Die Vesperkirche wird mobil

Wenn das Leben im Land zum Stillstand kommt, ist es umso wichtiger, die Gedanken beweglich zu halten und der Krise mit kreativen Ideen zu trotzen. Auch das Projekt Vesperkirche hat für Corona-Zeiten eine gute Lösung gefunden: An den folgenden drei Samstagen gibt es für Bedürftige Essen frei Haus geliefert.

Von Jutta Krause

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Eine warme Mahlzeit: Nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit – hier setzt aber die Idee der Vesperkirche anGB-Foto: Schmidt

Eine warme Mahlzeit: Nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit – hier setzt aber die Idee der Vesperkirche anGB-Foto: Schmidt

Über viel Zuspruch und Spenden durfte sich die „Gäubote“-Weihnachtsaktion „Auf dem Weg zur Vesperkirche“ letzten Winter freuen. Die nächste Station auf diesem Weg wäre ein Probelauf gewesen, der am 20. März in der Spitalkirche hätte stattfinden sollen. Wie viele andere Veranstaltungen derzeit musste aber auch diese Aktion, bei der rund 120 Essen ausgegeben werden sollten, leider ausfallen – eine Folge der Corona-Pandemie. Das Projekt wurde inzwischen auf den 2. Oktober vertagt. Doch wollen die Organisatoren – nach Rücksprache mit dem Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ – nun mit einer gezielten Aktion den Menschen helfen, die wenig haben und in der aktuellen allgemeinen Krise leicht in Vergessenheit geraten. Etwa Hartz-IV-Empfänger und Obdachlose. Eben jene bereits für den Probelauf eingeplante Anzahl an Essen wird nun an sie ausgegeben – allerdings genießen die Bekochten die Mahlzeit nicht in der Kirche, sondern in den eigenen vier Wänden. Das von Caterer Wolfgang Gerullis zubereitete Essen wird von ehrenamtlichen Helfern direkt vor die Haustür gebracht. Selbstverständlich unter strikter Einhaltung der derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen wie Hygiene- und Abstandsregeln.

Zwar weicht die „mobile Vesperkirche“ ein wenig vom ursprünglichen Spendenzweck der „Gäubote“-Weihnachtsaktion ab, die Mitglieder des Arbeitskreises gaben ihre Zustimmung dennoch gern, da die Intention hinter dem mobilen Essensservice dieselbe ist.

Ein kleines Zeichen
der Unterstützung

„Wir wollen damit ein kleines Zeichen der Unterstützung setzen. Natürlich ist es ein Tropfen auf den heißen Stein – aber immerhin …“ kommentiert der Rohrauer Pfarrer Thilo Dömland, der als Diakoniepfarrer in das Projekt Vesperkirche eingebunden ist, die Aktion. „Wir hoffen, es wird gut angenommen.“ Um die Menschen, für welche die von der evangelischen, katholischen und evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde getragene Aktion gedacht ist, möglichst unbürokratisch zu erreichen, wurde der Tafelladen in die „mobile Vesperkirche“ mit eingebunden. „Dort schlagen die Leute auf, denen wir mit dem mobilen Essen ein wenig helfen und Freude bereiten wollen“, erklärt Dömland. Im Tafelladen seien die Kontakte bereits vorhanden, alles andere wäre in der Kürze der Zeit schwer zu organisieren gewesen.

Noch bis Donnerstag können Menschen mit Berechtigungsschein zum Einkauf im Tafelladen dort auch Gutscheine für die Mahlzeiten erwerben. Auf Plakaten und über Mundpropaganda wird auf die Aktion aufmerksam gemacht. Die Tafelladen-Mitarbeiter achten darauf, dass es bei der Verteilung der Gutscheine gerecht zugeht.

Zentrale Anlaufstelle für die telefonische Anmeldung zum Essen ist Diakon Johannes Söhner, der auch die Idee für den mobilen Einsatz hatte. „Das ist ein Versuch, die Vesperkirche weiterzuentwickeln und trotzdem zu machen“, erklärt er. „Gerade jetzt ist das wichtig, weil die Corona-Krise Menschen, die bedürftig sind, besonders hart trifft. Denen wollen wir damit ein schönes Essen bieten.“ Beeindruckt zeigte sich Söhner von der raschen und unbürokratischen Zustimmung des Arbeitskreises „Miteinander – Füreinander“ und seiner Mitglieder. „Alle waren sofort dabei! Ich fand es toll, wie schnell und unkompliziert das entschieden wurde. Allen war klar, dass man jetzt schnell reagieren muss. Ich fand es auch schön, wie schnell sich Helfer für diese Aktion gefunden haben.“ Ähnlich erfreut äußerte sich auch Dekan Eberhard Feucht zu der spontanen Entscheidung: „In wirklich kürzester Zeit eine solche Entscheidung zu treffen und auch auf den Weg zu bringen: Das ist großartig und verdient Anerkennung und Respekt und ist ein ganz starkes Zeichen in Zeiten großer Verunsicherung und Ängste“, betonte er.

Am Ostersamstag geht es los. Um zwölf Uhr holen die Ehrenamtlichen die fertig zubereiteten und verpackten Essen bei der Metzgerei Gerullis ab. Mit vier vom E-Carsharing-Unternehmen „deer GmbH“ kostenlos zur Verfügung gestellten Elektro-Fahrzeugen geht es dann auf Liefertour. Zwischen 12 und 13 Uhr soll jeder Empfänger sein Vesperkirchen-Essen in einem Thermobehältnis vor die Türe gestellt bekommen. Diesmal gibt es Reis mit Putenbrust.

Wie die Aktion angenommen wird und ob sie auch über die drei Wochen hinaus fortbestehen wird, werden die nächsten Tage zeigen. Möglicherweise wird daraus gar ein neues Spendenprojekt entstehen. „Das ist alles noch offen, wir werden sehen“, erklärt Johannes Söhner dazu.

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Erstellt:
8. April 2020

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