Eine Exkursion ins Territorium des Jazz und Pop

„Meine Kindheit habe ich in einer Stadt an der türkischen Küste verbracht“, erzählt Meric Selzer. „Ich habe es geliebt, dort zu singen, wenn die Sonne im Meer versank und der Mond aufging.“ Nun lebt diese Sängerin in Herrenberg, nun singt sie im Mauerwerk. Heute Abend streamt die Location ein Konzert, das Meric Selzer gemeinsam mit den beiden Lokalmatadoren Martin und Lucas Johnson gab.

Von Thomas Morawitzky

Lesedauer: ca. 3min 09sec
Meric Selzer hat ihren eigenen Stil längst gefunden GB-Foto: Wolfgang Schmidt

Meric Selzer hat ihren eigenen Stil längst gefunden GB-Foto: Wolfgang Schmidt

In der vergangenen Woche schon nahm Meric Selzer gemeinsam mit Martin und Lucas Johnson dieses Konzert im Mauerwerk auf – eine Exkursion, die die beiden erfahrenen Musiker an Piano und Schlagzeug gemeinsam mit der ungemein talentierten Newcomerin unternahmen, hinein ins Territorium des Jazz und Pop mit all seinen Facetten. Für das Mauerwerk ist das eine Premiere: Zum ersten Mal streamt es in der Corona-Krise ein Konzert. Bislang bestand das Streaming-Programm des Herrenberger Veranstaltungsortes aus Comedy – der „Reimpatrouille“ und dem „Tauschrausch“ (der „Gäubote“ berichtete). Heiterkeit mit bewährten Künstlern.

Nun gesellen sich Jazz, Pop, Soul dazu, mit einer Künstlerin vor allem, die bislang nur in Herrenberg bekannt war. Und auch dort vielleicht nicht jedem. Meric Selzer lebt seit wenigen Jahren erst in der Stadt, wuchs auf in Izmir an der türkischen Ägäis, kam aus beruflichen Gründen nach Deutschland, traf in Herrenberg auf ihre große Liebe und gründete eine Familie. Und sie singt schon seit ihrer Kindheit – so erzählt sie es.

Dass Meric Selzer nun auch das erste Streaming-Konzert im Mauerwerk singt, verdankt sie der Reihe „Martin Johnson trifft…“, die dort seit Jahren erfolgreich stattfindet. Ihr Konzept: Martin Johnson, Keyboarder, Komponist und Produzent aus Herrenberg, lädt Künstler ein ins Mauerwerk, denen er auf seinen Konzertreisen begegnete oder mit denen er bei schon anderer Gelegenheit zusammenarbeitete. Oft handelt es sich dabei um Musiker, die längst bundesweit bekannt sind. Dieses Mal ist es anders: Meric Selzer steht am Anfang ihrer Karriere. Martin Johnson traf sie zuerst in Herrenberg.

Meric Selzer studierte Industriedesign, war für kurze Zeit in den USA tätig, wollte Europa auf Dauer jedoch nicht verlassen. Die Bindung an ihre Familie, an ihren Freundes- und Kulturkreis ist ihr wichtig. „Obwohl ich eine technische Hochschule besuchte, habe ich von meiner Schulzeit vor allem Erinnerungen an die Bühne“, erzählt sie. Musik war schon in ihrer Kinderzeit Teil des Familienlebens: „Meine Mutter und mein Vater sangen häufig gemeinsam. Von ihnen habe ich es gelernt.“

Sie trat auf in einem Schulmusical, erhielt dadurch sehr früh schon Unterricht auch durch professionelle Musiker. In Istanbul kam Meric Selzer in Kontakt mit der Musikszene der Türkei, arbeitete mit dem Komponisten Özdemiroglu, trat auf mit der Big Band Istanbul Gelisim und einer Akustik-Band, die Özdemiroglus Kompositionen spielte. In Deutschland konzentrierte sie sich jedoch zunächst weiter auf ihre berufliche Karriere. Die Musik allerdings gab sie deshalb längst nicht auf, fand auch hier Gelegenheit zum Gesang, unter anderem mit „Jazzi:ca“, der Band, zu der auch Martin Hering, Leiter des Herrenberger Jugendhauses, gehört, in der er den Kontrabass spielt. Im März 2019 sang Meric Selzer mit dieser Band anlässlich des Festivals Jazzin’ Herrenberg in der Cafeteria Überblick und begeisterte ihr Publikum.

Auf Martin Johnson jedoch traf Meric Selzer anlässlich eines Konzertes in der Herrenberger Innenstadt. Johnson zeigt sich sehr eingenommen von der Zielstrebigkeit der Sängerin, der Professionalität, mit der sie sich ihr Material aneignet, sich auf ihre Auftritte vorbereitet. Corona, die Krise, die Pandemie – all dies wirkte sich auch auf Meric Selzer aus, änderte die Richtung ihres Denkens, ihrer Ambition. „Ich möchte mich nun einer Arbeit widmen, die mich glücklicher macht“, sagt sie. „Ich möchte meinen Teil beitragen zu Kultur und Gesellschaft.“ Die Musik soll fortan für sie im Vordergrund stehen – und irgendwo steht auch der Traum im Raum, von einem ersten eigenen Album.

Das Konzert, das Meric Selzer gemeinsam mit Vater und Sohn Johnson aufgezeichnet hat, geht so weit noch nicht: Das rund 50-minütige Programm besteht aus Standards der Pop-Musik und des Jazz und Stücken, die die Sängerin gemeinsam mit Martin Johnson entwickelt hat – musikalischen Ideen des Keyboarders, Texten der Sängerin. Dazu kommt vieles, das die Hörer vielleicht kennen, nur nicht auf diese Weise: Zu Meric Selzers großen Vorbildern gehören Carole King, Diana Krall, Alicia Keys, Nils Landgren, auch Burt Bacharach, der Komponist aller klassischen Pop-Ohrwürmer. „Close To You“ von Bacharach, bekannt vor allem durch The Carpenters, wird dabei sein, ganz neu und frisch – denn ihren eigenen Stil hat Meric Selzer längst gefunden.

Zum Artikel

Erstellt:
28. Mai 2020

Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.