Aus der Lok wird flugs eine Tonne

Wer kennt sie nicht, wer liebt sie nicht, die Geschichte vom Lokomotivführer Lukas, der mit dem kleinen Jim Knopf loszog, um die fiese magere Drachendame Frau Mahlzahn zu besiegen? Michael Endes Kinderbuch ist ein Klassiker und wurde oft schon mit Puppen gespielt. Nun erlebten die Bondorfer Kinder das live mit der Tübinger Theatergruppe „HERZeigen“.

Von Thomas Morawitzky

Lesedauer: ca. 2min 26sec
Johanna Sophia Müller und Isabelle Guidi begeistern die Kinder in der Zehntscheuer GB-Foto: Vecsey

Johanna Sophia Müller und Isabelle Guidi begeistern die Kinder in der Zehntscheuer GB-Foto: Vecsey

„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ – ganze 60 Jahre sind vergangen, seitdem dieses Buch erschien. In etlichen Kinderzimmern, unter etlichen Weihnachtsbäumen lagen die Abenteuer des gutmütigen Lokführers und des dunkelhäutigen Jungen von der kleinen Insel Lummerland, in der König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte regiert. Berühmt sind die Verfilmungen, die Michael Endes erstes Buch durch die Augsburger Puppenkiste erfuhr. Zwei gab es: die eine in Schwarz-Weiß, die zweite in Farbe von 1978.

Diesem Charme bleibt das kleine Tübinger Theater mit dem doppelsinnigen Namen „HERZeigen“ treu, auch wenn Johanna Sophia Müller und Isabelle Guidi viele Abenteuerszenen natürlich auch selber spielen. Eine professionelle Mütze und ein angeklebter Schnauzbart machen aus einer Schauspielerin ganz flink einen Lokführer; der kleine dunkle Bube, der grinsend auf dem Kessel der Lok sitzt, bleibt jedoch immer Puppe. Frau Mahlzahn dagegen – sie ist nicht dick, denn sie ist sehr dünn, sie kommt nicht aus Berlin und sie heißt nicht Cindy, aber ein Schrecknis wird, obschon man Namen nicht verwechseln soll, ein Schrecknis bleiben immerdar – tritt auf als Bildprojektion mit sehr viel wilden, krummen Zähnen im gemeinen Drachenmaul.

Das Tübinger Theater „HERZeigen“ besteht seit dem Jahr 2012, bestand zuerst aus zwei, heute aus drei Spielerinnen, die sich auf Inszenierungen spezialisiert haben, die mit einfachen Mitteln, mit Puppen, Pantomime, Tanz und Musik die Fantasie eines jungen Publikums ansprechen wollen. In der Bondorfer Zehntscheuer, eingeladen von der Gemeindebibliothek, gelingt dies dem Theater vorzüglich: „Mein Freund Jim Knopf und ich, wir haben vor nichts und niemandem Angst!“, versichert darin der Lokführer der Kreatur, die in der Tonne sitzt. Die Tonne war eben noch Emma, die Lokomotive mit den schönen roten Rädern, mit der beide sich auf die Reise machten. Sie waren auch in Ping, der Hauptstadt von Mandala, und trafen dort eine reizende orientalische Person, die eine große Schüssel auf seinem Kopf trug.

Eine Lokomotive kann man leicht
mit einer Schokomotive verwechseln

Die beiden Schauspielerinnen Johanna Sophia Müller und Isabelle Guidi lassen die Bondorfer Kinder teilhaben an ihrem Spiel. Dass man eine Lokomotive verwechseln kann mit einer Schokomotive, das gefällt den Kindern sehr. Eine Mundharmonika spielt eine Melodie, ein Akkordeon kommt mit Gesang auf die Bühne spaziert, fremdländischer Gesang erklingt und die brave Lok Emma stößt einen herzig langen Pfeifton aus.

Natürlich nimmt all dies ein gutes Ende. Und weil die Geschichte von Michael Ende ist: sogar ein besonders zauberhaftes. „Wenn man nämlich einen Drachen besiegt, ohne ihn zu töten“, erklärt die Schauspielerin mit dem Schnauzbart den Puppen und Kindern zuletzt mit gutmütiger Geduld, „dann verwandelt er sich. Er wird ein goldener Drache. Das ist mit Frau Mahlzahn passiert.“ Ja, wer hätte das gedacht – von Cindy!

Aus der Lok wird flugs eine Tonne

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Erstellt:
11. März 2020

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