Asylstühle verweisen auf eine lange Tradition

Von Thomas Morawitzky

Wer Bücher nehmen oder geben möchte, erlebt nun wieder eine Woche, in der er das tun kann, nach Herzenslust. Der Lions Club Herrenberg lädt ihn dazu ein. Bis Samstag stehen viele Kisten bereit, beim Bücherbasar des Clubs, einige Stühle des Herrenberger Kunstvereins zudem. Setzen sollten sich die Leser auf diese Stühle nicht unbedingt.

Asylstühle verweisen auf eine lange Tradition

Vorne dieAsylstühle, hintendie Bücher:Ausstellung und Basar in der MehrzweckhalleGB-Foto: Holom

Obschon: Es gibt eine Auswahl an Sitzmöbeln, die durchaus dazu einladen, sich auf ihnen niederzulassen, vielleicht, um so in einem Buch zu blättern, neu erworben nebenan beim Lions Club zu minimalem Preis. Der Club, der den Bücherbasar in der Herrenberger Stadthalle zum 18. Mal schon veranstaltet, erkannte im vergangenen Jahr, dass er die Fläche der Halle, für die er Miete bezahlt in dieser Woche, mit seinem Basar nicht vollständig nutzt. 2018 überließ er deshalb die große Freifläche im hinteren Hallendrittel dem Herrenberger Kunstverein, der sich dort kreativ ausbreitete.

So auch in diesem Jahr, und dieses Mal mit einem sehr besonderen Konzept. Am 15. Mai ließ der Kunstverein rund 50 Stühle von Herrenberg nach Stuttgart bringen, nahm teil an einer Aktion, zu der die Diakonie Baden Württemberg aufgerufen hatte. Asylsteine, Asylkreuze, so die Diakonie, hätten im Lande eine lange symbolische Tradition; ihr sollten viele Baden-Württemberger, Kunstvereine, Flüchtlingsgruppen, engagierte Bürger, nun den symbolischen Stuhl hinzufügen als ein Zeichen des Willkommens. Kunstverein und Diakonie bündelten die Fantasie von insgesamt acht Gruppen – der GWW Herrenberg und Nagold, der Flüchtlingsbetreuung in Herrenberg und Gäufelden, des Vereins „Flüchtlinge und wir“, der Konfirmanden Nebringens und des Jugendkreises des CVJM in Eltingen bei Leonberg – und trat mit ihnen auf dem Stuttgarter Schlossplatz auf, auf dem an jenem Tage fast 1000 höchst individuelle Stühle standen.

Cindy Ponto, stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins, und Carolin Schlanderer, Bezirksgeschäftsführerin des Hauses der Diakonie in Herrenberg, empfanden großes Bedauern ob der Tatsache, dass so viel Kreativität sich in einer einzigen Aktion von wenigen Stunden erschöpfen sollte. Sie griffen das Angebot des Lions Clubs deshalb begeistert auf, konzipierten im Hinterraum der Stadthalle eine Ausstellung all der Stühle, die nun manchmal einfach nur bunt sind, manchmal raffiniert und sinnig kunstvoll gestaltet.

Auf einem Stuhl sitzt eine Puppe, die den Arm freundschaftlich um den Besucher legt, der es wagt, sich auf den Nebenstuhl zu setzen; ein Stuhl entpuppt sich als gedeckter Rollator, ein anderer war einmal ein Rollstuhl, ein dritter leuchtet in Regenbogenfarben. Am Montag versammelten sich Mitglieder des Kunstvereins und Gäste zu einer kleinen Eröffnung.

Das Hauptinteresse, das Herrenberger in dieser Woche in die Stadthalle führen wird, ist jedoch das Buch. Seitdem der Lions Club seinen Bücherbasar zuerst im Jahr 2002 im Herrenberger Klosterhof eröffnete, ihn fünf Jahre später schließlich professionalisierte und mit ihm in die Halle zog, hat er sich als ein beliebter Warenumschlagplatz für lesende Zeitgenossen etabliert. Rund 20000 Bücher kann der Club aktuell zum Verkauf anbieten; allein am vergangenen Wochenende, seit der Eröffnung des Basars am Samstag, erhielt er rund 10000 Bücherspenden, und im Verlauf der Woche wird sich dies fortsetzen. Und natürlich gibt es auch jenes Leserklientel, das so sehr bringt, wie es nimmt, dessen Bücherbestände über den Basar des Lions Clubs gewissermaßen zirkulieren.

Der Erlös kommt Projektenin Herrenberg zugute

Detlef Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Böblingen, Pressesprecher des Lions Clubs, und Günter Maltrus, Jahres-Präsident des Clubs noch bis Ende des Junis, sind sehr zufrieden mit dem Erfolg ihres Basars. Da Lagermöglichkeiten für Bücher in der Sparkasse Herrenbergs seit diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen machte der Lions Club sich auf die Suche nach einem Ersatz, fand sie in Herrenberg bei Kaupp + Diether. Der Club übernimmt die Miete der Halle, die Lagerung der Bücher, ihren Transport mit einem Lkw – und er lässt den Erlös des Basars in vollem Umfang Herrenberger Projekten zukommen, die sich auf soziale Weise engagieren.

2018 Jahr erzielte der Lions Club einen Umsatz in fünfstelliger Höhe. Darauf hofft er auch dieses Jahr. Der Erlös kommt dem Stadtjugendring und seinen Projekten zu Integration und Vielfalt zugute, dem Stadtseniorenrat mit seiner PC-Hilfe für Senioren und seiner Patenschaft Schule-Beruf, der evangelischen Kirchengemeinde mit ihrer Spitalkirche. In der Stadthalle stapeln sich die Bücher: Krimis, Romane, Sachbücher, Kunst- und Wörterbücher, Bildbände, Cartoons, fremdsprachige Bücher, Compact Discs auch, Schallplatten und DVDs, sämtlich in geprüft gutem Zustand – ein bekanntes Paradies für alle, die noch nicht wissen, wie sie die Pfingstferien verbringen. Rund 40 Mitglieder des Lions Clubs leisten in dieser Woche etwa 500 Arbeitsstunden beim Sortieren und Verkaufen dieser Bücher.

Anders als in den Jahren zuvor öffnet der Bücherbasar an Wochentagen erst um 11 Uhr vormittags, bleibt abends jedoch bis 19 Uhr geöffnet. Am Samstag wird er von 9 bis 14 Uhr geöffnet sein.