Familiäres Umfeld ist schon mal ein Pluspunkt

Fußball: Die Frauen des VfL Herrenberg führen zur Winterpause die Tabelle der Oberliga Baden-Württemberg an. VfL-Coach Steve Henrich weiß aber um die höheren Anforderungen in der Regionalliga.

Von Edip Zvizdiç

Lesedauer: ca. 3min 57sec
Steve Henrich:„Dass es so gut läuft, hatte auchich als Trainer nicht erwartet.“ GB-Foto(Archiv): Vecsey

Steve Henrich:„Dass es so gut läuft, hatte auchich als Trainer nicht erwartet.“ GB-Foto(Archiv): Vecsey

Herr Henrich, Ihre Mannschaft kennt sich bekanntermaßen mit Aufstiegen aus. Steigt am Ende dieser Saison

erneut eine Meisterfeier bei den

Fußballerinnen des VfL Herrenberg?
Steve Henrich: „Nach vier Aufstiegen hintereinander zwischen 2016 und 2019 könnte man uns durchaus als Aufstiegsexperten bezeichnen. Ob wir aber auch am Ende der aktuellen Runde ganz oben stehen werden, wird sich erst noch zeigen. Denn es ist eine Sache, von der Bezirksliga bis in die Oberliga zu kommen, und eine ganz andere, nun auch noch den Sprung in die Regionalliga zu schaffen.“

Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Titel in der Oberliga möglich ist.
„Auch wenn wir bislang auf eine tolle Runde zurückblicken, spricht bei uns niemand offen über die Meisterschaft. Wir waren schon vor dem Saisonstart so selbstbewusst zu sagen, dass wir im oberen Drittel mitspielen wollen. Dass es dann aber so gut läuft, hatte auch ich als Trainer dieser Mannschaft nicht erwartet. Das Schöne daran ist, wir stehen vollkommen verdient da oben. Nichtsdestotrotz werden wir aber nicht von unserer bisherigen Marschroute abrücken, uns nur Etappenziele setzen und vor allem anderen stets sachlich bleiben. Denn es sind immer noch 14 Spiele zu absolvieren.“

Ihr Team ist in fast allen relevanten

Kategorien das Maß der Dinge in der Oberliga. Welche Konkurrenten

könnten ihnen denn im weiteren

Saisonverlauf noch gefährlich werden?
„Die Zahlen sprechen für uns, aber der Vorsprung an der Tabellenspitze ist nicht so groß, als dass wir uns schon zufrieden zurücklehnen könnten und alles nur noch ein Selbstläufer wird. Und das ist auch gut so, denn dadurch behalten meine Mädels die nötige Anspannung bei. Als ärgste Konkurrenten stufe ich den FV Niefern und den Hegauer FV ein, die wir zwar beide in der Hinrunde schlagen konnten, die aber auf unsere Ausrutscher lauern. Hegau hat zwar neun Punkte Rückstand auf uns, aber auch zwei Spiele weniger absolviert.“

Bleiben wir beim Thema Regionalliga: Was müsste sich im Falle eines

Aufstieges in die dritthöchste Liga

in Herrenberg ändern?
„Wir haben das Thema erst neulich diskutiert und sind ganz schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir alles ein Stück weit professionalisieren müssten. Ich zum Beispiel bin in Personalunion Trainer und Sportlicher Leiter, bräuchte dann im Falle eines Aufstieges definitiv Unterstützung in Transferfragen, Organisation von Trainingslagern und allem anderen, das wir bislang mit unserem überschaubaren Trainer- und Betreuerteam erledigen. All das wäre in der Regionalliga nicht mehr so einfach zu stemmen. Toll ist, dass wir im neuen Funktionsgebäude am Volksbankstadion unsere eigenen Kabinen und Büros, darüber hinaus auch Besprechungsräume bekommen werden. Das ist schon mal der erste Schritt in die ’professionellere’ Richtung.“

Wie sieht es denn

sportlich mit

dem Unterbau aus?

