Mut machen gegen Angstprofiteure

Von Bernd Heiden

Erst die Reden, dann die Gans. So ist das beim politischen Martini der Böblinger Kreis-SPD, der heuer in Darmsheim zum 21. Mal über die Bühne ging. Vor über 100 Gästen erinnerte Baden-Württembergs Ex-Kultusminister Andreas Stoch die Besucher an die Wurzeln der Partei, um daraus Visionen für die Zukunft zu entwickeln.

Mut machen gegen Angstprofiteure

Andreas Stoch, SPD-Landesvorsitzender, überreicht Jasmina Hostert, stellvertretende Landesvorsitzende und Böblinger Kreisvorsitzende, in der Darmsheimer Turn- und Festhalle Geschenke GB-Foto: Heiden

Zunächst aber gehört seiner Stellvertreterin die Bühne: Als vor einem Jahr Andreas Stoch in Sindelfingen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt wurde, kürte die Versammlung Jasmina Hostert, die Vorsitzende des Böblinger Kreisverbands, zu einer seiner Stellvertreterinnen. Sie wirft einen Blick zurück auf die Kommunalwahlen und gewinnt dem weinenden Auge ein kleines Lächeln ab. „Wir haben nicht ganz so schlecht abgeschnitten wie befürchtet“, sagt sie. Die SPD habe zwar in Böblingen Sitze eingebüßt, sich in Sindelfingen dagegen gehalten. Und es habe sogar Zuwächse gegeben: in Rutesheim und Gäufelden.

Mit Blick auf die Region stellt sie eine einmalige Chance in Aussicht: Die Durchsetzung der von der SPD-Regional-Fraktion seit je geforderte Nullrunde bei den VVS-Ticketpreisen sei in Reichweite. „Relative gute Laune“ bekundet sie bei der Bundespolitik. Stimmungsaufheller ist die beschlossene Grundrente. Hostert: „Das ist ein historischer sozialpolitischer Erfolg.“

Andreas Stoch pflichtet ihr bei. Mit Verweis auf die Situation in der Parteispitze in Berlin mahnt er indes: aktuelle Situation nicht rosarot anstreichen. So ergänzt er die von Hostert erwähnten Erfolge der SPD in der großen Koalition noch um weitere Posten, etwa das Gute-Kita-Gesetz. „All das gäbe es nicht, wenn es die SPD nicht gäbe.“

Es folgt das Aber. In der Wahlkabine stimme der Wähler nicht über vergangene Verdienste ab, sondern über die Zukunft. „Die Menschen wollen von uns wissen:’Wo geht es mit euch hin?’“ Er empfiehlt, die SPD müsse sich wieder große Ziele setzen. Willy Brandt, Erhard Eppler und auch der angebliche Visionsallergiker Helmut Schmidt – sie alle hätten gewusst: Konzentration auf Tagespolitik reicht nicht. So sei die SPD da, um den Menschen Hoffnung auf eine gute Zukunft zu machen, und erinnert an jahrzehntelange Hartnäckigkeit, mit der die Sozialdemokraten ihre Ziele verfolgt hätten wie etwa das Frauenwahlrecht.

Visionen fordert Stoch auch mit Blick auf Rechtspopulisten und -extremisten. Sie profitierten davon, dass Veränderungen wie Digitalisierung und Globalisierung den Menschen Angst machten. Diese Veränderungen seien nicht zu stoppen, müssten aber so gestaltet werden, dass sie den Menschen zugutekämen: „Wir müssen Mutmacher, nicht Angstmacherpartei sein.“

Dazu will er eine Stärkung der Rolle des Staates. Der soll etwa die Wohnungsnot über eine Landwohnungsbaugesellschaft und kommunale Wohnungsbaugesellschaften angehen, aber auch in der Bildung – Stochs Spezialgebiet – aktiv werden. Gleichzeitig beschwört er die Geburtsstunde der SPD herauf: Die entstand einst aus den Arbeiterbildungsvereinen mit dem Versprechen, Teilhabe durch Bildung zu ermöglichen. Im Land sieht er da Defizite, denn auch hier hingen Bildungschancen noch von der sozialen Herkunft ab. Er will staatliche Investitionen in frühkindliche Bildung mit Abschaffung der Kita-Gebühren und Weiterbildung für Arbeitnehmer, um angesichts des Wandels auch in der Automobilindustrie dafür zu sorgen, dass jeder seinen Arbeitsplatz behalten kann. Und trotz Kohle-Image: Stoch bekundet große Nähe zu den Klimaaktivisten. Statt Verteuerung und Verbote als Mittel der Mobilitätswende setzt er auf Angebote. Konkret als Einstieg: Jahresticket in allen Verkehrsverbünden des Landes zu 365 Euro für Schüler, Studenten, Azubis, Senioren und Hartz-IV-Empfänger.