Es hätte Emilio Arellanos Jahr werden sollen

Eigentlich sollte 2020 Emilio Arellanos Jahr werden. Der Kunstradfahrer des RV Oberjesingen befindet sich in seiner letzten Junioren-Saison und hätte nun endlich die Chance gehabt, bei Wettkämpfen wie der Europameisterschaft ganz vorne zu landen. Pläne, denen das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

Von Jenny Schwartz

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Trotz der derzeitigen Einschränkungen trainiert Emilio Arellano intensiv GB-Foto: gb

Trotz der derzeitigen Einschränkungen trainiert Emilio Arellano intensiv GB-Foto: gb

„Es ist sehr schade“, bedauert Emilio Arellano. „Das ist mein letztes JuniorenJahr und ich hatte große Hoffnungen auf den DM- oder EM-Titel.“ Schon in den vergangenen Jahren hat der Kunstradfahrer des RV Oberjesingen bei bundesweiten Wettkämpfen immer vorne mitgemischt. Wenn es aber um die Vergabe der Titel ging, hatte der im Vergleich zur Konkurrenz jüngere Fahrer körperliche Nachteile. „Aber in diesem Jahr gehöre ich zu den Ältesten und hätte die Lorbeeren ernten können.“

Die Saison hatte unter anderem mit dem ersten Platz bei den baden-württembergischen Meisterschaften im März vielversprechend begonnen. Kein Wunder, dass die Enttäuschung groß war, als deutsche Meisterschaft und die Europameisterschaft der Junioren wegen des Coronavirus abgesagt wurden. „Aber natürlich muss man bedenken, dass es hier um die Gesundheit vieler Menschen geht“, meint Emilio Arellano. „Also ist die Entscheidung natürlich sinnvoll und verständlich.“

Das Training schleifen zu lassen, kommt für den 17-Jährigen trotz der für ihn unglücklichen Situation nicht infrage. In der Halle auf dem Fahrrad zu turnen, ist zwar derzeit aufgrund der Sperrung der Sportstätten nicht möglich. Doch Emilio Arellano hat sich zusammen mit seinem Vater José ein System überlegt, mit dem er trotzdem trainieren kann. So werden akrobatische Kunststücke wie Handstände jetzt nicht mehr auf dem Fahrrad, sondern auf einem Fahrradlenker geübt, der auf ein Holzbrett geschraubt wurde. „Würde ich Handstände nicht jeden Tag üben, wäre der Wiedereinstieg nämlich echt schwer“, betont Emilio Arellano.

Zusammen mit den Sportlern aus dem Bundeskader steht außerdem mehrmals in der Woche ein Training per Videokonferenz an. „Das sind Work-outs, die unser Bundestrainer für uns zusammengestellt hat“, erklärt Emilio Arellano. „Die üben wir zurzeit etwa jeden zweiten Tag und dreimal in der Woche gehe ich noch zusätzlich joggen.“

Viel Zeit für anderes bleibt bei diesem straffen Trainingsplan nicht. Doch auch die Schule muss Emilio Arellano im Blick behalten, denn hier ist gerade ebenfalls eigenständiges Arbeiten angesagt. Auch das sei, laut Arellano, eine komische Umstellung gewesen. „Man muss sich ja alles selbst beibringen, weil man keinen Lehrer vor sich hat, der einem den Stoff erklärt.“ Lernen, ein bisschen Computer spielen, Zeit mit der Familie und natürlich Trainieren, was das Zeug hält. So sieht derzeit Arellanos Alltag zu Hause aus. Das Hauptaugenmerk liegt aber natürlich auf dem Sport. „Ich bin schon gespannt, wie es wird, wenn ich wieder normal in der Halle trainieren darf“, überlegt Arellano. Da sei wahrscheinlich erst mal langsames Rantasten angesagt. „Ich kenne die Situation ja vom Urlaub oder von Verletzungen“, meint er. „Danach muss man sich auch immer erst wieder dran gewöhnen, auf dem Rad zu turnen.“

„Auf dem Rad zu turnen“ klingt für viele Menschen vermutlich wie ein Widerspruch, schließlich ist ein Handstand schon auf dem Boden eine Herausforderung. Doch Emilio Arellano hat mit dem akrobatischen Radsport bereits im zarten Alter von vier Jahren begonnen. Den Grundstein für die Leidenschaft legte sein Vater José, der früher selbst ein erfolgreicher Kunstradfahrer war und unter anderem 1999 die WM-Silbermedaille für Spanien holte. „Ohne meinen Vater wäre ich gar nicht in den Sport reingekommen“, weiß Arellano. „Die Videos von ihm als Kunstradfahrer in jungen Jahren waren für mich ein ziemlicher Ansporn.“ Obwohl es auch manchmal ein bisschen schwierig sei, Familie und Sport zu trennen. „Da gibt es schon öfter mal Diskussionen“, grinst Emilio Arellano. „Aber insgesamt hat es mehr Vor- als Nachteile, dass mein Vater auch mein Trainer ist.“

Wenn Arellano über seinen Sport spricht, spürt man, wie groß die Begeisterung für das Kunstradfahren ist. „Mir gefällt der Mix aus Akrobatik, Spannung und Fahrrad fahren“, schildert er. Wenn alles normal weiterläuft, wird er nächstes Jahr im Elite-Bereich bei den Erwachsenen mitfahren. „Allerdings wurde auch schon darüber geredet, das Junioren-Jahr eventuell zu wiederholen“, meint Emilio Arellano. Da habe es bislang allerdings noch keine Beschlüsse gegeben. Sollte es, wie geplant, im Elite-Bereich weitergehen, hat Arellano aber schon genaue Ziele. „Da muss ich mich auf jeden Fall anstrengen, wenn ich mich gegen die Erwachsenen behaupten will“, weiß er. „Der erste bis dritte Platz ist natürlich nicht möglich, aber dahinter will ich so schnell wie möglich weit nach vorne kommen.“

Noch gibt Emilio Arellano die Hoffnung auf einen weiteren Junioren-Sieg aber nicht auf. „Ich würde mich sehr freuen, wenn doch noch etwas ausgerichtet wird und bleibe optimistisch“, betont der sympathische Sportler. Vielleicht sei ja beispielsweise eine Wettkampf-Lösung ohne Zuschauer möglich. „Es wäre sehr schade, wenn die restlichen Wettkämpfe diese Saison komplett ausfallen müssten.“

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Erstellt:
28. April 2020

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