Barfuß wird die Traubenmasse gestampft

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Und „Prost“: Die Hobby-Winzer Brigitte und Hans-Jürgen Maurer bauen bei Unterjesingen ihren eigenen Wein an GB-Foto: jg

Und „Prost“: Die Hobby-Winzer Brigitte und Hans-Jürgen Maurer bauen bei Unterjesingen ihren eigenen Wein an GB-Foto: jg

Wein aus eigenem Anbau: Ein Traum, den sich Brigitte Maurer und ihr Mann Hans-Jürgen bereits vor einigen Jahren erfüllt haben. Doch erst jetzt, mit ihrem Eintritt in den Ruhestand, hat auch die ehemalige Schulleiterin die Zeit, sich mehr um das Stückchen Hang in Unterjesingen zu kümmern. Mit den Sommerferien hat sich die 63-Jährige aus ihrem Job und damit in einen neuen Lebensabschnitt verabschiedet.

Zwölf Jahre lang leitete Brigitte Maurer die Friedrich-Fröbel-Schule in Herrenberg, ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum. Eine „anspruchsvolle Arbeit“, wie sie erzählt, „die mich im positiven Sinne ausgefüllt hat“. Inzwischen ist sie 63 Jahre alt, ihr Mann bereits in Rente. Da sei auch für sie die Zeit reif für den Ruhestand gewesen, erzählt die Herrenbergerin. Trotzdem fehle ihr die Arbeit, besonders jetzt zum Schulanfang. Einerseits sei es schön, nicht mehr diese große Verantwortung zu tragen, andererseits sei ihre „innere Uhr“ angesprungen. „Ich war kribbelig“, erinnert sie sich. Die normalen Abläufe zum Schuljahresanfang seien ihr wie automatisch in den Sinn gekommen. Trotz Ruhestand – langweilig wird es dem Ehepaar sicher nicht. Brigitte und Hans-Jürgen Maurer haben eine besondere gemeinsame Leidenschaft: den Wein. Und das Paar hat außerdem den zu der Passion passenden Weinberg in Unterjesingen.

Auf dem Weinberg steht derzeit die Ernte der roten Trauben ins Haus. Zwei bis drei Wochen früher, so schätzt Hans-Jürgen Maurer, werden sie dieses Jahr dran sein. Das warme Wetter hat den Zeitplan verändert. Täglich müssen Maurers nun überlegen, ob sie ihre Trauben schon ernten oder noch warten können.

Das Problem ist der sogenannte „Böckser“. Durch das warme Wetter, erklärt Hans-Jürgen Maurer, verlieren die Trauben an Säure, der pH-Wert und der Zucker steigen. Dadurch könne der Wein bei der Vergärung kippen und schlecht werden. Mit einem Refraktometer messen die beiden an den Trauben daher regelmäßig den Zuckergehalt. Hat der Wein zu viel Zucker, werde er „fett“ anstatt „spritzig“, erklärt Brigitte Maurer, und bekomme einen höheren Alkoholgehalt. Besonders beim Weißwein sei das „nicht unbedingt erwünscht“. Ein möglicher Ausweg ist eine rechtzeitige, frühere Lese.

Auf diese verwendet das Ehepaar pro Tag etwa 13 bis 14 Stunden, inklusive Nachtschicht. Zunächst müssen die Trauben von Hand von den Reben gelesen werden – auf dem steilen Hang in Unterjesingen. Reihe für Reihe laufen die beiden ab und sortieren die schönen Trauben in ihre Kisten. Mit denen geht es dann nach Hause nach Herrenberg, wo die Trauben „entrappt“, also von ihren Stielen getrennt, werden. Danach folgt das Einmaischen.

Diese Masse wird anschließend gestampft – mit den nackten, gewaschenen Füßen. Zur Klärung des Traubenmostes wird Bentonit beigefügt. Drei bis fünf Stunden bleibt das Ergebnis stehen, ehe der Saft abgepresst wird. Der wird mit Hefe vermengt und darf elf bis 15 Tage gären. Da ist die tägliche Kontrolle besonders wichtig, wie Hans-Jürgen Maurer betont. Die Temperatur muss gemessen und der Zuckerabbau überwacht werden. „Möglichst langsam und gleichmäßig“ soll der Prozess vonstattengehen. Nach der Gärphase wird der Saft „abgezogen“, also von den Traubenresten getrennt, und zur weiteren Reifung in ein Edelstahlfass gefüllt. Mehrmals wird der Wein abgezogen, ehe er im Juni oder Juli des nächsten Jahres in die Flasche kommt.

