„Das hat mir voll den Druck genommen“

Von Andreas Gauss

Nach einer Krankheitspause hat sich Franziska Brauße (RSV Öschelbronn) eindrucksvoll zurückgemeldet. Bei der EM der U23 im italienischen Fiorenzuola d’Arda räumte die 21-jährige Olympia-Hoffnung des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) mit vier Medaillen regelrecht ab.

„Das hat mir voll den Druck genommen“

Franziska Brauße: Trotz Trainingsrückstand bei der U-23-EM in Italien vier Mal auf dem Podest GB-Foto (Archiv): Mill

Rund eine Woche vor der Europameisterschaft war noch gar nicht sicher, ob Franziska Brauße für Deutschland überhaupt an den Start gehen kann. Doch ein Bahn-Lehrgang, den sie in Forst (Niederlausitz) mit der Nationalmannschaft absolvierte, verlief positiv. „Nach einer Weisheitszahn-Operation war es eben nicht sicher, ob ich die Trainingswochen ohne Antibiotikum überstehe“, meinte die Eningerin rückblickend. Wenn es nur die Zahnoperation gewesen wäre: Mitte August beim Elite-Straßenrennen Giro Dell’Emilia rund um Bologna war Brauße mit ihrem Team Ceratizit-WNT gestartet. Zwei Kilometer vor dem Ziel, einer Bergankunft, wollte sie eine Kollegin in gute Position bringen: „Ich schaute mich in einer Kurve nach ihr um und sah, dass sie nicht mehr hinter mir war. Als ich wieder nach vorne blickte, fuhr eine Fahrerin vor mir einen Schlenker und ich habe mich an ihrem Hinterrad aufgehängt.“ Brauße zog sich beim Sturz eine Gehirnerschütterung zu und bekam eine Woche lang Sportverbot. Als sie wieder anfing, intensiver zu trainieren, stellten sich Kopfschmerzen ein. Der Genesungsprozess zog sich über zweieinhalb Wochen hin, ehe die Eningerin Mitte September wieder voll ins Training einsteigen konnte. Dann kam die Weisheitszahn-OP dazwischen. Verspannungen in der Nackenmuskulatur taten ihr Übriges.

Von daher fuhr Franziska Brauße ohne große Erwartungen nach Fiorenzuola d’Arda. Zumal die Bedingungen auf der offenen Betonbahn, die zudem mit 394 Meter ungewohnt lang ist, alles andere als gewohnt waren. Brauße: „Da war es schon ganz schön kalt und wir konnten auch nicht unser normales Material von den Holzbahnen verwenden.“ Als erster Wettbewerb ließ sich die Mannschaftsverfolgung am Donnerstag nicht schlecht an. Brauße verrichtete in dem jungen Team einen Großteil der Arbeit, zumal der Vierer in dieser Besetzung bislang nur im Training zusammen gefahren war. Lea Lin Teutenberg (Köln), Lena Reißner (Gera), Finja Smeikal (Pulheim) und Brauße holten Silber. Anderntags lief die Einerververfolgung für Brauße genauso gut, sie qualifizierte sich für das Finale gegen die Italienerin Vittoria Guazzini. Selbst ein Rückstand von 1200 Meter brachte sie nicht aus der Ruhe, am Ende hatte sie mit 8,239 Sekunden Vorsprung die Nase vorn und ihren Titel vom Vorjahr in Gent verteidigt. Brauße lacht: „Das hat mir voll den Druck genommen.“ Entspannt ging sie am Samstag ins Punktefahren und machte mit Bronze den Medaillensatz komplett. Nach einem Ruhetag am Sonntag trat sie noch zusammen mit Lea Lin Teutenberg in dem auf Montag vorgezogenen Madison an und holte sich mit Silber weiteres Edelmetall. Sie hatte im Vorfeld im Einer und mit der Mannschaft auf vordere Ränge spekuliert: „Dass es dann aber so gut laufen würde, hätte ich nicht gedacht.“

Die Corona-Pandemie begleitete die Athleten auch während des Wettkampfes in Italien. Gerade als die deutsche Equipe, die zuvor getestet worden war, angereist war, wurde die Maskenpflicht verordnet. Die galt für die Zuschauer und auch für die Athleten, sobald sie sich außerhalb der Bahn aufhielten. Am letzten Wettkampftag, am Dienstag, wurde ein italienisches Teammitglied positiv getestet, so dass der Gastgeber gar nicht mehr zu den Wettbewerben antrat. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte Franziska Brauße sich vornehmlich im familiären Umfeld aufgehalten: „Wir hatten kaum Kontakt nach außerhalb. Also wir sind nicht drei Mal die Woche shoppen oder essen gegangen.“

Nach den starken Auftritten bei der EM sieht sie der Elite-Bahn-EM Mitte November im bulgarischen Plovdiv zuversichtlich entgegen. Mit dem Ceratizit-WNT-Team bestreitet Brauße zuvor am Mittwoch in der kommenden Woche in Belgien mit den „Drei Tagen von De Panne“ noch mal ein Straßenrennen. Quasi einen „Heimauftritt“ hat sie am Sonntag, 25. Oktober, in Fellbach eingeplant. Dort startet die RSV-Fahrerin bei den baden-württembergischen Bergmeisterschaften. Das Rundstreckenrennen wird um 9.30 Uhr gestartet, die Elite-Frauen drehen insgesamt 13 Runden mit einer Gesamtlänge von 37,7 Kilometer.