Die Liebe zum Backen und dabei Gutes zu tun, kombinieren die Frauen vom Stichelkreis Herrenberg seit mehr als zwei Jahrzehnten zur Weihnachtszeit perfekt miteinander. Stollen und Linzer Törtchen werden im katholischen Gemeindezentrum gebacken, Socken gestrickt. Der Erlös kommt sozialen Zwecken zugute. Nach diesem Weihnachtsmarkt endet diese Tradition aber, aus Altersgründen.
Massenproduktion: Der Stichelkreis bereitet seinen Verkauf auf dem Weihnachtsmarkt vor GB-Foto: Holom
Sobald sich die Tür öffnet, die ins katholische Gemeindezentrum führt, steigt einem der verführerische Duft von Weihnachten in die Nase. 13 Frauen und ein Mann arbeiten ehrenamtlich und sorgen dafür, dass ihr Stand vom Herrenberger Weihnachtsmarkt reichlich gefüllt ist. An einem Tisch wird an der Optik der Linzer Törtchen gefeilt. Der Mürbteig aus Kakao und Mandeln steckt in der Form, genauso wie die Himbeermarmelade. „Aber das Törtchen muss weihnachtlich aussehen, deswegen kommen Sterne darauf“, erklärt Brigitte Maier-Borst, Leiterin des Stichelkreises. Gemeinsam wird besprochen, wo sie genau platziert werden sollen, bis endlich die schönste Variante gefunden ist und Maier-Borst zufrieden nickt.
In der Küche wird der Stollenteig verarbeitet, es riecht nach in Rum eingelegten Rosinen und Früchten. Klaus Holzäpfel und Michaela Duda kneten die Unmengen an Teig in einer großen roten Wanne. „Bis ein homogener Teig entstanden ist, dauert es mindestens zehn Minuten, das ist ganz schön anstrengend“, weiß Duda. Holzäpfel ist kein reguläres Mitglied des Stichelkreises, zum Helfen kommt er aber jedes Jahr gerne. Für die Pausen steht eine lange Tafel bereit, darauf frisches Obst, Nüsse, Tee und Kaffee.
Eine lange Liste
Seitdem es den Weihnachtsmarkt auf dem historischen Marktplatz gibt, hat der Stichelkreis einen Stand, verkauft wird nur, was selbst hergestellt wurde. Mindestens genauso wichtig ist der soziale Zweck. „Nach dem Markt besprechen wir gemeinsam, wohin unser Erlös geht. Wichtig ist uns, dass Menschen oder Projekte das Geld bekommen, die wir kennen. Pro Jahr spenden wird rund 7500 Euro“, betont die 71-jährige Brigitte Maier-Borst. Die Liste derer, die Geld bekommen haben, ist lang: Miteinander – Füreinander, ein Projekt der katholischen Kirche in Kenia, der Verein Flüchtlinge und wir, das Frauenhaus, der Tagesmütterverein, der Tafelladen in Herrenberg, aber auch Sozialfälle werden unterstützt.
Dass nach mehr als zwei Jahrzehnten bald Schluss ist, das geht an der gelernten Wirtschaftsleiterin nicht spurlos vorbei, immer wieder ist ihre Stimme tränenerstickt. „Es ist so schade, dass wir Menschen, die in Not sind, nicht mehr mit unserer Spende unterstützen können.“ Der Grund fürs Aufhören liegt am Alter der ehrenamtlich so engagierten Damen. Der Stichelkreis existiert seit 45 Jahren, die Teilnehmerinnen sind heute zwischen 60 und 87 Jahre alt, „wir können das jetzt einfach nicht mehr so machen.“
400 Stollen und 50 Linzer Törtchen
Umso erstaunlicher ist, was geleistet wird, um anderen zu helfen. In Zahlen ausgedrückt werden an zwei Tagen 140 Kilogramm Mehl der Gültsteiner Mühle, 50 Kilogramm Butter, 280 Würfel Hefe und 100 Kilogramm Früchte verarbeitet. 400 Stollen und 50 Linzer Törtchen entstehen daraus, die auf dem Weihnachtsmarkt einen reißenden Absatz finden, „meistens sind wir schon am Samstag ausverkauft“, sagt Maier-Borst. Das Geheimnis liegt zum einen in der Handarbeit, zum anderen am zuckerarmen, aber früchtehaltigen Mannheimer Rezept, das die Leiterin vor 45 Jahren ins Gäu brachte.
In der kleinen Küche des Gemeindezentrums wird fast wie am Fließband gearbeitet. Die Zutaten sind inzwischen alle abgewogen, die Rosinen in Rum eingelegt, der Hefeteig wird von der Teigmaschine gerührt. Michaela Duda und Klaus Holzäpfel vermischen von Hand Früchte und Teig. Christine Reiss, Gerlinde Krammer, Else Kinn und Anneliese Mauch rollen 150 Gramm Teig zu einer kleinen Kugel und legen sie für den nächsten Arbeitsschritt parat. Einen Tisch weiter bringen Hildegard Giesert und Inge Reiter den Stollenteig in seine typische Form. Dann kommt Ingrid Krauß ins Spiel, sie wellt die Kugel aus, legt den Stollen hinein und ummantelt ihn sozusagen mit dem Hefeteig. „So verbrennen die Früchte nicht beim Backen“, verrät Brigitte Maier-Borst, die so etwas wie die Chefin der ehrenamtlichen Bäckerei ist.
Maria Weippert ist mit 87 Jahren die Älteste im Bunde, das Helfen lässt sie sich aber nicht nehmen. „Ich bin dafür zuständig, dass die Eier verkleinert sind, die Butter geschmolzen ist und die Hefe aufgelöst.“ Martha Krammer bepinselt nach dem Backen die Oberfläche mit flüssiger Butter, danach trägt Liselotte Mayer jedes Tablett einen Stock höher zum Abkühlen, auf sieben Tischen stehen ordentlich aneinandergereiht die Stollen, 400 Stück werden es am Ende sein, der Duft raubt einem fast die Sinne. Mit zum Team gehören zudem Trudel Hank und Gerlinde Nikolaus.
„Jeder darf bei uns das machen, was ihm am meisten Spaß macht und wer eine Pause braucht, hockt sich einfach hin“, erklärt die Leiterin des Stichelkreises das Arbeitsprinzip. Immer wieder sitzt eine kleine Gruppe beieinander, legt die Beine hoch, findet Zeit für ein Schwätzchen, trinkt eine Tasse Tee.
Unerwähnt soll nicht bleiben, dass auch in den Pausen immer wieder zur Stricknadel gegriffen wird, denn selbst gestrickte Socken werden auch für den guten Zweck verkauft, genauso wie kleine Basteleien und Weihnachtskarten. „Vielleicht findet sich ja noch eine Gruppe junger Frauen, die unsere Tradition weiterführt, das wäre schön“, gibt Brigitte Maier-Borst die Hoffnung noch nicht auf. Ganz mit der Wohltätigkeit möchte die Gruppe nicht aufhören. „Wer weiß, vielleicht verkaufen wir ja ab und an nach dem Gottesdienst unsere Socken, denn unseren Stichelkreis gibt es ja weiterhin.“
Der Herrenberger Weihnachtsmarkt ist vom 7. bis 9. Dezember