„Ich versuche, die Situation zu akzeptieren“

Von Thomas Oberdorfer

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Jan Modjesch (Spvgg. Holzgerlingen) hat noch eine lange Rehabilitationszeit vor sich GB-Foto: tob

Jan Modjesch (Spvgg. Holzgerlingen) hat noch eine lange Rehabilitationszeit vor sich GB-Foto: tob

Die Schreie sind markerschütternd. Den Zuschauern steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, Jan Modjesch krümmt sich vor Schmerzen am Boden, schreit. Herrenbergs Spieler Matteo Saturno hat den Kicker der Spvgg. Holzgelingen im Dezember beim „Gäubote“-Cup in der Herrenberger Längenholzhalle auf Höhe der Mittellinie abgegrätscht, ihm bei dieser Aktion das rechte Schienbein und das rechte Wadenbein gebrochen.

„Ich bin nach dem Foul noch ein oder zwei Schritte gelaufen und dann einfach weggekippt. Ich hatte mit meiner Hand das Fußgelenk ertastet, es stand komisch ab“, so erinnert sich der 19-jährige Jan Modjesch an diese Szene. Später erzählten ihm Zuschauer, sie hätten den Knall bis auf die Tribüne gehört. Inzwischen wurde Modjesch zweimal im Herrenberger Krankenhaus operiert. Das erste Mal am 28. Dezember nur kurze Zeit nach dem Foulspiel. Mit einem Fixateur wurden die Knochen stabilisiert. In einer zweiten Operation am Montag darauf wurde dieses Gestell entfernt und das Wadenbein mit einer Platte und Schrauben fixiert, in das Schienbein wurde ein langer Nagel eingesetzt. „Die Nacht von Samstag auf Sonntag war die Schlimmste. Ich hatte starke Schmerzen, die Schmerzmittel haben nichts gebracht. Ich war die ganze Nacht wach“, erzählt Jan Modjesch.

In den Tagen danach waren die Schmerzen weiterhin präsent, wenn auch nicht mehr ganz so ausgeprägt. Am 3. Januar wurde der 19-Jährige aus der Klinik entlassen, seither kann er nur an Krücken gehen. Seit etwa eineinhalb Wochen ist Modjesch schmerzfrei. Im Krankenhaus erhielt der Mittelfeldspieler viel Besuch. Sein Trainer Martin Oßwald war da, Spieler des Holzgerlinger Teams, die Familie und Freunde. „Ich habe viel Zuspruch bekommen, das war mir wichtig und hat geholfen“, sagt Modjesch, der in Hildrizhausen bei seinen Eltern lebt. Im Sindelfinger Glaspalast verfolgte er die Hallengala, dort kamen viele Spieler auch anderer Teams auf ihn zu, sprachen ihm Mut zu. Am letzten Tag vor seiner Entlassung kam Matteo Saturno in sein Zimmer. „Er hat sich bei mir entschuldigt. Das ist die Hauptsache und es ist gut so. Ich habe das Gefühl, dass es ihm leidgetan hat. Ich glaube ihm, dass er so eine Verletzung sicher nicht wollte“, sagt Jan Modjesch.

Der Alltag gestaltet sich für den 19-Jährigen deutlich komplizierter im Vergleich zu der Zeit vor dem 28. Dezember. Er darf sein verletztes Bein derzeit mit maximal 30 Kilogramm belasten, der Kicker wiegt aktuell 77 Kilogramm. Er geht beständig zur Physiotherapie, er führt Kräftigungsübungen durch. Er wolle nichts überstürzen, aber auch nicht faul werden. Das Bein wird in regelmäßigen Abständen geröntgt um zu kontrollieren, ob die Knochen wie geplant zusammenwachsen. „An gewissen Stellen im Sprunggelenk habe ich noch kein Gefühl. Die Ärzte haben das so erklärt, dass durch die Verletzung und durch die Platten die Nerven in diesem Bereich verrückt spielen“, sagt Modjesch, der auf viel Hilfe angewiesen ist. Er kann nicht Auto fahren, benötigt Chauffeurdienste der Familie, der Freundin oder von Freunden. „Ich bin komplett eingeschränkt. Darüber macht man sich keine Gedanken, wenn das nicht der Fall ist. Jetzt wäre ich sehr froh, wenn ich einfach nur aufstehen und loslaufen könnte. Aber das geht eben noch nicht.“

Für den 19-Jährigen ist es die erste Verletzung überhaupt, die er in seiner Karriere erlitten hat. Beim TSV Hildrizhausen hat er angefangen, Fußball zu spielen. Ab der C-Jugend bis zur A-Jugend war er bei der SV Böblingen aktiv. Im vergangenen Sommer wechselte er zum Landesligisten Holzgerlingen. Die Frage, ob er angesichts der schweren Verletzung weiterhin spielen oder aufhören wird, stellt sich für Modjesch nicht: „Ich werde auf jeden Fall wieder spielen. Vielleicht kann ich im Mai mit leichten Einheiten anfangen.“

Letztlich werde alles Kopfsache sein, wenn er wieder zurück sei auf dem Feld. Jan Modjesch: „Wahrscheinlich werde ich bei jedem Zweikampf erst einmal zurückziehen.“ Wann dieser Zeitpunkt kommt, ist derzeit nicht abzuschätzen. Jan Modjesch hält dennoch sehr engen Kontakt zu seinem Team. Er war beim Auftakttraining im Stadion, „obwohl es ziemlich kalt war“. Am vergangenen Dienstag verfolgte das Spvgg.-Talent das Testspiel zwischen der Spvgg. Holzgerlingen und dem SV Deckenpfronn. „Meine Mitspieler fordern mich richtig auf, dass ich mich weiterhin zeige und nicht verkrieche. Es ist aber schon hart zuzuschauen, wenn die Jungs kicken und ich nur an der Bande stehen kann.“

Die Verletzung wirkt sich auch auf die Ausbildung des 19-Jährigen aus. Er lernt bei der Kreissparkasse Bankkaufmann. Den Unterricht in der Schule und Seminare kann er besuchen. „Es ist wichtig, dass ich die einzelnen Blöcke nicht verpasse, die theoretischen Einheiten bauen aufeinander auf“, erklärt Jan Modjesch, in den Betrieb könne er hingegen derzeit nicht. Und das wird zunächst so bleiben, denn zumindest weitere vier Wochen muss er noch Krücken nutzen.

Trotz der beiden Operationen, des langwierigen Heilungsprozesses und der Widrigkeiten im Alltag und im Beruf blickt der 19-Jährige nach vorne. „Ich versuche, die Situation zu akzeptieren. Ich bin belastbar, das ist eine Stärke von mir. Natürlich hätte das alles nicht sein müssen, wir reden hier von einem Hallenturnier“, sagt Modjesch. THOMAS OBERDORFER

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Erstellt:
5. Februar 2020

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