Lieblingsrolle: Pippi Langstrumpf

Von Thomas Morawitzky

Sie war Pippi Langstrumpf bei der Herrenberger Bühne. Sie verkörperte viele andere Figuren. Lisa Iffert kam sehr jung mit dem Theater in Berührung. Vor 16 Jahren spielte sie zum ersten Mal im Jugendensemble der lokalen Theater-Equipe. Dem Ensemble ist sie bis heute treu. An seinem Stück zum Jerg-Ratgeb-Jahr wirkt sie wesentlich mit – nicht nur als Darstellerin. Längst schon hat sie das Theater auch zu ihrem Beruf gemacht.

Lieblingsrolle: Pippi Langstrumpf

Lisa Iffert arbeitet mittlerweile am Stuttgarter Theaterhaus GB-Foto: gb

„Am schönsten“, sagt Lisa Iffert, „muss es sein, ein Theaterstück zu schreiben und zu sehen, wie es nachher aufgeführt wird.“ Eben dies wird sie demnächst erleben, bei hoffentlich gutem Wetter auf dem Herrenberger Marktplatz. Denn sie ist es, die ganz maßgeblich für den Text des Stückes verantwortlich ist, das die Herrenberger Bühne zum 500-jährigen Bestehen des Altars aus der Werkstatt des großen Jerg Ratgeb aufführen wird. Zum ersten Mal hat die Herrenberger Bühne ein Stück gänzlich selbst entwickelt (der „Gäubote“ berichtete); Lisa Iffert wurde dabei zur Autorin. Ihr Weg dorthin war weit, führte sie auch vom Spiel im Jugendensemble, später im Ensemble der Erwachsenen der Herrenberger Bühne zur professionellen Arbeit an eine der großen Spielstädten Stuttgarts.

Schon 2013 begleitete Lisa Iffert ein Projekt am Stuttgarter Theaterhaus, kurz nach dem Ende ihres Studiums war das. Seit dem Januar 2018 nun arbeitet sie in fester Anstellung als Theaterpädagogin für das Haus. Lange zuvor erlebte sie mit, wie eben diese Sparte dort langsam entstand. 24 Jahre alt war sie damals, 30 ist sie heute. Für Jakob Dambacher-Walisch, nun ihr Kollege und Abteilungsleiter, übernahm sie 2013 die theaterpädagogische Assistenz bei der Produktion „Road Trip“, einer Kooperation mit der Ludwig-Uhland-Schule, der Linden-Realschule, der mobilen Jugendarbeit in Stuttgart; gemeinsam mit ihm studierte sie Kultur- und Medienarbeit mit dem Schwerpunkt Theatervermittlung an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.

An der Theaterwerkstatt Heidelberg ließ Lisa Iffert sich in Vollzeit zur Theaterpädagogin ausbilden. Sie absolvierte ein Praktikum am Schauspiel Stuttgart, erlebte auch dort den ehemaligen Intendanten Armin Petras als Regisseur. Sie arbeitete sechs Jahre lang als selbstständige Theaterpädagogin, begleitete Projekte im ganzen Land, reiste nach Indonesien, Mexiko, fand noch immer Zeit, mit der Herrenberger Bühne aufzutreten, die Regieassistenz bei Stücken wie „Lady Wildermeres Fächer“ zu übernehmen.

„Theater“, sagt sie, „ist ein Ventil. Es ist wunderbar, weil man dabei Sachen ausprobieren und sich austoben kann. Wann darf man im Alltag schon rumschreien oder mit etwas um sich werfen? Man kann in verschiedene Persönlichkeiten schlüpfen, man kann einmal schüchtern, dann fuchsteufelswild, dann eingebildet sein.“

Natürlich liebäugelte Lisa Iffert, die das Theater als Darstellerin in Herrenberg kennenlernte, auch mit einer Ausbildung zur Schauspielerin. „Ich war ein paar Mal vorsprechen“, sagt sie, „aber ich habe dabei gemerkt, dass man sich als Schauspieler in eine Schublade zwängen muss. Bei jedem Stück muss eine Anzahl von Rollen besetzt werden mit bestimmten Typen. Dabei habe ich mich nicht wohlgefühlt.“

