Die Trainingseinheit mit Jacques Goumai begeistert alle

Von Andreas Gauss

Es wurde das geplante Fußballfest anlässlich des Ortsjubiläums 1250 Jahre Gültstein: Knapp über 600 Zuschauer boten im weitläufigen Rund des Ammerstadions den würdigen Rahmen für den Auftritt der Weisweiler-Elf. Die Traditionsmannschaft von Borussia Mönchengladbach ließ sich nicht lumpen, bot schnellen Angriffsfußball und gewann mit 7:0 (2:0).

Die Trainingseinheit mit Jacques Goumai begeistert alle

Endstadion Marco Eipper: Der Gültsteiner AH-Keeper pariert gegen den durchgebrochenen Gladbacher Chiquinho, Johannes Schuld (Mitte) muss in dieser Szene nicht mehr eingreifenGB-Foto: Eibner

Unvergesslich – Es war die Szene an diesem drückend schwülen Nachmittag in Gültstein. Als die letzten Autogramme schon geschrieben und die letzten Selfies mit den Stars der Weisweiler-Elf gemacht waren – über eine halbe Stunde nach Abpfiff des Benefizspiels gegen den TV Gültstein AH&Friends – stand Jacques Goumai immer noch unter Strom. Der 47-jährige, frühere Nationalspieler von Togo (20 Länderspiele) hatte einen Narren an den pfiffigen E-II-Spielern des TV Gültstein gefressen. Finn Gauß, Christian Dessecker, Karl Zerweck forderten den früheren Lizenzspieler (FSV Mainz 05 und FC St. Pauli) zuerst zum Sprinten heraus, dann wollten sie mit ihm trainieren. Goumai schnappte sich einen Ball und übte mit dem Trio das Hinterlaufen, das rechtzeitige Starten in die Ballannahme. 15, 20, 25 Minuten – die Übungseinheit wollte kein Ende nehmen. Und die wenigen Zuschauer, die noch nicht gegangen waren, kamen aus dem Staunen kaum noch heraus. Hans Gries, die Gültsteiner Trainerlegende meinte nur trocken: „Dieses Training werden die Jungs nie wieder vergessen.“

„Field Goal“ – Da war selbst der erfahrene Gladbacher Stürmerstar Hans-Jörg Criens, der es sich gegen Spielende der Partie auf der Ersatzbank gemütlich gemacht hatte, fassungslos. „Wie viel Geschenke wollt ihr denn noch“, fragte er zur Gültsteiner Bank herüber. Jörg Kässmann, Keeper der Weisweiler-Elf, hatte gerade wieder einen Kuller-Abschluss der Gültsteiner Formation locker aufgenommen. Beim Stande von 7:0 ließen es die Traditionskicker von Mönchengladbach ruhiger angehen, wollten die Gastgeber tatsächlich für ihre couragierte Spielweise belohnen. Freilich, bis dahin standen einem tollen Lattenknaller von Imre Toth (47.) schon vier Treffer von Chiquinho (16./53./73./77.), zwei von Thorben Marx (27./60.) und ein Tor von Goumai (62.) entgegen. Dann die 78. Minute des insgesamt 80 Minuten langen Freundschaftsspiels unter der Leitung von Knut Kircher (Hailfingen): Die Gladbacher Verteidiger griffen gar nicht mehr an, der Ball wird Michael Lohner förmlich aufgelegt – und der wuchtet das Leder aus knapp sechs Metern freistehend hoch über das Gladbacher Tor. „Lohne, im American Football wäre das ein wunderbares ‚Field Goal‘ gewesen“, meinte hernach sein Spielerkollege Tobias Lindner scherzhaft. Es war übrigens nicht die einzige „Hundertprozentige“, die der ehemalige Hildrizhausener Landesligakicker, er stammt aus Altdorf, vergab. So blieb am Ende für den TVG die Null stehen. Eingedenk des 0:5 im legendären DFB-Pokalspiel im September 1974 müssen die Gültsteiner nun noch ein Weilchen warten, bis es mit dem ersten Tor gegen Mönchengladbach klappen wird…

