Meist war das Gebäude unbewohnt

Meist war das Gebäude unbewohnt

Dieses Modell der Herrenberger Burg, das sich gegenwärtig im Fruchtkasten befindet, geht auf Untersuchungen des früheren Herrenberger Stadtarchivars Traugott Schmolz zurück GB-Foto: Bautz

Die Pfalzgrafen von Tübingen waren ein schwäbisches Adelsgeschlecht, das von den Grafen von Nagold abstammte. Bereits im späten 11. Jahrhundert zählten sie mit den Zähringern, Welfen und Staufern zu den ersten Familien in Schwaben. Ihren ursprünglichen Besitzschwerpunkt hatten sie im Nagoldgau, daneben besaßen sie Güter und Rechte auf der Alb und im Donauraum. Da die namensgebende Burg Tübingen etwa in der Mitte der Besitzungen lag, wurde wohl um 1050 der Familiensitz dorthin verlegt. Spätestens 1146 erhielt HugoV., Graf von Tübingen (1125 bis 1152) die Pfalzgrafenwürde vom Stauferkönig Konrad III. verliehen. Danach nannte er sich Pfalzgraf HugoI. von Tübingen.

Damals war dieser Titel nicht mehr mit der ursprünglichen Aufgabe der Betreuung einer Königspfalz verbunden. Er bedeutete eine Rangerhöhung vor den anderen Grafen als Vertreter des Königs innerhalb des Herzogtums und damit auch die zweite Position im Land direkt nach dem Herzog von Schwaben. Damit verbunden war das Recht, das Richteramt an Königsstatt auszuüben, sowie Jagd-, Zoll- und Münzrechte.

Über die Ursprünge der Burg Herrenberg lassen sich keine exakten Angaben machen. Man geht heute davon aus, dass sie in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut wurde, und zwar nach der Tübinger Fehde 1164 bis 1166. Damals gerieten die Pfalzgrafen von Tübingen, selbst Vasallen der Staufer, mit deren Konkurrenten, den Welfen, in Konflikt. Nach einem Bericht aus dem 13. Jahrhundert wurden unter Pfalzgraf HugoII. auf seinem Territorium drei Straßenräuber ergriffen. Zwei davon waren eigene Untertanen, die ließ er laufen; einer aber war ein Untertan der Welfen, diesen ließ er aufhängen.

Die Welfen forderten Genugtuungfür die Hinrichtung eines Untertanen

Die Welfen forderten Genugtuung, und als sie diese nicht erhielten, eskalierte die Angelegenheit zur Fehde. Welfische Truppen drangen in das Gebiet der Tübinger ein und zerstörten Hildrizhausen, Gültstein und Pfalzgrafenweiler. Vermutlich als Reaktion darauf errichteten die Pfalzgrafen eine neue und sicherere Burg auf dem jetzigen, strategisch günstigen Platz. Diese Burg wird erstmals erwähnt am 28. März 1228, als Pfalzgraf RudolfII. einen Gütertausch mit dem Kloster Salem beurkundete. Das Dokument wurde ausgestellt „in castro nostro Herrenberc“ (in unserer Burg Herrenberg). Von der Stadt ist dabei keine Rede.

Mit dem Niedergang der Staufer um 1250 verloren auch die Pfalzgrafen an politischem Einfluss. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten, die durch Ausgaben für Klostergründungen die Tübinger hatten 1085 Blaubeuren, 1171 Marchtal und 1183 Bebenhausen gegründet , Erbteilungen sowie in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch den Bau der Marienkirche in Herrenberg verursacht wurden. Nach und nach verkauften sie Teile ihrer Besitzungen, schließlich auch 1382 die Burg und die Stadt Herrenberg mit einigen umliegenden Dörfern an die aufstrebenden Grafen von Württemberg.

Unter den Württembergern wurden auf der Burg zeitweise herrschaftliche Beamte einquartiert. Die Grafen von Württemberg nutzten die Gebäude gelegentlich für ihre Jagdausflüge in den Schönbuch. Die Burg – oder das Schloss, wie man jetzt meistens sagte , war häufig unbewohnt, nur die Hochwacht und teilweise die Gefängnisse waren besetzt.

