Nur jeweils zwei Kandidaten für die Kirchengemeinderäte Altingen und Reusten, die sich einen Pfarrer teilen, aber als noch selbstständige Einheiten jeweils eine Kirchengemeinde bilden – das war noch der Stand vor wenigen Tagen. Nun haben beide Kirchengemeinden aber eine drohende Notverwaltung abgewendet.
Reusten (Im Vordergrund) und Altingen (dahinter) wollen kirchlich zusammenwachsen GB-Foto: Bäuerle
Mit jeweils nur zwei Bewerbern hätten die evangelischen Christen in Altingen und Reusten bei den Kirchengemeinderatswahlen am 1. Dezember gar nicht zu den Urnen schreiten dürfen: Denn für Kirchengemeinden bis zu 500 Mitglieder gilt eine Mindestzahl von fünf Kirchengemeinderäte, für Kirchengemeinden bis 1500 Gläubigen sind es sieben Mandatsträger. „Mit einer Sondergenehmigung könnte man auch auf vier runtergehen“, erklärt Dekan Eberhard Feucht. Mit zwei Personen lässt sich indes kein neues Gremium konstituieren. Wenn es bei zwei Kandidaten geblieben wäre, hätte der Oberkirchenrat über das Dekanat eine ortskirchliche Verwaltung eingesetzt. In dieses Notgremium hätten Gläubige aus den beiden Ortschaften rücken können – was aber nicht sonderlich wahrscheinlich gewesen wäre, weil diese Personen ja auch als reguläre Kandidaten in Frage hätten kommen können. „Im Extremfall hätten ich und zwei Vertreter des Oberkirchenrats die ortskirchliche Verwaltung gebildet“, erklärt Eberhard Feucht.
Der Dekan verdeutlichte den Altinger und Reustener Protestanten bei zwei Gemeindeversammlungen, dass diese Regelung mit Nachteilen verbunden gewesen wäre: Denn im nächsten Jahr ist ein Nachfolger für Pfarrer Peter Palágyi zu wählen, der am 8. Dezember verabschiedet wird und nach Altheim/Alb wechselt. Die evangelischen Christen in Altingen und Reusten können ihre Mitwirkungsrechte aber nur wahrnehmen, wenn sie über funktionsfähige Gremien verfügen. „Die Pfarrer-Besetzung wäre sonst fremdbestimmt gewesen“, sagt Brigitte Hummer-Strobel, die zweite Vorsitzende des Altinger Kirchengemeinderats. Sie scheidet aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gremium aus, das mit vier Personen ohnehin schon dezimiert war. Weil auch Elisabeth Schmengler nicht mehr kandidiert, standen für die bevorstehende Wahl zunächst nur Ralf Hartmann und Daniel Spengler als Bewerber bereit. Bei einer Gemeindeversammlung erklärten sich dann aber sogar noch vier weitere Personen bereit, sich aufstellen zu lassen: Estrid Guther, Charlotte Riegler, Traude Renate Strohäcker und Erich Schneider, der ehemalige Verwaltungsdirektor der Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal. Die Zahl der Sitze ist nun eigens der Bewerberzahl angepasst und auf sechs erhöht worden, um zu verhindern, dass einem Kandidaten das Mandat verwehrt bleibt.
Brigitte Hummer-Strobel hätte sich derweil gewünscht, dass Pfarrer Peter Palágyi, wie von ihm beantragt, schon früher seine Stelle hätte wechseln dürfen. „Er hatte schon im Frühjahr gesagt, dass er gehen will. Dann hätte man die Aufgaben entzerren können, denn mit Kirchengemeinderatswahlen, Pfarrer-Verabschiedung, Basar und Stellen-Neubesetzung ist es derzeit arg hektisch, wir kommen auf dem Zahnfleisch daher“, beschreibt die stellvertretende Kirchengemeinderatsvorsitzende die aktuelle Lage vor Ort.
In Reusten haben nach der Gemeindeversammlung noch drei weitere Personen signalisiert, sich als Kirchengemeinderat zur Verfügung zu stellen. Mit Rudolf Liedtke (82) und Margarete Steeb (78) treten auch zwei Personen an, die sich im höheren Alter noch ehrenamtlich engagieren. Außerdem haben sich Bärbel Lebold-Gauß, Haidi Ozimek und Andrea Schöttke aufstellen lassen. „Vielen war es wohl nicht klar, was passieren wird, wenn es keine Kandidaten gibt, und eine Vakatur bedeutet auch immer Mehrarbeit und eine Ungewissheit, wer kommt“, erklärt die zweite Kirchengemeinderatsvorsitzende Andrea Schöttke, weshalb sich das Interesse zunächst in Grenzen gehalten hat.
„Man hätte sonst vielaus der Hand gegeben“
Dekan Eberhard Feucht freut sich jedenfalls, dass beide Kirchengemeinderäte nun doch regulär gewählt werden können. Er selbst war bei beiden Gemeindeversammlungen vor Ort. „Wenn man sich in einer Gruppe trifft und miteinander diskutiert, schafft das auch Solidarität untereinander“, blickt er auf die beiden Versammlungen zurück. Diese Lösung sei nun um ein Vielfaches besser als eine ortskirchliche Verwaltung, ergänzt er: „Man hätte sonst viel aus der Hand gegeben und wäre nicht mehr Herr des Verfahrens gewesen.“ Die neu zu besetzende Pfarrerstelle wird voraussichtlich zu Beginn des neuen Jahres ausgeschrieben. Das Amt wird nach dem Modell des Benennungsverfahrens besetzt: Wenn es mehrere Bewerber gibt, präsentiert der Oberkirchenrat den örtlichen Gremien einen Kandidaten, den die Kirchengemeinden annehmen oder ablehnen können. Bei einem negativen Votum käme es zu einer zweiten Ausschreibung. Die Vakatur wird sich voraussichtlich mindestens bis September 2020 erstrecken.
Beide Kirchengemeinden haben sich auch bereits Gedanken gemacht, wie sie künftig zusammenwachsen könnten – eine Fusion wäre ebenso denkbar wie ein loserer Zusammenschluss. „Wir machen auch jetzt schon viel gemeinsam, ohne auf die Rechtsform geachtet zu haben“, sagt Andrea Schöttke. Vorerst ruhen aber die Sondierungen: In welche Rechtsform eine künftige Kooperation münden könnte, darüber werden dann die neu gewählten Kirchengemeinderäte beraten.