Feste Strukturen in unsicheren Zeiten genossen

Ende April hat die Herrenberger Tagesstätte „Lichtblick“ des Träger Fortis e.V. ihren Betrieb wieder langsam hochgefahren. Doch auch hier hat die Corona-Zeit Spuren hinterlassen. Da einige ehrenamtliche Mitarbeiter ihr Amt aus Risiko-Gründen aufgeben mussten, sucht die Tagesstätte nach neuen Hilfskräften.

Von Jennifer Schwarz

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Die Herrenberger Tagesstätte „Lichtblick“ von Leiterin Andrea von Jan (rechts) hat wieder geöffnetGB-Foto: Holom

Die Herrenberger Tagesstätte „Lichtblick“ von Leiterin Andrea von Jan (rechts) hat wieder geöffnetGB-Foto: Holom

Wirft man einen Blick auf das aktuelle Angebot der Tagesstätte „Lichtblick“, dann sieht in der Begegnungs- und Beratungsstelle für erwachsene, psychisch erkrankte Menschen eigentlich fast alles aus, wie vor dem Corona-Lockdown. Das Café hat nachmittags geöffnet, Selbsthilfegruppen dürfen wieder stattfinden, freies Malen und Sportangebote stehen ebenfalls im Wochenplan. Und doch sind da einige Aspekte, die sich verändert haben.

„Vor Corona konnte man zu den Angeboten kommen und gehen, wann man wollte“, erklärt Tagesstätte-Leiterin Andrea von Jan. „Diese Flexibilität hat uns ein Stück weit ausgemacht und wurde von vielen sehr geschätzt.“ Als die Tagesstätte ihren Betrieb am 27. April nach sechs Wochen Corona-Zwangspause wieder öffnen durfte, waren nur fünf, später zehn Personen in den Räumlichkeiten erlaubt. Inzwischen liegt die Personenbeschränkung bei 20. „Vor allem in den ersten Wochen war daher die Frage, wer die fünf Plätze in Anspruch nehmen darf“, schildert von Jan. Pläne wurden ausgearbeitet, die Angebote den kleineren Gruppen angepasst.

Doch die neu entwickelten Regeln hatten nicht nur Nachteile, im Gegenteil. „Unsere Gäste haben diese festen Strukturen in solchen Zeiten der Unsicherheit sehr genossen“, hat die Diplom-Sozialpädagogin beobachtet. Auch die Gruppen hätten durch ihre Exklusivität eine neue Bedeutung bekommen. „Da es nur so wenige Angebote gab, wollten die Besucher diese Chancen auch nutzen.“

Mittlerweile haben sich die Gruppengrößen zwar erweitert, um eine Anmeldung vorab bittet Andrea von Jan aber nach wie vor. Bei Angeboten im Freien können zwar durchaus spontane Besucher dazustoßen, in der Tagesstätte selbst ist jedoch weiter nur eine gewisse Personenzahl erlaubt. „Wir wollen und müssen die Abstands- und Hygieneregelungen ernst nehmen“, sagt Oliver Schuh, Teamleiter des Gemeindepsychiatrischen Hilfezentrums Herrenberg, an das die Tagesstätte „Lichtblick“ angebunden ist.

Ehrenamtliche aus Risikogruppen haben wegen Corona aufgehört

Deshalb sieht es in den Räumen selbst momentan auch noch immer recht ungewohnt aus. Während zum Beispiel früher 20 Besucher im Café Platz gefunden haben, lassen die Abstandsregelungen derzeit nur maximal acht Leute zu. Statt als lange Tafel werden die Tische nun im Raum verteilt aufgestellt. Auch die Maskenpflicht wird in der Tagesstätte sehr ernst genommen, doch das ist für die Besuchenden inzwischen kein Problem mehr. „Die Atmosphäre hier ist richtig gut“, lobt Oliver Schuh. „Unsere Gäste sind sehr rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst.“ Obwohl Besucher und Tagesstätte „Lichtblick“ die Krise bislang also gut bewältigen konnten, kämpft die Institution momentan mit einem großen Problem. Die Anzahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter ist nämlich stark gesunken. Während früher zehn Ehrenamtliche den Nachmittagsbetrieb betreuten, sind es seit Corona nur noch sechs. „Wir hatten einige Leute aus Risiko-Gruppen, die jetzt deshalb aufhören mussten“, bedauert Andrea von Jan. Da das Personal gerade jetzt durch die Verordnungen intensiver arbeiten muss als sonst, steht die Tagesstätte personell gesehen vor großen Schwierigkeiten. „Wir suchen dringend neue Leute“, betont Schuh.

Wer sich für ein Ehrenamt im Bereich der Tagesstätte „Lichtblick“ interessiert, brauche auch keinerlei Vorerfahrung oder Ausbildung. „Ganz wichtig ist nur ein Bezug zu Menschen, Einfühlungsvermögen, Offenheit und Toleranz“, zählt von Jan auf. Der zeitliche Aufwand als ehrenamtlicher Mitarbeiter liege bei etwa zwei bis drei Stunden in der Woche, die sich vor allem auf den Nachmittagsbetrieb verteilen.

„Wir würden die Mitarbeiter vor allem im Café einsetzen, sind aber auch immer für eigene Angebotsideen offen“, erklärt Oliver Schuh. Mit den Besuchern sprechen, Kontakte knüpfen, spielen oder zuhören – die Aufgaben als ehrenamtlicher Mitarbeiter sind in der Tagesstätte „Lichtblick“ sehr vielfältig. „Die Arbeit bei uns ist spannend und macht Spaß“, findet Leiterin Andrea von Jan. „Wir hören oft von den Mitarbeitern, dass sie hier viel gelernt haben.“ Sollte das Team keine neuen Ehrenamtlichen finden, müssen die Öffnungszeiten die Tagesstätte eventuell reduziert werden. An so etwas möchte Andrea von Jan momentan aber noch gar nicht denken. Am Donnerstag, 30. Juli, findet deshalb um 18 Uhr in der Tagesstätte eine zwanglose Info-Veranstaltung zum Thema Ehrenamt statt, zu der das „Lichtblick“-Team einlädt. „Die Veranstaltung ist ganz unverbindlich, einfach zum Schnuppern“, hebt Andrea von Jan hervor. „Aber ein Einstieg ist auch sonst jederzeit möglich – man kann sich einfach bei uns melden.“

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Erstellt:
28. Juli 2020

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