Der Traum des TGV Reusten ist in Erfüllung gegangen

Von Andreas Gauss

Nicht nur, weil es den 29. Februar in der Regel alle vier Jahre in einem Schaltjahr gibt, ist der übernächste Samstag ein besonderes Datum. In der neu gebauten Sporthalle bei der Gemeinschaftsschule in Entringen stehen ab 14 Uhr die ersten Handballspiele in Ammerbuch überhaupt an.

Der Traum des TGV Reusten ist in Erfüllung gegangen

Am Samstag, 29. Februar, präsentieren in der Entringer Sporthalle auch das erste und zweite Männerteam der SG Nebringen/Reusten ihr Können GB-Foto: gb

Mit „Handball in Entringen“ ist der in den gelb-blauen Vereinsfarben der SG Nebringen/Reusten gehaltene Flyer überschrieben. Regine Hörrmann, Handballchefin beim TGV Reusten, lacht: „Ja, wir haben uns auch überlegt, ob wir da Ammerbuch schreiben, aber die Halle steht ja in Entringen. Zudem sprechen wir bei der Gäufeldener Sporthalle schon immer von der Halle in Nebringen…“ Dennoch dürften gerade die Reustener Handballfunktionäre am übernächsten Samstag stolz wie Bolle durch die große und helle Sportarena „Ob dem Bahnhof“ in Entringen laufen.

Denn für den TGV Reusten ist mit dieser Sporthalle ein fast 50 Jahre lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. „Es war damals ein Eingemeindungsversprechen bei der Neugründung der Gesamtgemeinde Ammerbuch“, ruft Martin Gesk, der langjährige TGV-Vorsitzende, in Erinnerung. Der seit Dezember 1971 bestehende Gemeindeverband am nördlichen Rand des Landkreises Tübingen hatte damals den Bau einer großen Sporthalle auf der Gemarkung eines Teilortes geplant. Dass die zweitkleinste Gemeinde von Ammerbuch dafür nicht infrage kam, war den TGV-Handballspielern bewusst, die topografische Tallage des Ortes gab eine zentral zu bauende Sporthalle kaum her.

Halle in Nebringen wird fürReusten zur zweiten Heimat

Um ganz Ammerbuch herum wurden die „Eingemeindungsversprechen“ in den 70er und 80er Jahren wahr gemacht, nur im Ammertal verzögerte sich das Ganze. Die TGV-Handballer mieteten sich ab 1978 in der Sporthalle Gäufelden ein, dort fanden im Wechsel mit dem Platzhirsch TV Nebringen Woche für Woche Handballspieltage statt. Der Verein konnte so überleben, in dem Anfang dieses Jahres rund 950 Einwohner zählenden Reusten ist statistisch gesehen, bei über 420 TGV-Mitgliedern fast jeder zweite im Sportverein aktiv. Ein überragender Wert, allerdings tummeln sich etliche Handballinteressierte aus Altingen, Poltringen, Pfäffingen oder Entringen eben auch in dem Reustener Verein. Rückblickend war der Sporthallen-Bau früh mit der Schullösung in Ammerbuch verknüpft. In den 90er Jahren war es der Bau einer Hauptschule in Pfäffingen, der durch einen Bürgerentscheid gekippt wurde. 2003 konnte das Projekt eines Schulbaus in Entringen aufgrund von fehlenden Zuschüssen nicht finanziert werden und 2013, als Altingen als Schulstandort samt neuer Halle über einen Bürgerentscheid auserkoren wurde, waren die Kosten zu hoch. Dann 2015, die jetzige Bürgermeisterin Christel Halm war gerade erst im Amt, die nächste Volte – jetzt doch eine Schule in Entringen. Der rund 28 Millionen teure Schulkomplex wurde schließlich im November 2018 eingeweiht. Christel Halm in ihrer Festrede erleichtert: „Wir haben es geschafft.“

Hinter den Kulissen hat der kleine Sportverein vom Reustener Kirchberg freilich auch viel geschafft, denn nicht immer war unter der Ägide des Hugo-Dieter-Nachfolgers im Bürgermeisteramt, Friedrich von Ow-Wachendorf, von der „großen Hallenlösung“ die Rede. Martin Gesk & Co. mussten einen langen Atem beweisen, immer wieder appellierte man an der jährlichen Jahreshauptversammlung, dass es eine handballgerechte Halle werden müsste. Aber da war mal von einer kleineren Mehrzweckhalle die Rede. Zudem wollte die Kommune im Jahr 2012 erst mal eine Hallenbedarfsanalyse bei den Vereinen vornehmen. Eine Zweifeldhalle mit Handballspiel-Maßen wurde es jetzt aber doch. Aber noch 2017 musste Gesk in den diversen Sitzungen mit den Hallenplanern den Finger heben, ein anthrazitfarbener, sprich schwarzer Boden mit hellen Linien, war da favorisiert. Diese nicht sportspiel-taugliche Variante wurde schließlich verworfen. Auch der TGV Entringen und der TSV Altingen als die mitgliederstärksten Sportvereine in Ammerbuch haben sich zusammen mit den Reustenern, so betont Gesk, stets für die große Lösung eingebracht. Wohlgemerkt, eine Sporthalle üblichen Ausmaßes, wie sie quasi in jeder Gäugemeinde steht, hatte das nunmehr über 11 500 Einwohner zählende Ammerbuch bislang noch nie.