„Wir haben in allen Altersklassen in der SG Bondorf/Herrenberg/Mönchberg Mannschaften im Spielbetrieb, aber die spielen jeweils nur in den Bezirksstaffeln, also den untersten Ligen. Der Sprung von den B-Juniorinnen in den Aktivenbereich ist dementsprechend enorm groß. Talentierte Spielerinnen werden aber immer eine Chance bekommen, sich zu beweisen. Um neue Spielerinnen für unsere erste Mannschaft zu bekommen, müssen wir aber noch bis auf Weiteres andere Wege gehen.“

Wie überzeugen Sie Spielerinnen

anderer Vereine, werden diese

mit Geld gelockt?

„Bei uns gibt es nichts zu verdienen – was uns von einigen Seiten auch schon vorgehalten wurde. Wir sind nie auf Spielerinnen zugegangen, um diese mit Geld zu uns zu locken. Denn wenn man einmal damit anfängt, wo hört man dann auf? Wir haben aber ganz andere Argumente zu bieten, vor allem sportliche. Auch das familiäre Umfeld ist immer wieder ausschlaggebend, dass sich Spielerinnen uns anschließen. Wir machen im Grunde die Tür auf, durchgehen müssen dann die Spielerinnen selbst. Das beste Beispiel hierfür ist unsere Kapitänin Tiffany Schiewe, die sich bei uns so wohlfühlt, dass sie vier Mal die Woche 110 Kilometer auf sich nimmt, um Teil dieser Truppe zu sein.“

All diese Gründe sollten Ihnen ja in

der Regionalliga nicht zum Nachteil

gereichen.

„Eben. Eine Liga höher werden wir für Spielerinnen aus dem Umland noch attraktiver werden. Es werden sich sicherlich Kandidatinnen von selbst bei uns melden. Dann gilt es genau hinzuschauen, ob uns diese sportlich auch weiterbringen werden und sich ins Mannschaftsgefüge einfügen lassen. Das lassen wir auf uns zukommen.“

Gibt es denn jetzt zur Rückrunde

schon Neuzugänge in Ihrem Kader?

„Auch wenn das Team intakt und die Stimmung überragend ist, halten wir immer Augen und Ohren offen. Tatsächlich haben wir nun zwei Verstärkungen an Land gezogen. Zum einen kommt Ann-Cathrin Maurer zu uns, die bis dato in der zweiten österreichischen Liga beim FC Mohren Dornbirn das Tor gehütet hat. Sie trainiert aufgrund ihres Studiums in Tübingen bereits seit dieser Saison bei uns mit und wird sich ab sofort mit Jelissa Dias da Silva und Rebecca Lauer um den Platz zwischen den Pfosten streiten. Darüber hinaus wechselt auch Selina Bürk nach Herrenberg. Sie stößt von unserem Ligakonkurrenten TV Derendingen zu uns und hat einst bei den VfL Sindelfingen Ladies in der B-Junioren-Bundesliga gespielt. Die beiden passen sportlich und auch vom Alter her super zu uns.“

Apropos VfL Sindelfingen Ladies:

Hat Herrenberg dem einstigen

Bundesligisten den Rang abgelaufen?

„Während es bei uns in den vergangenen Jahren stetig nach oben ging, ist Sindelfingen in eine Abwärtsspirale geraten. Nun befinden wir uns in der Oberliga auf einem Niveau. Schadenfreude empfinde ich deshalb aber keine, im Gegenteil. Sindelfingen hatte in den vergangenen Spielzeiten einen enormen Aderlass zu verkraften. Ich würde mir wünschen, dass wir uns in absehbarer Zeit beide in der Regionalliga einfinden würden. Das wäre wichtig für den Frauenfußball in der Region, damit die Talente nicht immer nur nach Hoffenheim, Freiburg oder bald auch zum VfB Stuttgart abziehen würden.“

Zum Artikel

Erstellt:
5. Januar 2022

Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.