Boris Vukcevic hat sein Lachen wieder

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Boris Vukcevic (Mitte) im Kreise seiner langjährigen Freunde und Trainerkollegen bei der U15 der SV Böblingen, Daniel Fredel (links) und Erick Odhiambo GB-Foto: Zvizdiç

Boris Vukcevic (Mitte) im Kreise seiner langjährigen Freunde und Trainerkollegen bei der U 15 der SV Böblingen, Daniel Fredel (links) und Erick Odhiambo GB-Foto: Zvizdiç

Und, schafft ihr das?“ Boris Vukcevic kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Immer wieder stellt er den Nachwuchskickern, nachdem er ihnen die Übungen zuerst erklärt hat, provokant dieselbe Frage. „Und, schafft ihr das?“ Die Laune beim ehemaligen Bundesligaprofi ist bestens – so lange die Fußballer der C1-Junioren der SV Böblingen konzentriert bei der Sache sind. Das sind sie überwiegend. Hin und wieder wird seitens der Spieler mit den Trainern verhandelt, ob diese oder jene Kräftigungsübung denn noch sein muss. „Aber alles im Rahmen“, ist Trainer Daniel Fredel entspannt.

Bei Boris Vukcevic, gemeinsam mit Erick Odhiambo im Trainerstab der talentierten Böblinger U 15, sieht das nicht anders aus. Als er von Daniel Fredel vor rund anderthalb Jahren gebeten wurde, in seinem Trainerteam mitzuwirken, musste der 29-Jährige nicht allzu lange überlegen. Die Strahlkraft des Fußballs hat bei ihm nie nachgelassen.

Zumindest im Sinne des puren Sports. Mit dem Profizirkus hingegen hat er abgeschlossen. Ein schicksalhafter Tag vor bald sieben Jahren veränderte alles. Boris Vukcevic, zu der Zeit unangefochtene Stammkraft beim Erstligisten TSG Hoffenheim und unbestritten einer der vielversprechendsten jungen Spieler in Deutschland, befand sich auf dem Weg ins Training, als er die Kontrolle über sein Auto verlor. Mit über 70 Stundenkilometern raste er frontal in einen Lkw, erlitt dabei lebensgefährliche Kopfverletzungen und musste notoperiert werden.

Im Unfallwagen fand die Polizei sein Insulin-Messgerät und -Tagebuch. Boris Vukcevic ist Diabetiker, zum Zeitpunkt des Zusammenpralls war der damals 22-Jährige leicht unterzuckert. Die Feuerwehr musste ihn aus dem Auto schneiden. Per Hubschrauber ging es in die Heidelberger Uniklinik. Dort wurde Boris Vukcevic drei Stunden lang am Kopf operiert und anschließend ins künstliche Koma versetzt. Nach sieben Wochen wachte er wieder auf.

Jugendfreund Daniel Fredel erinnert sich noch ganz genau an den 28. September 2012. „Als ich im Radio hörte, dass ein Hoffenheimer Spieler einen schweren Unfall hatte und beiläufig erwähnt wurde, dass dieser Diabetiker sei, war mir alles klar.“ Nachdem er die traurige Bestätigung der Eltern von Boris Vukcevic bekommen hatte, machte er sich mit Darko Ananiev, ebenfalls ein Freund aus frühen Jugendjahren, sofort auf nach Heidelberg. „Wir haben auf der Fahrt anderthalb Stunden durchgeheult“, schämt sich Daniel Fredel auch heute seiner Tränen nicht.

Auch wenn Boris Vukcevic den Besuch seiner Kumpels in der Uniklinik nicht mitbekommen und erst viel später davon erfahren hat, vergessen wird er diesen niemals. „Wahre Freunde trifft man erst, wenn man sich auf der Schattenseite des Lebens befindet“, sagt der ehemalige deutsche Junioren-Nationalspieler und blickt dabei, wie so oft, nachdenklich drein. Die Erinnerungen an die Zeit nach dem Einschnitt sind noch frisch. Von jetzt auf nachher war sein Leben nicht mehr dasselbe. „Ich hatte einige wunderschöne Jahre, habe meinen Traum leben können“, schiebt er fast schon trotzig hinterher. Seine Gemütslage wechselt. Immer wieder. Und so toll die Jahre als Bundesligaprofi auch waren, sie haben den 29-Jährigen viel gelehrt. In jedweder Hinsicht. Vor allem anderen hat Boris Vukcevic am eigenen Leib erfahren, wie es um die Kameradschaft im Profibereich bestellt ist. Bis auf Sejad Salihovic hat sich keiner seiner ehemaligen Mitspieler bei ihm gemeldet. Sein damaliger Trainer Markus Babbel sowie Frieder Schrof und Ralf Rangnick, die er seit seiner Jugendzeit beim VfB Stuttgart kennt, haben sich in den Jahren danach noch nach seinem Wohlbefinden erkundigt.

   Und heute? „Niemand mehr“, sagt Boris Vukcevic und lacht dabei. Ein Lachen, das man so oder so interpretieren könnte. Die Enttäuschung über die Erfahrungen nach dem schlimmen Unfall ist immer noch da, aber sie weicht immer mehr der Lebensfreude, die der gebürtige Kroate zurückgewonnen hat. „Ich bin gesund und zufrieden.“ Boris Vukcevic erinnert sich noch gut an die Zeit, als er zunächst im Rollstuhl saß, ehe er lange Zeit nur gestützt laufen konnte. „Mittlerweile jogge ich alle drei, vier Tage zehn Kilometer“, sagt er nicht ohne Stolz.

Und der Sindelfinger ist froh, dass er wieder den Weg zurück zum Fußball gefunden hat. Zwar auf einer anderen Ebene als zu seiner Blütezeit, „aber einer ehrlicheren“, wie er betont. „Mir gefällt die Arbeit mit Kindern. Das ist zwar etwas völlig Neues für mich, aber ich genieße es, den Jungs etwas beibringen zu dürfen. Und wer weiß, vielleicht schafft es ja einer aus dieser Mannschaft mal in den Profibereich.“ Dass sein Traum vom Profifußball so jäh endete, bezeichnet der gläubige Katholik als Schicksal. „Es ist, wie es ist. Aufgeben war für mich nie eine Option.“ Sein Kampfgeist ist noch da, seine Augen leuchten wieder. Und sein Lachen ist zurück. EDIP ZVIZDIÇ

Boris Vukcevic wenige Tagevor seinem Unfall im Spielder TSG 1899 Hoffenheimgegen Hannover 96GB-Foto (Archiv): Eibner

Boris Vukcevic wenige Tage vor seinem Unfall im Spiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen Hannover 96 GB-Foto (Archiv): Eibner

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Erstellt:
25. September 2019

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