Im Passamt wird der eigene Ausweis gebastelt

Vom Einwohnermeldeamt Geld bekommen? Eine spontane Zeitreise ins Jericho zu Jesus’ Zeiten unternehmen? Für die Erwachsenen ein Wunschtraum, in der Unterjettinger Kinderstadt ist das aber tatsächlich möglich. Kein Wunder, dass der Andrang auf das erlebnisreiche Kinderbibelwoche-Programm dementsprechend groß ist.

Von Jenny Schwarttz

Lesedauer: ca. 3min 23sec
Rund 60 Kinder machten in der Ministadt mit GB-Foto: Schmidt

Rund 60 Kinder machten in der Ministadt mit GB-Foto: Schmidt

Das Einwohnermeldeamt der Kinderstadt im Unterjettinger Gemeindehaus kann sich vor Besuchern kaum retten. Rund 60 Kinder fanden sich am Wochenende zusammen, um die Angebote der Ministadt zu erkunden und zeitgleich etwas über die Geschichten in der Bibel zu lernen. Zur Begrüßung bekommen sie auch gleich noch ein Säckchen voll Münzen in die Hand gedrückt, das sie nach Herzenslust verprassen können. Wer würde in so einer Stadt nicht gerne leben wollen? Für die evangelischen Kirchengemeinden aus Unter- und Oberjettingen ist das Kinderbibelwoche-Programm in Gestalt einer Kinderstadt etwas ganz Neues. „Die KiBiWo selbst gibt es hier ja oft“, betont Pfarrer Michael Lang. „Die Kinderstadt öffnet heute aber zum ersten Mal.“

Im Vorfeld haben sich viele ehrenamtliche Mitglieder der beiden Jettinger Kirchengemeinden zusammengetan, um für das Wochenende ein buntes Programm auf die Beine zu stellen. Während die Helfer noch ein paar letzte Vorbereitungen treffen, versammeln sich die Kinder erst mal um Michael Lang und die „Stadtband“ herum, die zur Begrüßung ein paar fröhliche Lieder anstimmen. Zwar sitzen die Kinder bereits auf heißen Kohlen, doch bis zur Eröffnung der Kinderstadt müssen sie sich noch ein bisschen gedulden. Zuerst steht nämlich noch eine kleine Zeitreise in Form eines Theaterstücks an, das die Kinder ins 2000 Jahre zurückliegende Jericho führt. Hier stoßen die neuen Kinderstadt-Bewohner zum einen auf den geizigen Zollpächter Zachäus, der den Leuten das Geld aus der Tasche zieht, aber im Grunde seines Herzens vor allem einsam und auf der Suche nach der Liebe Gottes ist. Zum anderen machen die Jungen und Mädchen Bekanntschaft mit Bartimäus, dem blinden Bettler, der voller Hoffnung auf ein Wunder wartet. Beide Geschichten sind in Michael Langs Augen sehr wichtig und dem Anlass entsprechend, da sie viel über das Zusammenleben in einer Stadt aussagen. „Gerade bei Bartimäus geht es um einen Blinden, der aufgrund seiner Behinderung von der Gemeinschaft ausgestoßen wird“, erklärt Michael Lang. „Bis Jesus ihn heilt und wieder in die Gesellschaft einfügt.“ Dass Jesus aus Sicht der Christen auch heute noch die Macht besitzt, zu heilen und zu wirken, gehört zu den Punkten, die Michael Lang seinen Schützlingen vermitteln will. „Dass Jesus eine Figur ist, die vor 2000 Jahren gelebt hat, verstehen die Kinder“, weiß Michael Lang. „Aber dass er für uns Gott ist und es für ihn heute noch genau die gleichen Möglichkeiten gibt, ist schwieriger zu erklären.“ Dabei findet sich ein perfektes Beispiel für die Kraft des Glaubens direkt in den eigenen Reihen. „Jara, ein Mädchen dieser Kinderstadt-Gruppe hatte die Prognose, nie mehr als 50 Prozent sehen zu können“, erzählt Michael Lang. In der Gemeinde habe man oft für sie gebetet, und die Kraft des Glaubens habe sich ausgezahlt. „Heute sieht sie fast zu 100 Prozent.“

Genau wie die anderen Kinder möchte Jara jetzt aber endlich die Kinderstadt erkunden. Mit lautem Jubel stürmen die Erst- bis Siebtklässler los und verteilen sich sofort auf die verschiedenen Stockwerke des Gemeindehauses. Während die Jungs zielstrebig zum Fitnessstudio rennen, um sich mit Medizinbällen und kleineren Sportgeräten auszupowern, zieht es die Mädchen eher in den Friseursalon. Auch die Kirche darf in einer richtigen Stadt natürlich nicht fehlen, und so führt Michael Lutz die jungen Kirchgänger über die Straße ins Gotteshaus, um ihnen die Orgel zu zeigen oder mit ihnen den Kirchturm zu besuchen. Den größten Andrang erfährt allerdings das Passamt, wo die Teilnehmer ihren eigenen Pass basteln können. Der ist in der Kinderstadt extrem wichtig, denn nur mit gültigem Pass kann man in der Bank Gutscheine in Geld umwandeln lassen. Die Gutscheine selbst erhält man zum Beispiel in der Straße der Experimente. Zumindest sofern man beispielsweise Süßigkeiten mit verbundenen Augen errät oder richtig schätzt, wie viele Patronen sich in einem Tintenfass befinden. Je mehr Gutscheine man in Geld umwandelt, desto mehr Möglichkeiten hat man in der Kinderstadt. Denn einige Aktivitäten, wie zum Beispiel Filzäpfelfärben, gibt es nicht umsonst – und auch die duftenden Waffeln bekommt man nur gegen einen selbst verdienten Obolus. „Das Tolle an der Kinderstadt ist, dass die Kinder frei wählen können, was sie wie lange machen“, findet Lutz von Ascheraden, der gerade ein ganz besonderes Bastelprogramm betreut. In einem kleinen Raum im Keller dürfen die Kinder aus Papier, Pappe und anderen Utensilien ihre eigene Miniaturstadt, frei der Fantasie nach, basteln. Was am Ende des Wochenendes dabei rauskommt, da ist Lutz von Ascheraden selbst gespannt. „Mal schauen, wie es am Ende aussieht“, schmunzelt der Unterjettinger.

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Erstellt:
4. November 2019

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