Ein Tropfen auf den heißen Stein

Zum Christentum gehört seit jeher das Engagement für Hilfsbedürftige. Und so haben sich auch in Gültstein und Umgebung Christen zusammengefunden, um den Menschen in den Flüchtlingslagern in Irakisch-Kurdistan zu helfen. In den vergangenen vier Jahren haben sie bereits 19 Lastzüge mit Sach- und Geldspenden losgeschickt, um denen zu helfen, die im Krieg ihr Zuhause verloren haben.

Von Uschi Buck

Lesedauer: ca. 2min 45sec
Mit Hilfsgütern unterstützt Werner Reutter die Menschen, die in Camps wie diesem leben

Mit Hilfsgütern unterstützt Werner Reutter die Menschen, die in Camps wie diesem leben

Ins Leben gerufen hat die Aktion Werner Reutter, der zusammen mit Jabbar Karim die Hilfsgüter direkt vor Ort an die richtige Stelle verteilt. Karim spricht mehrere Sprachen fließend, hat sich auf einen Zeitungsartikel hin als Unterstützer für die Hilfsaktion Reutters gemeldet und ist dessen Sprachrohr geworden.

Die Zustände in den Lagern sind kaum vorstellbar. Auf engstem Raum, unter widrigen sanitären Umständen, herrscht unseliges Leid. Viele Helfer und Freunde hat Werner Reutter mit seiner Aktion in Deutschland und auch im Ausland gefunden. Familie Schmidt aus Gültstein hilft seit Anfang an mit, die Sachspenden in ihrem großen Gewächshaus zu sammeln. Nahezu täglich sind sie im Einsatz für die Hilfsaktion. Auch zwei minderjährige Flüchtlinge beherbergt die Familie auf ihrem Hof, zwei Brüder, die unter ihrem Schutz stehen, bis sie volljährig sind. Die Waschmaschine läuft bei den Schmidts täglich – schon aufgrund der Kleidung, Decken und Kissen, die leider oft nicht sauber abgegeben werden. Viele Menschen spenden die unterschiedlichsten Utensilien, die in einem Lager gebraucht werden können. Ein Arzt, der in den Ruhestand ging und keinen Nachfolger fand, hat sogar seine Praxis ausgeräumt und an die Hilfsorganisation abgegeben.

Insgesamt rund 40 Menschen helfen regelmäßig rund um den Transport der Lastzüge. Anfangs ist Reutter noch abwechselnd mit einem türkischen Lastwagenfahrer selbst gefahren, und sein Sohn fuhr mit dem Wohnmobil hinterher. Mittlerweile reist er mit dem Flugzeug, schläft aber immer noch direkt im Zelt bei den Flüchtlingen.

Die Reisen sind nicht ganz ungefährlich, auch gesundheitlich nicht ohne Risiken, doch der beherzte Ruheständler, der einst bei der Berufsfeuerwehr in Stuttgart seinen Dienst geleistet hat, ist unerschrocken: „Ich bin Christ, da müssen wir machen, was wir können, um anderen zu helfen. Was wir mit den Hilfstransporten leisten, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch unsere Hilfe kommt wirklich an bei den Menschen vor Ort, die sich darüber auch freuen, während Staats- und Regierungsgelder laut Aussagen der dortigen größten Hilfsaktion ’Barsany-Foundation’ nicht ankommen, sondern irgendwo auf dem Weg versickern.“

Schon vor vielen Jahren hat Werner Reutter angefangen, Spendenmaterial an Hilfsbedürftige zu verschicken. „Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen allein drei Bauern tagelang damit beschäftigt waren, bei den Supermärkten Bananenkartons zu sammeln, in die wir die Sachspenden sortiert haben. Meine Schwiegermutter in Gültstein hat ihre Scheuer zur Verfügung gestellt, um die Spenden zu sammeln – andere christliche Landwirte haben es ihr gleichgetan“, berichtet er.

Auch die evangelische Kirchengemeinde Gültstein unterstützt das Projekt Reutters. Die Buchführung und die Spendenbescheinigungen laufen über die aktuelle Kirchenpflegerin Bettina Gärtner und ihre Vorgängerin Gisela Kopp, denn Reutters Hilfsorganisation ist kein eingetragener Verein und agiert daher unter dem Dach der evangelischen Kirchengemeinde.

Reutter stammt aus einer vom Pietismus geprägten Familie. Seine Schwester leitete ein Krankenhaus in Tansania, das er ebenfalls unterstützt. Mit weiteren drei Gült-
steinern – Traugott Binder, Bruno Hegenberg und Gehsa Hogh – hat er dort in den 1980er Jahren eine Solaranlage von Deutschland aus mit Containern nach Afrika verschickt und ist per Flugzeug hinterher gereist, um sie auf die Dächer zweier Krankenhäuser zu bauen. Die Anlagen funktionieren heute noch bestens, berichtet der praktisch veranlagte Ruheständler stolz. Schmunzelnd erzählt er nebenbei von einer Gruppe von Afrikanern, bekleidet mit gespendeten schwarzen Feuerwehrhosen, die er einst in Tansania antraf.

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stein1250

Werner Reutter (links) und seine Helfer

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Ein Tropfen auf den heißen Stein
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Hilfsgüter werden von Werner Reutter in den Irak gebracht

Hilfsgüter werden von Werner Reutter in den Irak gebracht

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Erstellt:
24. April 2019

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