Theater muss für sie nicht notwendig professionelles Schauspiel auf der Bühne sein. Theater kann auch ganz nahe am Leben sein. Gerade die Erfahrungen, die Lisa Iffert als Theaterpädagogin sammeln konnte, eröffneten ihr andere Sichtweisen: „Ich bin viel offener geworden dadurch, ich kann mich besser in andere Menschen hineinversetzen. Das hat auch auf mich persönlich zurückgewirkt.“

Auch die pädagogische Arbeit am Theaterhaus hat sich geöffnet, seitdem Lisa Iffert dort ihre ersten Schritte unternahm. Heute arbeiten drei Theaterpädagogen am Haus, hinzukommen mehrere Freiberufler, auch im Bereich Tanzpädagogik. Aus zwei Schulen, die zu Beginn mit dem Theaterhaus kooperierten, sind zehn geworden. Lisa Iffert arbeitet vor Ort in den Schulklassen. „Meistens“, sagt sie, „kommt das Thema aus der Klasse und wir entwickeln es dann. Ich arbeite mit Menschen, die keine Vorerfahrungen im Theater haben; ich zeige ihnen als Regisseurin, wie ich eine Szene gestalten kann. Ich gebe Aufgaben an andere ab, damit sie sich ausprobieren können, erfahren, wie es sich auswirkt, wenn sie Anweisungen geben, die Spieler sich arrangieren.“

Ein großer Vorteil, den die pädagogische Arbeit am Stuttgarter Theaterhaus für sie besitzt, ist Lisa Iffert wohl bewusst: Schauspieler wechseln oft das Engagement, den Ort, die Stadt, arbeiten hier, arbeiten dort. Eine Festanstellung dagegen bringt Kontinuität, auch Nähe zur Heimat. „Ich will schon in die weite Welt reisen“, sagt sie, und tut es ja auch. „Aber ich habe diese Kontinuität schätzen gelernt. Eine Nachhaltigkeit erreicht man nicht, indem man einmal hier, einmal dort etwas macht.“

Nachhaltigkeit – das ist für Lisa Iffert beispielsweise, wenn sie Schüler, mit denen sie einst arbeitete, später als Besucher von Theatervorstellungen wiedertrifft. Wenn sie selbst an Projekten mitarbeiten konnte wie dem Stück „Wenn sie tanzt…“, bei dem 40 Jugendliche, die Flucht und Vertreibung erlebt haben, von ihrem Leben erzählten und tanzten. 2017 erhielt dieses Stück den baden-württembergischen Amateurtheaterpreis „Lamathea“ – Lisa Iffert war als Theaterpädagogin dabei. An einem neuen Stück, einer neuen Kooperation mit der Gauthier Dance.Comany, arbeitet sie gerade. „Home is where the Heart is“ wird es heißen.

Ihr eigenes Theater-Zuhause war und ist die Herrenberger Bühne. Ihre Lieblingsrolle, das blieb ihre erste große vor 15 Jahren. „Pippi Langstrumpf“, sagt Lisa Iffert, „würde ich gerne noch einmal spielen. Das ist eine starke Rolle. Ich war das stärkste Mädchen der Welt, ich durfte machen, was ich wollte, ich durfte die Erwachsenen in der Gegend umherschupsen.“ Fühlt sie sich mittlerweile nicht doch zu alt für Pippi Langstrumpf? „Nein“, sagt Lisa Iffert, und strahlt dabei natürlich. „Das ist ja das Schöne am Theater: Dass alte Leute junge, dicke, dünne spielten können, dass etwas, was im echten Leben nicht sein kann, behauptet und so angenommen wird.“

Das Theaterstück zu Ehren des 500-jährigen Bestehens des Jerg-Ratgeb-Altars feiert am Freitag, 5. Juli, Premiere – und zwar im Rahmen des Herrenberger Kulturfestivals Sommerfarben.