Der Weg für Betriebsratswahlen ist jetzt frei

Im vergangenen Jahr hatte das Arbeitsgericht in Stuttgart in erster Instanz entschieden, dass im Zentrallager von Farbtex in Gültstein eine Betriebsratswahl stattfinden darf. Nachdem die Geschäftsführung aber Einspruch eingelegt hatte, blieben die Fronten verhärtet (wir berichteten mehrfach). Am gestrigen Donnerstag ist es in der Landeshauptstadt nun zum letzten und entscheidenden Gerichtstermin vor dem Landesarbeitsgericht gekommen.

Von Berkan Cakir

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Die beiden Wahlvorstände Yavuz Aydin (links) und Ercan Dilek vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart, das gestern im Streit um Betriebsratswahlen bei Farbtex entschieden hat GB-Foto: Cakir

Die beiden Wahlvorstände Yavuz Aydin (links) und Ercan Dilek vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart, das gestern im Streit um Betriebsratswahlen bei Farbtex entschieden hat GB-Foto: Cakir

Darf die Belegschaft der Farbtex GmbH im Gültsteiner Zentrallager eine Betriebsratswahl durchführen – oder nicht? Seit vergangenem Jahr streiten sich der von den Arbeitnehmern in einer Betriebsversammlung eingesetzte Wahlvorstand um Yavuz Aydin und Ercan Dilek und die Geschäftsführung der Firma darüber vor dem Landesarbeitsgericht in Stuttgart. Nun, am Donnerstagvormittag, ist das Urteil gefällt worden.

Richterin Dr. Wiebke Robrecht gab im Anschluss an die rund eineinhalb Stunden dauernde Sitzung dem Begehren der Arbeitnehmer recht – der Standort der Firma in Gültstein darf damit künftig einen Betriebsrat stellen. „Der Wahlvorstand kann jetzt mit Hilfe der Gewerkschaft die Wahlen durchführen“, sagte Alexandra Horschitz, die Rechtsanwältin der Arbeitnehmer.

Bereits in erster Instanz hatte das Stuttgarter Arbeitsgericht zugunsten der Farbtex-Arbeitnehmer entschieden. Doch der Anwalt des Arbeitgebers, Tobias Grambow, legte Einspruch dagegen ein. Seine Begründung lautete, dass es bereits eine Arbeitnehmervertretung am Standort in Singen am Bodensee gebe. Da es in einem Betrieb keine konkurrierenden Betriebsräte geben dürfe, sei dieser eben auch für den Standort in Herrenberg zuständig.

Um diese Frage drehte sich auch die nun letzte Gerichtssitzung am gestrigen Donnerstagvormittag. Tatsächlich sei der Betriebsrat von Farbtex – das aus dem Firmensitz in Dornstetten, 33 Verkaufscentern und dem Zentrallager in Gültstein besteht – aber nur für fünf Standorte am Bodensee zuständig gewesen, sagte Horschitz. „Die Mitarbeiter in Gültstein wussten nicht einmal, dass es diesen Betriebsrat gibt. Sie haben ihn auch nicht gewählt und er hat sich auch 20 Jahre lang nicht um den Standort bei Herrenberg gekümmert“, sagte die Rechtsanwältin.

Erst als am 23. September 2019 dem Arbeitgeber mitgeteilt wurde, dass am 1. Oktober auf der Betriebsversammlung ein Wahlvorstand in Gültstein ernannt werden soll, sei plötzlich Bewegung in die Sache gekommen. Der Bitte der Geschäftsleitung, die Versammlung auf den 4. Oktober zu verschieben, sei man schließlich entgegengekommen. Just in diesem Zeitraum sei dann aber der Betriebsrat in Singen zurückgetreten und habe am 1. Oktober einen eigenen Wahlvorstand eingesetzt. „Sie haben dann nach all den Jahren reklamiert, dass sie auch für Herrenberg zuständig sind“, sagte Horschitz und bezeichnete diesen Vorgang als „willkürlich“.

Außerdem stellte sich in der Verhandlung die Frage, ob der Betriebsrat in Singen nicht räumlich zu weit von den anderen Standorten entfernt sei, als dass er alle Mitarbeiter angemessen vertreten könne. Allein von Gültstein bis zur Geschäftszentrale in Dornstetten seien es 40 bis 50 Kilometer, so Richterin Robrecht: „Mit der Bahn sind das eine Stunde und 20 Minuten, hin und zurück fast drei Stunden.“

Hinzu komme, so die Rechtsanwältin der Arbeitnehmer, dass die Vertretung in Singen bislang vor allem Verkäufer vertreten habe, also eher arbeitgeberfreundlich orientiert gewesen sei. Wohingegen die Lageristen, Stapler- und Tourenfahrer in Gültstein mit der Gewerkschaft zusammenarbeiten würden. „Die Geschäftsführung wollte natürlich das verhindern.“

Das wird nun nicht mehr möglich sein. Einen weiteren Einspruch gegen eine Betriebsratswahl in Gültstein kann die Firma Farbtex nicht mehr einlegen. Das Urteil ist rechtskräftig und der Wahlvorstand kann seine Arbeit fortsetzen. Dazu braucht er nur noch die Datenliste der Belegschaft, um das Wählerverzeichnis anzulegen. Diese Liste hätten, so Horschitz, ihre Mandanten aber bis zuletzt nicht bekommen, obwohl das Gericht im November vergangenen Jahres verfügt hatte, dass die Geschäftsführung sie herausgeben muss. „Vermutlich haben sie gehofft, dass die Verhandlung noch zu ihren Gunsten ausgeht.“

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Erstellt:
10. Januar 2020

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