„Mir ist sie eigentlich immer noch zu klein“, meint Martin Gesk im „Gäubote“-Gespräch. Aber der Tonfall deutet an, dass es Jammern auf hohem Niveau ist. Auch, dass die ursprüngliche Planung der SG Nebringen/Reusten im Frühjahr letzten Jahres, schon rund zehn, zwölf Handballspieltage in der laufenden Runde 2019/20 abzuhalten, nicht verwirklicht werden konnte, sieht der Reustener Funktionär gelassen: „Die Halle steht ja da, jetzt müssen wir sie nur mit Leben füllen.“

In der Spielgemeinschaft, das betont der SG-Leiter Daniel Heckel, herrscht breiter Konsens, dass in beiden Hallen, also in Entringen und Nebringen, der Pflichtspielbetrieb zukünftig abgehalten wird. Dass es nur zu einem Aktivenspieltag nunmehr am 29. Februar und zu einem Jugendspieltag am 29. März gereicht hat, hing auch mit der technischen Abnahme zusammen, so Heckel, „da spielt auch die Logistik bezüglich des Bewirtungsbetriebs mit rein“. In Nebringen habe man ein eigenes Getränke- und Materiallager, das ist in Entringen bislang noch nicht der Fall. Aber schon jetzt, betont der Nebringer Handballfunktionär, sei die Halle in Entringen für ihn eine „positive Geschichte“, denn der Trainingsbetrieb konnte erweitert werden.

Bahnanbindung direkt an dieHalle ist ein großes Plus

Für Regine Hörrmann ist es wesentlich, dass der Handball nun in Ammerbuch weitaus präsenter sein wird. Angedacht ist es, den bisher in Poltringen ausgeführten Handball-Aktionstag in der Grundschule nun auch zusätzlich in Entringen zu veranstalten. Die Bahnanbindung direkt an der Halle sei ein weiteres Plus. Zwar sei man in Reusten mit 20 Kindern im Mini- und F-Jugend-Bereich gut aufgestellt, aber in der Vergangenheit stellte sich immer wieder heraus, dass nur eine Mannschaft pro Jahrgang aus Nebringen und Reusten spätestens im C-Jugend-Bereich personell nicht mehr ausreichen würde. Martin Gesk erhofft sich auch Impulse für das gesamte Sportangebot, denn bisher seien die Reustener eher nicht in dem benachbarten Entringer Teilort – mit rund 3800 Einwohnern der größte in Ammerbuch – vertreten gewesen. Kooperation auch mit der Schule ist der Reustener sehr aufgeschlossen. Sicherlich werden auch die ersten Jugendfußballturniere in der Halle nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Doch zunächst einmal ist der Handball an der Reihe – eine zweite Eröffnung wird es sozusagen am 29. Februar geben. Direkt vor dem Frauenspiel um 18 Uhr gegen den TSV Betzingen soll es die eine oder andere Ansprache von Vereinsseite und Vertretern der Gemeinde geben. Die Flyer-Werbung ist angelaufen. Frauentrainerin Melanie Schittenhelm: „Wir freuen uns auf das Event. Die Nervosität wird bei den Mädels angesichts einer vollbesetzten Halle natürlich groß sein.“

Beruhigt sieht inzwischen auch Männer-Trainer Marc Büchsenstein dem Heimspiel gegen den derzeitigen Tabellenzweiten HSG Böblingen/Sindelfingen II um 20 Uhr entgegen. Mit einer kleinen Siegesserie Anfang Januar und zuletzt einem deutlichen Heimsieg über das Schlusslicht HSG Schönbuch II ist der Klassenerhalt in der Bezirksliga so gut wie gesichert. „Ich denke, die Mannschaft hat keine Probleme, sich in Entringen zurechtzufinden.“ Denn quasi die gesamte Vorbereitung wurde am neuen Standort absolviert, jeden Donnerstag, wenn die Handballer spätabends ab circa 21 Uhr die gesamte Hallenlänge nutzen können, werde immer ein Abschlussspiel gegen die zweite Mannschaft absolviert. Büchsenstein gefällt die Halle: „Lediglich die Sitztribüne ist etwas klein geraten.“

Die dritte Mannschaft wird schonals ein „Kultteam“ gehandelt

Gut möglich, dass die Sitzgelegenheit am 29. Februar bereits zum Auftaktspiel der dritten Männermannschaft der SG Nebringen/Reusten nicht mehr ausreichend sein wird. Denn für viele SG-Verantwortliche überraschend hat sich die erstmals wieder gemeldete Dritte zum Sammelbecken ehemaliger Landes- und Bezirksligaspieler entwickelt. Obwohl in der B-Liga der Freizeitaspekt besonders ausgeprägt ist, haben sich Johannes Eberle, Alexander Patz, Dominic Brucker, Robin Sommer, Matthias Gauss, Martin Egeler und zuletzt auch Tim Gauß unter der Regie von Klaus Ormos zuverlässig zu Spieleinsätzen zusammengefunden. Sie feiern einen Sieg nach dem anderen. Daniel Heckel, der hin und wieder als Betreuer auf der Bank Platz nimmt: „Wir wollen aber nur den Meisterwimpel, von Aufstieg kann keine Rede sein.“ Um 14 Uhr erwartet das neue „Kultteam“ der SG Nebringen/Reusten III den Zweiten TSV Betzingen II zum „Spitzenspiel“ der B-Liga. Heckel rechnet mit einem ausverkauften Haus. „Schließlich spielt da ja schon das ’Who’s who’ des Nebringer und Reustener Männerhandballs“, meint er und lächelt verschmitzt.