird die Inklusion gelebt. „Als wir vor 28 Jahren hier angefangen haben“, sagt Vorstandssprecher Matthias Hacker, zuständig für die Gesamt- und die Finanzleitung des Fördervereins Tennental, „haben wir den Wert auf das Zusammenleben von Menschen, die Unterstützung brauchen, und Nichtbehinderten gelegt.“
Ein Fest, an dem viele Bereichedes Betriebs zu sehen sind
Vor 28 Jahren habe man den Tag der offenen Tür eingeführt, um den Nachbarn zu zeigen, was in der Dorfgemeinschaft los ist. Doch was als klassischer Besuchstag begann, an dem man in die Werkstätten hineinschauen konnte, hat sich parallel zum Wachsen der Dorfgemeinschaft zu einem Riesenevent entwickelt. „Im Zeichen der Inklusion“, sagt Hacker, „war es irgendwann nicht mehr richtig, den Behinderten in der Werkstatt zuzugucken. Heute ist der Tag der offenen Tür ein Fest, an dem viele Bereiche des Betriebs zu sehen sind. Und die Behinderten arbeiten einfach mit – im Verkauf, hinter den Theken, im Stall, in der Landwirtschaft.“ Hacker weiter: „Wir betreiben hier Inklusion umgekehrt, indem nichtbehinderte Besucher in unseren Betrieb integriert werden.“
Und die Besucher staunen nicht schlecht: „Wir haben hier keine Industriemontage, wie in anderen Behinderten-Werkstätten üblich. Wir sind stark handwerklich orientiert.“ Zentralpunkt sei die Landwirtschaft – 70 Hektar Land würden bewirtschaftet, davon acht allein für Gemüseanbau. Die Milch der Kühe werde in der eigenen Käserei verarbeitet, der Raclette-Stand ist folglich dicht umlagert.
Die Ernte von den Feldern wird ebenfalls selbst verarbeitet, etwa in der Einmach-Küche, wo Pesto oder auch Brotaufstriche hergestellt werden. Die würden dann im eigenen Dorfladen verkauft – aber auch an rund 40 Naturkost-Läden im Raum zwischen Stuttgart und Karlsruhe geliefert. In einer Astholz-Schreinerei wird Kunsthandwerkliches gemacht, in der Schmiede werden Landmaschinen repariert. „Im Grunde arbeiten alle für den Eigenbedarf“, sagt Hacker stolz. Am Tag der offenen Tür darf man überall reingucken. Es gibt Traktorfahrten über die Felder oder Fahrten mit der Pferdekutsche. Hinterher schmeckt die Wurst aus der Biometzgerei.
Dass so ein großes Fest möglich ist, dafür braucht es Helfer: „Zwei Gruppen Azubis vom Daimler kommen jeweils eine Woche lang und helfen beim Aufbau“, sagt Hacker. Auch jeder Sparkassenlehrling im Landkreis Böblingen absolviert irgendwann ein zweiwöchiges Sozialpraktikum im Tennental.
Und natürlich, darauf legt Hacker ganz besonderen Wert, diene das Fest auch der Mitarbeitergewinnung. Direkt am Eingang des Cafés verteilt Hacker am Infostand seine Visitenkarte. Hier kommen Anfragen zusammen von Menschen, die irgendeinen Bezug zum Thema haben, vielleicht weil sie andere Behinderten-Heime kennen, jetzt aber mal das Konzept der Dorfgemeinschaft studieren wollen.
Und wenn ein Interessent für soziale Arbeit kommt, könne er sich hier gleich umschauen. Und sich vielleicht für die Fachschule für Heilpflege bewerben. „Das ist die kleinste Fachschule Deutschlands“, sagt Hacker, „jährlich werden zehn Schüler aufgenommen.“ Da die Ausbildung drei Jahre dauert, sind rund 30 Auszubildende in der Schule. „Die Theorie sagt, dass Ausgelernte am besten erst mal hinausziehen in die Welt und Erfahrung in ihrem Beruf sammeln, um anschließend wieder zurückzukommen. Tatsächlich ist aber unser Bedarf so groß, dass die meisten direkt dableiben. Nur ein paar gehen aufgrund persönlicher Entscheidungen.“
Die Green Islanders spielen sich in der Zwischenzeit durch ihr Repertoire. „Whisky in The Jar“ und „Molly Malone“ bringen die Besucher zum Mitklatschen. Am 7. Juli dürfen die Jungs in Ulm aufspielen. Harald Sattler ist begeistert: „Das wird die weiteste Reise, die wir als Band jemals gemacht haben.“