Eigene Firma – Das größere Erfolgserlebnis als irgendein Festspieltor war für die Gültsteiner Spieler und die ehemaligen TVG-Kicker der 70er Jahre wie Karl-Heinz Schnell, Helmut Michel, Herbert Michel, Walter Geltenbort, Hans Gries, Günther Schrön, Wolfgang Schmidt, Edwin Eipper oder Rolf Bästlein allerdings der persönliche Kontakt, der Small Talk mit den ehemaligen Bundesligakickern aus Mönchengladbach. „Bei den Spielen, bei denen Entfernungen von über 350 Kilometer anfallen, übernachten wir lieber“, begründet Organisator Peter Wynhoff die „Volksnähe“ der Gladbacher Spieler. Er gewann 1995 mit Borussia den DFB-Pokal und ist längst am Niederrhein heimisch geworden: „Eigentlich komme ich aus Berlin.“ Vor sieben Jahren ist er zusammen mit Jörg Jung in das Management der Weisweiler-Elf eingestiegen. Die Traditionsmannschaft hat der langjährige Physiotherapeut Charly Stock, der inzwischen verstorben ist, gegründet. Jung: „Wir haben eigentlich mit dem Verein selbst nicht mehr viel zu tun und haben hierfür eine eigene Firma gegründet.“ Von Mai bis Oktober bestreitet die Weisweiler-Elf, die immer in wechselnden Besetzungen antritt, rund 30 Festspiele. Wynhoff, Jung und Karlheinz Pflipsen, die sich zu dritt die Organisation teilen, sprechen laufend noch Profis kurz nach ihrem Karriereende an. Wynhoff: „Der Eugen Polanski, der zuletzt in Hoffenheim gespielt hat, kommt jetzt zu uns.“ Und Jung ergänzt: „Eigentlich hätten wir auch Martin Max gerne gehabt – aber da war Schalke04 schneller…“

Katzensprung – Roland Körner (Jahrgang 1972) und Michael Kaiser (1965) sitzen seitlich auf der Bierbank, Blick geradeaus aufs Spielfeld. Die beiden betreiben mit zehn Gleichgesinnten den „Gladbach-Fanclub Feldberg“. Sie kommen direkt aus dem südlichen Schwarzwaldort und sind seit Kindesbeinen an glühende Fans der Borussia. Sie schauen sich am Samstag erstmals die Weisweiler-Elf an und sind begeistert: „Wie die Jungs auf dem Platz stehen, ist schon klasse.“ Über ihre Fanclub-Adresse sind sie von Gültstein angeschrieben worden und haben sich spontan zu einer Fahrt ins Gäu entschlossen. Denn während es zu den Heimspielen der Borussia von Feldberg schon mal stattliche 550 Kilometer Anreise sein können, ist der Besuch in Gültstein für beide eher ein Katzensprung. Roland Körner: „Wir haben mit dem Auto nur eine Stunde 15 Minuten gebraucht.“

„Die Gefährten“ – Jochen Weinhardt, ehemaliger Kicker des SV Affstätt und Inhaber des Ratzfatz-Reisecafés, merkt man die Schüchternheit regelrecht an. Er hat die Gültsteiner und die Kicker der Weisweiler-Elf zum abendlichen Ausklang nach Herrenberg eingeladen. Zuvor gab es für die Kontrahenten des Benefizspiels und ehemalige TVG-Kicker ein reichhaltiges Büfett im Gasthaus „Zum Kronawirt“ in Gültstein. Nun aber leuchten die Augen von „Johner“ Weinhardt: Bachirou Salou, Thorben Marx, Peter Wynhoff oder Martin Schneider. Er weiß fast nicht, wen er zuerst begrüßen soll. Schon mit fünf, sechs Jahren ist er mit Vater Bernhard ins VfB-Stadion gepilgert und hat seine Gladbacher angefeuert: „Dann, später in den 80er Jahren, hat meistens der VfB hoch gewonnen.“ 2005 hat er zusammen mit Kumpel Mark „Eckes“ Egeler den Gladbach-Fanclub „Die Gefährten“ gegründet. Vor zwei Jahren dann der Sechser im Lotto: Über einen Bekannten kam er an zwei Dauerkarten. Zehn Heimspiele hat er sich in der letzten Saison gegönnt. Dann springt Weinhardt auf – „Baschi“ Salou steht zu einem Selfie bereit. Fantreue wird belohnt.

Überraschung – Rainer Willfeld aus Tübingen hat von 1986 bis 2019 viele afrikanische Teams trainiert, von Togo über Burkina Faso bis Burundi. Über einen Whats-App-Kontakt mit Jacques Goumai hat er von dem Spiel in Gültstein erfahren und ist mit Sohn Felix auf der Rückreise von einem privaten Termin in Nürnberg kurz ins Ammertal abgebogen. „Sag‘ Bachirou aber nix“, hatte Willfeld Goumai noch eingeschärft. Und so war kurz nach dem Abpfiff die Überraschung perfekt. Salou staunte Bauklötze, als er seinen alten Trainer und Mentor aufs Spielfeld schlendern sah. Nach 30 Jahren war die Wiedersehensfreude entsprechend groß.