„Diese Verlängerung ist ein Glücksfall“

Von Edip Zvizdiç

Das Bangen der Verantwortlichen und Fans hat ein Ende: Lea Neubrander wird auch in der nächsten Saison das Trikot der SG H2Ku Herrenberg tragen. Entgegen der allgemeinen Erwartungen hat sich die ehemalige Juniorinnen-Europameisterin dazu entschlossen, noch ein weiteres Jahr in der Markweghalle aufzulaufen.

„Diese Verlängerung ist ein Glücksfall“

Lea Neubrander wird noch ein weiteres Jahr in Herrenberg ihre Tore bejubeln: „Ich habe hier alles, was ich brauche“ GB-Foto (Archiv): Drofitsch/Eibner

„Das Gesamtpaket passt hier einfach am besten, deshalb gibt es keinen Grund für mich, hier die Zelte abzubrechen“, sagte die 20-Jährige am Rande ihrer Vertragsverlängerung. Dass es Angebote aus der Ersten Bundesliga gab, verhehlt Lea Neubrander dabei nicht. Die Verlockungen der hiesigen Erstligisten sind für sie nichts Neues, im Gegenteil. „Jedes Jahr trudeln die ein“, hat sich Lea Neubrander bereits daran gewöhnt. Auch wenn es dieses Jahr nicht mehr ganz so viele Angebote waren. „Ich denke, dass die Vereine mittlerweile auch wissen, dass ich in Herrenberg gar nicht weg will. Ich habe mir die Angebote angehört, aber keines hat mich überzeugen können, meine Zelte hier abzubrechen. Das Gesamtpaket, das ich hier vorfinde, passt einfach am besten.“

Umso glücklicher ist man beim Zweitligisten, dass es gelungen ist, das Aushängeschild der Mannschaft zu halten. „Die Verlängerung von Lea ist für den Herrenberger Handball ein Glücksfall“, weiß der Sportliche Leiter Hagen Gunzenhauser um die Vorzüge, die sein Rückraum-Ass im Schatten der Stiftskirche vorfindet. „Lea hat ambitionierte sportliche Ziele, arbeitet weiter hart daran und hat in Herrenberg ein Paket gefunden, in dem sie ihre privaten, beruflichen und sportlichen Ambitionen am besten vereinen kann. Darauf, und auf den Verbleib einer tollen Spielerin, dürfen wir stolz sein.“

In der Tat hat sich Lea Neubrander in Herrenberg ein Refugium geschaffen. Die Eltern Dagmar und Ulrich leben in der Nähe, Schwester Sarah und die Freunde in und um Herrenberg. Darüber hinaus absolviert die 20-Jährige gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Herrenberger Wohngruppe der Hildrizhausener Jugendhilfe-Einrichtung Waldhaus. „Ich habe hier alles, was ich brauche und weiß nun auch, was ich beruflich machen will.“ Wenn alles nach Plan läuft, will sie ab kommendem Oktober an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg „Lehramt Grundschule“ studieren. Acht Trainingseinheiten, wie sie bei den Erstligisten an der Tagesordnung sind, wären damit gar nicht vereinbar. „Ganz ehrlich, ich will auch Spaß abseits der Sporthalle haben“, dreht sich auch für Lea Neubrander nicht alles um Handball.

Das wiederum will sie aber nicht als generelles Nein bezüglich eines zukünftigen Erstliga-Engagements verstanden wissen. „Die Erste Bundesliga wird mich immer reizen – aber nicht jetzt.“ Dabei zieht sie den Vergleich zu vielen ehemaligen Weggefährtinnen in den Jugend-Nationalmannschaften. „Wenn ich sehe, was die alles investieren müssen, dann schreckt mich das auch ein wenig ab. Zumindest derzeit. Viele der jüngeren Talente haben dann nach einer gewissen Zeit gar keine Lust mehr auf Handball. Dazu will ich es nicht kommen lassen.“ Deshalb macht Lea Neubrander, die im zarten Alter von 15 Jahren bereits ihr Zweitliga-Debüt im Dress der SG H2Ku feierte, einen logischen Schritt nach dem anderen.

Große Erleichterung verspürt auch Mike Leibssle dieser Tage. Zum einen hat sich seine Mannschaft dank der Siege gegen SV Union Halle-Neustadt und zuletzt bei der SG09 Kirchhof der gröbsten Abstiegssorgen entledigt. Andererseits nimmt auch das Gesicht der Mannschaft für die kommende Saison immer konkretere Formen an. „Dass Lea dabei die zentrale Rolle einnimmt, sollte nicht überraschend sein“, freut sich der Herrenberger Coach über die Zusage seines Dreh- und Angelpunkts. „Lea gehört in ihrem Jahrgang zu den variabelsten und besten Spielerinnen Deutschlands und hat vor allem in der Abwehr nochmals einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Sie wird nach und nach noch mehr Verantwortung auf und neben dem Platz übernehmen und so ihre kontinuierlich positive Entwicklung weiterführen.“

So große Stücke Mike Leibssle auch auf seine Schlüsselspielerin hält, immun gegen schwächere Phasen sei Lea Neubrander trotzdem nicht. Das wurde in dieser Saison deutlich, als die 1,69 Meter große Spielmacherin über mehrere Wochen nach ihrer Form suchte. Ausgerechnet gegen den bis dato Spitzenreiter aus Halle-Neustadt fand sie sie zurück. Und das auch noch auf der ungewohnten Position auf Linksaußen. Mit zwölf Toren avancierte Lea Neubrander schließlich noch zur Matchwinnerin. An diese Partie erinnert sie sich gerne zurück: „Dieses Spiel hat den Knoten gelöst. Die gesamte Mannschaft war gut, das Publikum hat uns nach vorne gepeitscht, so dass wir den Gegner am Ende regelrecht überrollt haben.“

Dass sich die SG überhaupt so lange in unteren Gefilden der Zweiten Bundesliga aufgehalten hat – und es im Grunde auch immer noch tut –, ist für Lea Neubrander nur schwer nachvollziehbar. „Eigentlich haben wir ein Team beisammen, das oben mitspielen müsste“, wundert sie sich. Der Abschied einiger langjähriger Stützen wie Monika Lide oder Lisa Gebhardt sei dann aber doch nicht so leicht aufzufangen gewesen. Das Führungsvakuum, das durch die Abgänge vieler altgedienter Kräfte entstanden ist, galt es wieder aufzufüllen. „Wir wachsen da gerade rein“, hat Lea Neubrander festgestellt. Auch die neuen Spielerinnen galt es einzubauen. „Ich denke, wir hatten es uns einfacher vorgestellt, sechs Neuzugänge zu integrieren. Das dauert dann doch etwas länger. Aber das klappt immer besser, was man auch an den Ergebnissen sehen kann. Jetzt wollen wir so schnell wie möglich einen Haken unter das Thema Klassenerhalt machen.“