Der Bruder vermittelt ein Gefühl von Heimat

Von Thomas Holzapfel

Dass die Tischtennisabteilung des TSV Kuppingen zuweilen über den Tellerrand hinausschaut und eine recht erfolgreiche Strategie mit der Verpflichtung von ausländischen Topspielern verfolgt, ist für die Tischtennisfans in der Umgebung keine Neuigkeit.

Der Bruder vermittelt ein Gefühl von Heimat

In einem ungewohnten Umfeld positiv eingeschlagen: Matija (links) und Luka Jovicic haben mit dem TSV Kuppingen einiges vor GB-Fotos: Vecsey

In den letzten Jahren waren es vor allem die Serben, die die Kuppinger Teams auf überregionaler Ebene immer weiter nach oben brachten (wir berichteten). Mit den beiden Brüdern Matija und Luka Jovicic hat der TSV abermals einen Coup gelandet, der sich letztlich zu einer Win-win-Situation für alle Parteien herauskristallisierte. Matija Jovicic (18) und sein Bruder Luka (22) weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Beide sind besonders sport-affin. Egal, ob Basketball, Fußball, Tennis oder Beachvolleyball – kaum eine Sportart ist vor den beiden sicher. Sei es als Zuschauer vor dem Fernsehgerät oder aktiv bei eigenen Unternehmungen.

„Ich bin ein großer Fan von Novak Djokovic und im Fußball unterstützen wir Partizan Belgrad“, sagt Matija Jovicic. Und dann ist da noch der Tischtennissport. Mit sechs Jahren startete Matija Jovicic seine ersten Versuche mit dem kleinen Ball aus Zelluloid, etwa zur gleichen Zeit entwickelte sich auch bei Luka das Faible für die schnellste Ballsportart der Welt. Im Jugendbereich reihte sich schnell ein Erfolg an den nächsten. Matija Jovicic: „Unser erster Verein hieß Mladost Zemun, ganz in der Nähe von Belgrad. Sozusagen in der Nachbarschaft hat auch Aleksandar Karakasevic gewohnt, der ebenfalls zuerst in diesem Verein spielte.“ Mit neun Jahren wechselte Matija dann in die Akademie von Goran Kocic, der beim TSV Kuppingen bereits im Einsatz war. Im Anschluss spielte Matija Jovicic bei weiteren Vereinen in der serbischen Superliga.

Irgendwann reifte in dem ehrgeizigen Matija Jovicic die Lust auf Veränderung. So reihte sich ein Mosaiksteinchen an das andere. Über Nemanja Ignjatov, der bereits seit vier Jahren ein Kuppinger Punktegarant ist, wurden vor zwei Jahren erste Bande mit Deutschland geknüpft. „Ich war für ein paar Wochen auf Lehrgang in Grünwettersbach und es gefiel mir auf Anhieb sehr gut. Da ich meine Juniorenzeit beendet hatte, schien ein guter Zeitpunkt gekommen, um mich etwas umzuorientieren“, schildert Matija Jovicic die damalige Situation. Essenziell war es auch, dass der junge Serbe auf eine hiesige Schule gehen konnte, was mit Unterstützung der badischen Trainer auch realisiert werden konnte. Der 18-Jährige besucht derzeit die zwölfte Klasse des Karlsruher Otto-Hahn-Gymnasiums.

