Nachdem sie nun einige Wochen verwaist waren, füllen sich die Kirchenbänke im Gäu allmählich wieder – wenn auch mit ausreichend Abstand zwischen den Besuchern: Erstmals feierten einige Kirchengemeinden am Wochenende wieder Gottesdienst. Der „Gäubote“ war mit dabei.
Abstand, Mundschutz und Desinfektionsmittel: Ungewohntes Ambiente beim Gottesdienst in Mötzingen GB-Foto: Bäuerle
Durch die Kirchentür, an der ein Mitarbeiter die angemeldeten Besucher begrüßt und ihre Namen auf einer Liste abhakt, geht es an Schildern mit Corona-Regeln und Desinfektionsmittel vorbei ins Innere der katholischen Kirche St. Martin in Herrenberg. Hier ist am vergangenen Samstag beim Abendgottesdienst alles anders als sonst: Pfeile am Boden schreiben die Gehrichtung vor, die 20 Gläubigen sitzen in großzügigen Abständen voneinander entfernt und tragen Mund-Nasen-Masken. Die Stimmung ist freundlich. „Ich freue mich, dass Gottesdienste jetzt wieder möglich sind, und wir versuchen, das Beste daraus zu machen“, sagte Pfarrer Markus Ziegler bei der Begrüßung der Herrenberger Gemeinde. In seiner Predigt erinnerte der Geistliche daran, dass in diesen Zeiten nicht nur die eigenen vier Wände einen Schutzraum bieten, sondern dass sich auch „im Haus Gottes viele Wohnungen“ befänden, in denen man eine Bleibe und Schutz finden könne. Vertrautes boten auch die Kommunion, die sich allerdings auf die Hostie beschränkte, und der Friedensgruß, der diesmal ohne Körperkontakt erfolgten musste. Für die Musik zeichneten Marianne Aicher (Orgel), Jürgen Rheinländer (Violine), Mirjam Aicher und Klaus Köffers (Gesang) verantwortlich, denn Gemeindegesang war untersagt. Mit all diesen Vorkehrungen setzt die katholische Kirchengemeinde Herrenberg das Infektionsschutzkonzept der Diözese um, erklärte Ziegler und ist gewiss: „Nach menschlichem Ermessen hatte das Virus keine Chance.“
Margret Krones ist froh, dass die Gottesdienste nun wieder stattfinden. „Vor allem die Gemeinschaft“ hat die Affstätterin vermisst, zumal derzeit auch die ehrenamtliche Seniorenarbeit ruhen muss, die ihr viele soziale Kontakte bescherte. Im Gottesdienst, so Margret Krones, treffe man immerhin auf viele bekannte Gesichter, auch wenn das Schwätzchen nach der Feier in der derzeitigen Situation unterbleiben muss. Sorgen wegen einer Ansteckungsgefahr macht sich die Seniorin nicht: „Ich habe angenommen, dass es gut organisiert ist und das war es ja auch.“
In Mötzingen lockte die Öffnung der Kirchen 30 Besucher zum evangelischen Gottesdienst in die evangelische Mauritiuskirche – ebenfalls mit Maske und ausreichend Distanz zueinander. „Kirchenhistorisch ist das einmalig. Das gab’s noch nie in 2000 Jahren“, sagte Pfarrer Stefan Taut. Erstmals war es am Sonntag „Kantate“, dem Singesonntag, auch nicht erlaubt zu singen. So spielte man moderne Lieder ein, die ein erst im Entstehen begriffenes Gemeindenetzwerk-Denken fördern sollten. Zudem entschloss man sich, das verpasste Ostern nachzufeiern und den Gläubigen ein Osterlicht mit auf den Nachhauseweg zu geben. Auch ein neues interaktives Element integrierte Taut in die Feier: Den Gläubigen ließ er Raum, um zu erzählen, was sie in diesen Zeiten bewegt. „Ich kriege Angst, überhaupt rauszugehen, und habe mich fast nicht getraut, in die Kirche zu gehen“, gestand eine ältere Dame. Ein anderer Besucher war in Gedanken bei jenen Ländern, die vom Virus stark gebeutelt sind, und konnte die Anspruchshaltung und die Klagen hierzulande nicht verstehen. Auch Dankbarkeit, dass man auf dem Land und nicht eingesperrt in der Stadt lebt, war da zu hören – ebenso wie die Sorge über den ausbleibenden Regen.
In seiner Predigt stellte Pfarrer Taut der angstmachenden Corona-Pandemie dann das Christentum gegenüber, eine „Gemeinschaft der Hoffnung“, die Zuversicht schenke. „Jesus löst Freude aus und verursacht ein Ende der Lähmung“, befand der Pfarrer.
Dankbar für die Möglichkeit des Offline-Gottesdienstes zeigte sich eine junge Mötzingerin, die derzeit in Stuttgart lebt und einen Besuch bei der Mutter nutzte, um die Feier in der Mauritiuskirche zu besuchen: „Auf dem Sofa zu sitzen und Gottesdienste auf Youtube zu schauen, ist nicht das Gleiche, wie wenn ich hingehe und die Leute treffe. Man freut sich und es ist schön, den Austausch zu haben.“ Die vergangenen Wochen habe sie zwar Kontakt zu Freunden gehalten, jedoch online und per Telefonkonferenz. Besonders gut am Konzept in der Mötzinger Mauritiuskirche gefiel ihr, dass die Gedanken der Gläubigen Raum fanden: „So konnte man rausfinden Was bewegt die Menschen? Das kann man mit nach Hause nehmen und dafür beten.“