Kinder waren, sind und bleiben ihre Leidenschaft

„Mit den Augen bis ins Herz sehen“: Diese Worte einer Zweitklässlerin hat Waltraud Oelkuch-Philipsen in ihrem Berufsleben zu beherzigen versucht, das sich nun dem Ende zuneigt. Die Rektorin der Nufringer Grundschule tritt ihren Ruhestand an.

Von Konrad Buck

Lesedauer: ca. 3min 43sec
Die Drittklässler machen einen „Kehraus“ für Rektorin Waltraud Oelkuch-Philipsen, die in ihren Händen ein Miniatur-Klassenzimmer mit Steiff-Bären trägt GB-Foto: Holom

Die Drittklässler machen einen „Kehraus“ für Rektorin Waltraud Oelkuch-Philipsen, die in ihren Händen ein Miniatur-Klassenzimmer mit Steiff-Bären trägt GB-Foto: Holom

Dass Waltraud Oelkuch-Philipsen den Beruf der Lehrerin ergreift, dieser Weg war zunächst nicht vorgezeichnet, denn ihren Vater, einen Prüfstatiker, begleitete sie oft auf Baustellen und hatte auch ein Faible für handwerkliche Tätigkeiten. Auf ihrem beruflichen Wege wandte sich Waltraud Oelkuch-Philipsen aber lieber den Kindern zu. „Ich komme mit Kindern unheimlich gut aus. Ich schaue den Kindern in die Augen und sehe, wie es ihnen geht, und mich fasziniert, wie unvoreingenommen die Kinder gegenüber anderen sind, selbst wenn die anderen einen Makel haben“, sagt die 64-jährige Pädagogin, die nach dem Abitur in Heidenheim an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen studierte. Fasziniert war sie auch von den Schülern der internationalen Vorbereitungsklassen, die sie in der Nufringer Grundschule unterrichtete. Dabei handelte es sich überwiegend um Flüchtlinge. „Die Kinder aus unterschiedlichen religiösen und kulturellen Herkünften sind zusammengekommen und haben sich angenommen, wie sie sind“, blickt Oelkuch-Philipsen zurück. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr ein 13-jähriger Syrer, der zuvor noch nie eine Schule besucht hatte.

Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn kümmerte sich Waltraud Oelkuch-Philipsen aber zunächst um ihre eigenen Kinder: Nach dem Vorbereitungsdienst an einer Grund- und Hauptschule in Albstadt-Tailfingen blieb sie zunächst zehn Jahre zu Hause und trat dann eine Stelle an der Pfalzgraf-Rudolf-Grundschule in Herrenberg an. Ihren Ehemann Bodo Philipsen, damals Lehrer am Herrenberger Schickhardt-Gymnasium, hatte sie bereits als Jugendliche kennengelernt. Nach 14 Jahren an der Pfalzgraf-Rudolf-Grundschule suchte Waltraud Oelkuch-Philipsen eine neue Herausforderung als Rektorin – und fand sie an der Grundschule in Gäufelden-Tailfingen. Gerne denkt sie an diese „witzige“ Zeit zurück, wie es Waltraud Oelkuch-Philipsen formuliert, denn an dieser kleinen Bildungsstätte gab es anfangs nicht einmal eine Sekretärin. „Ich habe von der Pike alles selber gemacht, so viel habe ich noch nie geschafft“, blickt sie auf diese ungewöhnliche Zeit zurück, die auch deshalb ungewöhnlich war, weil im alten Tailfinger Schulhaus eine russische und eine afrikanische Familie wohnten, zu denen die Rektorin gute Kontakte pflegte. Zu Hause wuchs sie mit acht Geschwistern auf – damit war ihre Familie so groß wie die erste Klasse, die sie anfangs an der Tailfinger Grundschule zu betreuen hatte. Das aus ihrer Kindheit stammende Interesse für die Baubranche blieb erhalten, und so verfolgte Waltraud Oelkuch-Philipsen mit den Tailfinger Grundschülern regelmäßig den Baufortschritt von der Grundsteinlegung über das Richtfest bis zur Einweihung, als in dem Gäufeldener Teilort die neue Grundschule errichtet wurde.