Parallel zu den intensiven Trainingseinheiten im Karlsruher Institute of Table Tennis (KITT) unter Leitung von Rade Markovic kam auch der Kontakt mit Kuppingen zustande, so dass ein Engagement beim Gäuclub recht schnell umgesetzt wurde. „Für mich war es schon wichtig, dass ich ein paar Landsleute in meiner Nähe habe und die Atmosphäre stimmt. Ich bin sehr dankbar für die Hilfe, die ich zu Beginn aus Kuppingen erhalten habe“, sagt der Regionalliga-Spieler, der sich aktuell am mittleren und zuweilen auch am vorderen Paarkreuz mit starken Spielern in der vierthöchsten deutschen Liga messen darf. Dass das Umfeld dementsprechend leistungsfördernd ist, stellte Matija Jovicic beim Heimspiel gegen den TTC Bietigheim-Bissingen eindrucksvoll unter Beweis. „Das war wirklich grandios“, schwärmt TSV-Manager Werner Schäffer von den Auftritten seines Schützlings, „Matija gewann seine beiden Einzel gegen die Bietigheimer Topleute und auch dank seiner spielerischen Klasse konnte das entscheidende Schlussdoppel trotz 6:10-Rückstands im fünften Satz noch gewonnen werden.“ Schäffer weiß aber auch, dass man nach derartigen Höhenflügen schnell mal wieder auf dem Boden der Tatsachen gelangen kann. „Sicher ist Matija noch nicht am Ende seiner sportlichen Entwicklung angekommen. Wir werden ihn unterstützen, dass es noch weiter aufwärts geht und ihn bei eventuellen Rückschlägen auffangen.“

„Eine große Chance für mich,mein Leben zu verbessern“

Was die Zukunft bringen wird, lässt Matija Jovicic offen. „Erst einmal hoffe ich aktuell auf eine erfolgreiche Saison, aber ich habe zum jetzigen Zeitpunkt nichts dagegen, noch ein paar Jahre in Kuppingen zu spielen“, sagt der Wahl-Karlsruher. Dies könnte auch deshalb gut funktionieren, weil Matija mit seinem Bruder Luka nun eine familiäre Verbindung innerhalb des Kuppinger Vereins hat. „Das letzte Jahr war etwas schwierig, da ich zum ersten Mal weit weg von zu Hause war. Ich vermisse meine Familie, meine Freundin und den serbischen Alltag ziemlich. Aber ich weiß auch, dass hier eine große Chance für mich besteht, meine Tischtenniskarriere und mein Leben zu verbessern“, zeigt sich Matija Jovicic sehr zielstrebig. Und ergänzt: „Und natürlich bin ich jetzt sehr glücklich, dass Luka auch in Kuppingen spielt.“

Werner Schäffer und der TSV hatten hinsichtlich des weiteren Neuzugangs aus Serbien erst einmal keine Aktien im Spiel. „Als mich Matija ansprach, ob wir uns vorstellen könnten, dass sein Bruder zu uns wechselt, waren wir zum einen überrascht, zum anderen auch erfreut über die sich auftuende Möglichkeit“, erinnert sich Schäffer. Zumal ein starker Spieler wie er hervorragend in das Gefüge der aufgestiegenen zweiten Mannschaft passte. Und der 22-Jährige trumpfte beim Verbandsklasse-Aufsteiger gleich groß auf, vier Einzel stehen am Spitzenpaarkreuz nur zwei Niederlagen gegenüber. „In einem ungewohnten Umfeld gleich so positiv einzuschlagen, zeugt von einem starken Charakter“, lobt Werner Schäffer.

Derzeit studiert Luka Jovicic an der Universität in Belgrad, im kommenden Jahr will er seine Bachelorarbeit zum Abschluss bringen. „Ich wollte einfach mal etwas anderes probieren, auch um zu sehen, wie es sich in einem anderen Land Tischtennis spielt“, erläutert Luka Jovicic seine Wechselgründe. Mit den beiden Jovicic-Brüdern hat der TSV Kuppingen nicht nur zwei spielstarke Akteure in seinen Reihen.

TSV-Chef Werner Schäffer erkannte frühzeitig weitere positive Eigenschaften. „Was die beiden sportlich leisten können, haben sie ja eindrucksvoll an den letzten Wochenenden unter Beweis gestellt. Vielleicht noch wichtiger ist, so glaube ich, ihr Verhalten und ihr Wesen. Sie sind bodenständig, immer sportlich fair, kümmern sich um Ihre Mitspieler während einer Partie und sind sich für nichts zu schade. Sie äußern klar ihre Gedanken und halten sich hundertprozentig an gemeinsame Absprachen. Persönliche Eigenschaften, die gerade bei jungen Menschen nicht mehr alltäglich sind.“