Da das Schloss auf dem gleichen instabilen Untergrund wie die Kirche steht, doch im Gegensatz zu ihr nicht ständig in Benutzung war, wurden die Gebäude über die Jahre baufällig. Schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts erwog man den Abbruch, doch der Baumeister Heinrich Schickhardt der Jüngere setzte sich für den Erhalt des Bauwerks ein. Anfang des 19. Jahrhunderts stürzten wiederholt Mauern ein und gefährdeten dabei bewohnte Gebiete. 1807 entschloss man sich zum Verkauf auf Abbruch. Nach zweimaligem Besitzerwechsel wurde das Schlossgelände 1865 an die Stadtgemeinde Herrenberg verkauft. Im April 1945 zerstörten Bombentreffer und Granateinschläge die restliche östliche Zwingermauer und beschädigten den Hochwachtturm so, dass er 1957 über dem Hofniveau neu aufgebaut werden musste. In diesem Zusammenhang wurde auch die Gaststätte Schlosskeller mit Terrasse gebaut.

Heute ist auf dem Schlossberg nicht mehr viel von der Burganlage zu sehen. Der ehemalige Herrenberger Stadtarchivar Traugott Schmolz hat vor allem durch die Auswertung alter Ansichten das Aussehen der Burg rekonstruieren können und in seinem Buch „Schloss Herrenberg“ von 2003 veröffentlicht. Nach seinen Plänen wurde auch das große Modell, das sich gegenwärtig im Fruchtkasten befindet, hergestellt.

Das „Angstloch“ führt ineine absolut dunkle Gefängniszelle

Der Westturm oder Pulverturm, an dessen Stelle der heutige Aussichtsturm steht, diente wohl schon von Anfang an als Hochwacht. Darin gab es drei Gefängnisse: eines direkt unter der Wachstube, eines zu ebener Erde, und darunter ein unterirdisches Verlies mit Zugang durch ein „Angstloch“ in der Decke, durch das der Gefangene in einen absolut dunklen Raum hinabgelassen wurde. Seit dem Aufkommen der Feuerwaffen lagerte man die nötigen Pulvervorräte in diesem Turm. In Richtung des Bergrückens gab es einen Schildmauerbergfried ohne Fenster und äußeren Zugang, der als Zufluchtsort bei Angriffen dienen konnte. Auch darin gab es ein Gefängnis. An der östlichen Zwingermauer stand noch ein kleinerer Turm über Eck.

An dem heute noch erhaltenen größten Mauerstück stand ein Gebäude mit unbekannter Funktion, möglicherweise ein Palas oder Rittersaal. Es war etwa 6,50 Meter breit und 17 Meter lang. Auf der langen Konsolbank an der Mauer lag vermutlich ein Pultdach auf. Die Bodenebene lag wahrscheinlich um bis zu 1,50 Meter tiefer als heute.

Das Hauptgebäude der Burg war ein dreistöckiges Gebäude mit hohem Dach und trapezartigem Grundriss (etwa 28 Meter mal 13 Meter). Im Erdgeschoss befanden sich Stallungen und die Küche, die oberen Stockwerke waren Wohnräume. Unter dem Haus gab es zwei übereinanderliegende Keller. Heute ist nur noch der untere Keller als Teil der Gaststätte Schlosskeller erhalten.

Es wird noch weitere Gebäude auf dem Schlossgelände gegeben haben wie beispielsweise Ställe, Räume für Bedienstete oder Werkstätten. Ein Brunnen oder eine Zisterne befand sich in der Nähe des Dachtraufs des Großen Hauses. MICHAELA BAUTZ

Unsere Autorin Michaela Bautz ist promovierte Kunsthistorikerin. Seit 2008 macht sie in Herrenberg Stadt- und Kirchenführungen, inklusive Glockenmuseum und widmet sich dabei auch verschiedenen Sonderthemen.