Vor acht Jahren wechselte Waltraud Oelkuch-Philipsen schließlich zu ihrer letzten beruflichen Station an die Nufringer Grundschule, die mit zwei bis drei Klassen pro Jahrgang deutlich größer ist als die Tailfinger Grundschule. Ihr erstes Nufringer Jahr war gleichzeitig das letzte Jahr der Nufringer Hauptschule. Die letzte neunte Klasse noch unterrichtet zu haben, „das war eine tolle Erfahrung. Es gab viel Kooperation zwischen den jüngeren und älteren Schülern“, blickt Oelkuch-Philipsen auf das gute Verhältnis zwischen Grund- und Hauptschule zurück. „Eine Schule, die bewegt“ lautet das Motto der Nufringer Lern- und Bildungsstätte, gemeint ist damit sowohl körperliche als auch geistige Beweglichkeit, verbunden mit vielen Sportangeboten. Unterrichtet hat Waltraud Oelkuch-Philipsen alle Fächer (studiert hatte sie ursprünglich Deutsch und Biologie), ihre Vorliebe galt und gilt der Musik. „Mit Musik geht alles viel leichter“, ist Waltraud Oelkuch-Philipsen überzeugt, die in den Unterricht immer jenes Akkordeon mitnimmt, das sie bereits als Sechsjährige geschenkt bekommen hatte. „Ich habe mit den Kindern in jeder Stunde gesungen. Wer singt, lockert sich, holt Luft und atmet durch – das ist auch für die Psyche gut“, zählt die scheidende Rektorin die Vorteile auf. In der Musik hat sie ein passendes Instrumentarium gefunden, um Kinder zu erreichen: „Über Musik kriegt man alle Kinder“, ist die Affstätterin überzeugt, die zwei Kinder und vier Enkel hat.

Was hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewandelt? „Es ist sehr schwierig, wie viele äußere Eindrücke mittlerweile auf die Kinder einströmen, das macht die Kinder unruhiger und unkonzentrierter“, hat Waltraud Oelkuch-Philipsen festgestellt, „ich würde mir wünschen, dass die Kinder auch mal Zeit haben, auf einer Wiese zu sitzen, Gänseblümchen anzuschauen und zur Ruhe zu kommen.“ Verändert hat sich auch die Zusammensetzung der Nufringer Lehrerschaft: Das Nufringer Kollegium ist im Laufe der vergangenen Jahre ausschließlich weiblich geworden. „Als ich hier angefangen hatte, gab es noch vier Männer“, erinnert sich die Rektorin. Die männlichen Lehrkräfte sind mittlerweile aber allesamt in den Ruhestand gewechselt. Nach einem Sabbatjahr wird auch die 64-Jährige ihren Ruhestand antreten. Kommunalpolitisch agieren wollte und will Oelkuch-Philipsen – im Gegensatz zu SPD-Gemeinderat Bodo Philipsen – nicht. Sie ist zwar auch Sozialdemokratin, aber: „Man müsste dazu von allen Seiten Kritik ertragen und aushalten können.“

In ihrem Ruhestand will sich Waltraud Oelkuch-Philipsen gerne weiterhin für Kinder engagieren – beispielsweise als Krankenhaus-Clownin oder als ehrenamtliche Kita-Mitarbeiterin für Musik – was aber vom weiteren Fortgang der Corona-Pandemie abhängt. Unbehelligt geblieben von Corona sind die zahlreichen Steiff-Bären, die Waltraud Oelkuch-Philipsen zu Hause in vielen unterschiedlichen Größen beherbergt. Seit sie als Kind einen Steiff-Bären geschenkt bekam, ist sie angetan von diesen Kuscheltieren, und sie hat sogar ein Miniatur-Klassenzimmer mit Lehrer und Schülern. „Mit allen Charakteren“, schmunzelt sie. Wie im richtigen Schul-Leben auch.

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Erstellt:
11. Juli 2020

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