In dieser Zeit werden Proben ins Labor geschickt, berichtet Hans-Jürgen Maurer, um den Gehalt von daheim nicht messbaren Säuren wie zum Beispiel Apfel- oder Weinsäure zu überprüfen. Derartige Säuren sind wichtig für den Geschmack, erläutert Brigitte Maurer.

„Beschwerlich“ ist die Ernte durchaus, gesteht sie. Maurers müssen in Etappen ernten, was gerade reif ist und was die beiden von der Menge her zu verarbeiten schaffen. Denn stehen bleiben sollten die Trauben wenn möglich nicht. Am Ende eines Tages voll Erntearbeit steht übrigens das Putzen, denn, so die Pädagogin: „Hygiene ist sehr, sehr wichtig.“

Reich fällt die Ernte in diesem Jahr aus, wie beide schätzen. Jedoch hatten sie wegen der Trockenheit auch deutliche Mehrarbeit. Bis zu 3 000 Liter Wasser mussten sie in diesem Sommer an einem Brunnen in Fässer füllen, auf den Weinberg fahren und dort mit Gießkanne und Gartenschlauch jeden Stock einzeln bewässern. Bis in die Ernte hinein war die Bewässerung notwendig. „Das ist ein Phänomen“, sagt sie. „Das hatten wir noch nie.“

Maurers bewirtschaften ihren Weinberg nach ökologischen Maßstäben, „im Einklang mit der Natur“, sagt sie, und nur zum Eigenbedarf. Rund 220 Stöcke nennen die beiden ihr Eigen, darunter einige junge Pflanzen, die noch keinen großen Ertrag bringen. Der ist dem Paar aber auch nicht so wichtig. Ihre Liebe zum Wein ist ihr Antrieb. „Wir waren schon immer Italienfans“, sagt sie lächelnd. Mit ihrem VW-Bus seien sie oft dort gewesen und hätten bei ihren Besuchen unter anderem viel Wein gekauft. Ihre Freunde wollten die edlen Tropfen bald auch genießen, so dass irgendwann der VW-Bus bis oben vollgeladen wieder nach Deutschland rollte.

Damals dachte sich das Paar, das könnte sich rechnen. Also verkauften sie aus der Waschküche von Brigitte Maurers Eltern in Schönaich heraus Wein und veranstalteten Proben. „Das war gefragt“, erzählt sie. Der nächste Schritt sollte ein eigener Weinladen in Böblingen werden, den Hans-Jürgen Maurer, eigentlich gelernter Versicherungskaufmannsgehilfe, 1999 eröffnete. „Das war ’ne tolle Zeit“, erinnert sie sich. Weinmessen, Einladungen auf Weingüter in Italien – „wir sind sehr viel rumgekommen“.

Gut fünf Jahre später schloss der heute 64-Jährige allerdings wieder. „Es hat sich einfach nicht mehr gerechnet“, sagt er. Hans-Jürgen Maurer vollzog einen beruflichen Wechsel zum Hausmann. „Das war ganz prima so“, sagt seine Frau, denn ihr Arbeitspensum stieg damals durch die neue Stelle als Schulleiterin.

Geblieben ist den beiden Hobby-Winzern ihr eigener Weinberg. Zu dem kamen sie über eine Kollegin Maurers beim Schulamt, die selbst einen Weinberg in Unterjesingen hat. Zuerst halfen sie bei der Kollegin mit, bis 2002 ein Grundstück zum Verkauf stand.

Die Herrenberger griffen zu. Seither haben die beiden neu bestockt, wurden Mitglied im Unterjesinger Obst- und Weinbauverein und besuchten diverse Kurse. In der Hauptsache kümmerte sich aus zeitlichen Gründen bisher Hans-Jürgen um den Weinberg, nun steigt Brigitte Maurer voll mit ein – zwei- bis dreimal pro Woche pflegen bedeutet das momentan. Sie freue sich schon darauf, sagt sie. „Hat ja auch was, die Arbeit im Weinberg ist sehr befriedigend“, meint sie. Die frische Luft, die Landschaft – das mache es angenehm. Außerdem genehmigen sich Brigitte und Hans-Jürgen Maurer nach getaner Arbeit gerne eine Flasche Wein – aus eigenem Anbau, versteht sich. JACQUELINE GEISEL

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Erstellt:
26. September 2018

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