„Es kann nur ein Miteinander geben“

Fußball: Als interne Trainerlösung nehmen Steffen Renschler und Timo Paulus die Aufgabe beim FC Unterjettingen selbstbewusst an

Lesedauer: ca. 3min 30sec
Nach verletzungsbedingtem Karriereende sind Steffen Renschler (rechts) und Timo Paulus fast nahtlos in die Trainerrolle geschlüpft GB-Foto: Vecsey

Nach verletzungsbedingtem Karriereende sind Steffen Renschler (rechts) und Timo Paulus fast nahtlos in die Trainerrolle geschlüpft GB-Foto: Vecsey

Um klare Ansagen ist Steffen Renschler nicht verlegen. Kurz vor Anpfiff der zweiten Halbzeit beim Bezirkspokalspiel des FC Unterjettingen beim SV Bondorf nahm er den zur Einwechslung anstehenden Sainey Faye noch mal zur Seite: „Mach’ se nass und mach’ ein Tor!“ Nun, auch wenn der Gambier an diesem Sonntagnachmittag nicht mehr traf, sondern Urlaubsrückkehrer Christopher Wengert kurz nach seiner Einwechslung, konnten Renschler und sein Trainerkollege Timo Paulus zufrieden sein. Mit 1:0 nahm der FC Unterjettingen die erste Pflichtspielhürde, für das neue Trainerduo ein guter Einstand.

Aber was heißt schon „Einstand“? Schließlich ist für beide der Job an der Außenlinie kein Neuland. Bereits im März 2018 übernahmen sie die FCU-Zweite, nachdem der glücklose Coach Walter Maidel – in einem halben Jahr hatte es in der B-6-Liga nur zu zwei Siegen gereicht – entlassen wurde. „Wir waren gerade beide beschäftigungslos zu der Zeit“, lacht Timo Paulus ein wenig. Aufgrund von Hüftbeschwerden musste der heute 31-Jährige damals kürzertreten und Renschler plagte sich als Stürmer mit allen möglichen Kniebeschwerden herum. Er lacht: „Meine beiden Kinder haben sich schon beschwert, da ich aufgrund meiner Verletzungen nie mit ihnen draußen viel machen konnte.“

Auf Wunsch der Spieler aus der zweiten Mannschaft haben sich beide als Trainerduo versucht. In der Jugend haben sie altersmäßig nie zusammen gespielt, Renschler ist als heute 34-Jähriger stets zwei Jahrgangsstufen höher unterwegs gewesen, aber in der Ersten haben sie gemeinsame Jahre erlebt. Renschler hat zudem schon im Alter ab 18 Jahren fast immer FCU-Jugendmannschaften trainiert. Familiäres Erbe verpflichtet: Sein Vater Fritz war jahrelang Jugendleiter bei den Rot-Weißen.

Auch Timo Paulus ist ein Eigengewächs wie er im Buche steht, schon als Vierjähriger ist er zu den Bambini des FCU mit Trainer Anton Kelemen gestoßen. „Ich glaube mein erstes Wort, was ich sagen konnte, war ’Ball’“, lacht er. Nur einmal, da war er gerade aus der A-Jugend gekommen, zog es den Mittelfeldregisseur in die Fremde – zum damals in der A-Liga agierenden SV Deckenpfronn. Doch das war nur ein einjähriges Intermezzo. Sein Heimatverein war gerade in die Bezirksliga aufgestiegen, da wurde sein Talent gebraucht. Der damalige FCU-Abteilungsleiter Fred Kegreiss musste nicht viel Überzeugungsarbeit leisten. Doch bevor es im September zu den ersten Pflichtspielen kam, kickte er noch beim Fleckenturnier auf dem Oberjettinger Ausweichplatz beim ehemaligen Bundeswehrgelände mit. Paulus weiß es noch, wie heute: „Es gewitterte, es blitzte. Aber wir kickten halt weiter. Und dann bin ich auf dem schmierigen Platz ausgerutscht.“ Er fiel unglücklich auf die Schulter – Schlüsselbeinbruch, drei bis vier Monate komplettes Sportverbot. Die große Karriere als Spielmacher musste noch warten. Als er sich über Einsätze in der Zweiten zurückgekämpft hatte, stellte ihn der eine oder andere Trainer auch schon mal in die Innenverteidigung, viele Jahre verrichtete er dort einen tadellosen Part, bis eben immer wieder die Hüfte zwackte.

Stürmer Steffen Renschler hat mit dem aktiven Dasein zwangsläufig abschließen müssen. Kurz vor dem Corona-Lockdown im Oktober letzten Jahres zog er sich bei einem Spiel der Zweiten den dritten Kreuzbandriss zu. Und dafür, dass beide vor kurzem noch aktiv auf dem Feld standen, wirken sie nun an der Seitenlinie ruhig und abgeklärt. Kein wildes Gestikulieren, nur hin und wieder aufmunternde Kommandos – „Gut so, weiter geht’s.“ Doch in Bondorf, auf dem regennassen und glitschigen Kunstrasengeläuf, hat Renschler schon gesehen, dass keiner seiner Routiniers auf dem Feld sich traute, mal aus der zweiten Reihe abzuziehen. Außer bei Freistößen. „Also haben wir am Dienstag gleich mal Torabschlusstraining gemacht.“ Überhaupt ließen Renschler/Paulus in der Vorbereitung viel mit dem Ball trainieren. Renschler: „Und das war ein anstrengendes Training.“ Als Jahrgang 1987 hat er mit seinem Kapitän Phil Hafemann stets zusammen auf dem Platz gestanden. Der legendäre Jahrgang um Sascha Dogan, Marc Baur, Markus Müller und seinen Zwillingsbruder Dennis, der das letzte A-Jugendjahr sausen ließ, weil nach dem Abgang des FCU-Aktiventrainers Jorge Carmo die halbe Mannschaft den Club verließ und die „Jungen“ in die Bresche springen mussten. Was nur unterstreicht: Obwohl Renschler und Paulus mit Anfang 30 noch junge Trainer sein mögen, einiges erlebt haben sie trotzdem – und nicht zuletzt auch eigene Verletzungsrückschläge weggesteckt.

Sie werden deshalb von keiner hohen Warte aus ihren ehemaligen Mannschaftskollegen ein X für ein U vormachen wollen. Aber andersherum funktioniert das genau so. „Man muss sich immer auch an die eigene Nase fassen“, unterstreicht Steffen Renschler. Timo Paulus weiß, dass der Ehrgeiz bei jedem Einzelnen groß ist, noch mal in der Kreisliga A mit dem FCU eine besondere Rolle zu spielen. Und er meint: „Ganz klar, es kann nur ein Miteinander geben. Schlussendlich sind wir alle für den Verein da.“ Hört sich nach einem verdammt verschworenen Haufen an …ANDREAS GAUSS

Zum Artikel

Erstellt:
26. August 2021

Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.