Mit den Fragen ist man nie alleine

Von Jenny Schwartz

Normalerweise findet die Ordination der neuen Pfarrer an einem zentralen Ort statt. Doch in diesem Jahr ist alles anders, weshalb Esther Auer am vergangenen Sonntag in ihrer Ausbildungsgemeinde Kuppingen zur Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche eingesetzt wurde.

Mit den Fragen ist man nie alleine

Dekan Eberhard Feucht spricht die Segensworte GB-Foto: Vecsey

Strahlender Sonnenschein und voll besetzte Bänke empfangen Esther Auer zu ihrem Ordinationsgottesdienst vor der Stephanuskirche in Kuppingen. Das Motto lautet Dankbarkeit – für Gottes Gabe, für seinen Segen und für die Geschenke, die das Leben für einen bereit hält. „Welcher Inhalt hätte wohl Esther Auers Dankesrede?“, überlegt Eberhard Feucht zu Beginn des Gottesdiensts. Der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Herrenberg hat die Predigt gemeinsam mit Schuldekanin Ursula Ripp-Hilt vorbereitet. Vielleicht, so Eberhard Feuchts Vermutung, danke Esther Auer dem Herrn für ihre Jugendjahre in der Kirchengemeinde Dettingen. Oder für ihr Talent am Klavier, das wie die Theologie die Oberstimme in ihrem Lebensweg habe.

Esther Auer selbst löst das Rätsel in ihrer eigenen Ordinationsrede schließlich auf. Dankbar sei sie vor allem für die Kuppinger Kirchengemeinde, die sie in den vergangenen drei Jahren Vikarszeit begleitet hat. „Kuppingen war ein wichtiger Wegbegleiter nach meinem Studium“, erklärt die Mutter eines Sohns. Die Gemeinde habe sie nicht nur herzlich aufgenommen, sondern ihr auch in den Durststrecken immer wieder Mut gemacht. „Es gab durchaus ein paar Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob ich das wirklich will“, gibt Esther Auer zu. Hier seien kleine Botschaften und Gesten der Gemeindemitglieder ein wichtiger Halt gewesen. „Wenn mir jemand gesagt hat, dass meine Predigt ihn die ganze Woche über begleitet hat oder dass ein Trauergottesdienst ihm geholfen hat, hat mich das wieder bestätigt“, fasst Esther Auer ihre Gerührtheit zusammen.

Schließlich ist die Vikarszeit nicht immer ein Zuckerschlecken, denn es gibt einiges zu lernen. Wie predigt man zum Beispiel so, dass es die Menschen verstehen? Wie sorgt man dafür, dass eine Schulklasse still ist? Und warum ist es nach wie vor wichtig, mit den Konfirmanden Glaubensfeste abzuhalten? All diesen Fragen musste sich Esther Auer in den vergangenen Jahren stellen. „Aber ich habe gelernt, dass ich mit meinen Fragen nie allein bin“, hebt sie hervor. „Ich habe in meinem Beruf immer Kollegen und Christen um mich, die mir Hoffnung machen.“

Solo-Ordination ist ein Zeichenfür die schwierigen Zeiten

Hoffnung ist eine Sache, die vor allem in der heutigen Zeit nicht verloren gehen darf, wie auch Eberhard Feucht betont. Krankheit und Ansteckung seien Ängste, die die Menschen schon immer begleitet haben. Dass der Ordinationsgottesdienst in diesem Jahr nicht an einem zentralen Ort mit den anderen ausgebildeten Pfarrern stattfindet, sei ebenfalls ein Zeichen für die schwierigen Zeiten, in denen man gerade lebe. Die Predigt, die sich der Dekan zu diesem besonderen Anlass überlegt hat, handelt deshalb auch davon, wie man mit solchen Situationen umgehen kann: mit Vertrauen und Glauben.

Als Pfarrer habe man die Aufgabe, in solchen Momenten nicht wegzuschauen und einen Raum zu schaffen, in dem Gott gelobt werden kann. „Aber auch die Gottesdienste und die Bildungsarbeit sind in diesem Beruf natürlich wichtig“, erklärt Eberhard Feucht. Auf Esther Auer komme daher ein wunderschönes Amt mit viel Verantwortung zu. Denn auch in Zeiten der Verunsicherung müsse man in dieser Position die Fähigkeit zum Umdenken und den Mut besitzen, neue Wege zu gehen.

Schlussendlich ist es so weit: Esther Auer kniet vor dem Dekan nieder, der die Segensworte spricht und die Wahl-Kuppingerin offiziell zur Pfarrerin ernennt. Da es sich bei einer Ordination um eine spezielle Berufung im Namen aller Gemeindemitglieder handelt, sind an dieser Stelle auch einige Zeugen gefragt. Und die bestätigen nicht nur Esther Auers Amtseintritt, sondern teilen auch einige Erinnerungen an die ausgelernte Vikarin mit den Gottesdienstbesuchern. Offen, hartnäckig, pragmatisch und vertrauensvoll – so beschreiben die Zeugen Esther Auers Wesen in ihren kurzen Reden. „Ein Mensch, der anderen Menschen mit warmem Blick und offenem Herzen begegnet“, heißt es beispielsweise.

Esther Auer ist in der evangelischen Kirchengemeinde Kuppingen also mittlerweile angekommen und wird ausgesprochen wertgeschätzt. Ein Wermutstropfen ist es daher, dass die frisch ernannte Pfarrerin der Landeskirche ihr Amt nicht in Kuppingen fortsetzen wird – auch wenn sie mit ihrer Familie vorerst in dem Herrenberger Teilort wohnen bleibt. „Ich werde im Pfarrseminar in Stuttgart-Birkach meine neue Stelle antreten“, verrät sie. „Dort helfe ich dabei, andere neue Vikare auszubilden.“ Und natürlich werde sie sich auch weiterhin mit den großen Fragen des Glaubens beschäftigen. Was hat uns das Evangelium alles zu sagen? Wie bringt man Gottes Botschaften am besten den Kindern bei? „Ich bin gespannt auf das, was kommt, und freue mich darauf, immer wieder neue Antworten zu entdecken“, so Esther Auer.