Nadeln, Fingerhüte, Obst und Butter

Von Anke Kumbier

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Der Gültsteiner „Tante-Emma-Laden“ von Gretel Zeeb hat 2007 seine Türen geschlossen GB-Foto (Archiv): Bäuerle

Der Gültsteiner „Tante-Emma-Laden“ von Gretel Zeeb hat 2007 seine Türen geschlossen GB-Foto (Archiv): Bäuerle

Bereits ihre Mutter betrieb ein kleines Geschäft, – dort wo heute die Bäckerei Weinberg eine Filiale hat. Als Gretel Zeeb den Laden 2007 schließen musste, hatte dieser 110 Jahre lang die Gültsteiner mit Nahrungsmitteln, Kurzwaren, Geschenkartikeln, Schulsachen und vielem mehr versorgt. Gerhard Fischbach, Gretel Zeebs Neffe, erinnert sich noch gut daran, wie er als kleiner Junge Kaufladen spielte. Ihm und seinem Bruder stand dafür die beste Kulisse überhaupt zur Verfügung: das Lädle von Gretel Zeeb. „Es gab eine Kasse zum Kurbeln und Klingeln“, erinnert sich der heute 63-Jährige. „Wir konnten ganz realistisch einkaufen spielen.“ Anfangs wurden Waren, wie Mehl und Öl, aus offenen Behältnissen für die Kunden abgepackt beziehungsweise abgefüllt.

Die Jungs halfen beim Auffüllen von Waschmittel oder bei der Preisauszeichnung der Waren mit. „Als Kinder wurden wir mit den neuesten Produkten konfrontiert“, berichtet Fischbach. Da gab es die Aranca-Creme von Dr. Oetker, die erste Kakaobutter, das erste Nutella und die erste Melone. „Die haben wir mit Zucker gegessen“, erzählt Gerhard Fischbach, da sie noch nicht genau wussten, was sie von dieser Frucht erwarteten konnten. Im Sommer seien sie auf Weihnachtsmessen gefahren, damit Ende Oktober die gewünschten Materialien für die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit zur Verfügung standen. „Sie hat alles gehabt, was in einen Tante-Emma-Laden gehört“, betont Hildegard Moser. Sie hat 37 Jahre lang bei Gretel Zeeb mitgearbeitet und von Drogerieartikeln über Wolle bis hin zu frischem Obst alles über die Theke gereicht. „Es gab eine ganze Wand mit Nadeln und Fingerhüten.“ Wenn das Geschäft mittwochnachmittags geschlossen blieb, unternahmen die beiden Frauen etwas zusammen. Fuhren zum Frühlingsfest nach Stuttgart, auf den Christkindlmarkt oder gingen essen. Auch Messen standen auf dem Ausflugsprogramm der Damen. Alljährlich war die Firma Schreyer in Metzingen ein beliebtes Ziel. Dort gab es Schulsachen, Spielsachen und Geschenkartikel. „Sie hat es verstanden, besondere Sachen zu besorgen“, so Hildegard Moser.

Beliefert wurde der Laden ansonsten wöchentlich von Kriegbaum aus Böblingen. „Das war alles sehr persönlich, der Vertreter war ein Freund des Hauses, man kannte sich“, berichtet Fischbach. Als Gretel Zeeb 50 Jahre alt war, vergrößerte und modernisierte sie den Laden. „Dort, wo jetzt die Bäckerei ist, saß Tante Gretel an der Kasse. Sie war die Problemlöserstelle“, weiß Fischbach. Die Kunden kamen und trugen ihre Anliegen Gretel Zeeb vor. Die wusste Rat, vor allem wenn es um ein gutes Geschenk ging. Auch außerhalb der Öffnungszeiten blieben die Türen nicht verschlossen, wenn jemand dringend Eier oder Butter benötigte oder am Samstagnachmittag das perfekte Mitbringsel für den Sonntag suchte.

„Sie war ein Gültsteiner Urgestein“, hebt Ortsvorsteher Gerhardt Kauffeldt hervor. „Sie war sehr beliebt, alle Kinder kannten sie“. Bei ihr habe man sich noch schnell was Süßes geholt. Die Kinder bekamen eine Tüte und durften sich die Köstlichkeiten selbst zusammensuchen Alois Plümper, Ortsvorsteher von 1999 bis 2009, hat ebenfalls nur lobende Worte für die Ladenbesitzerin. „Sie war sehr freundlich und sehr hilfsbereit“. In ihrem Geschäft habe sie sich bestens ausgekannt und unterstützte die Kunden, die sich mit Selbstbedienungsläden schwertaten. „Wenn jemand alleine war, hat sie die Waren auch mal persönlich vorbeigebracht“, weiß ihr Neffe. Sie sei sehr sozial gewesen, habe aber manchmal den Leuten auch deutlich gesagt was Sache ist und mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg gehalten.

Als es darum ging, den Discounter „Netto“ in Gültstein anzusiedeln, habe er das Gespräch zu ihr gesucht, erzählt Plümper. Sie habe ihm damals gesagt, dass sie im „Netto“ keine Konkurrenz sehe. Trotzdem wurde die Kundschaft weniger – und Gretel Zeeb immer älter. Mit 78 Jahren beschloss sie schweren Herzens, das Lädle zu schließen. „Das war nicht einfach, der Laden war ein bisschen wie ein Kind für sie“, sagt Gerhard Fischbach. Seine Tante hat nie geheiratet, sondern sich voll und ganz auf die Versorgung der Gültsteiner konzentriert. Tiere, vor allem Hunde und Katzen, waren ihr sehr wichtig. Wenn der Laden mal geschlossen war, habe sie in ihrem Gärtle gearbeitet und sich um die Blumen gekümmert. Musik war eine weitere Leidenschaft von ihr. „Sie hat sehr gerne gesungen“, erzählt Fischbach.

Der Neffe hebt ihre Weitsicht hervor. So legte Gretel Zeeb großen Wert darauf, frisches Gemüse und Obst anzubieten, das sie aus Nufringen bekam. „Das hat ihr bis zum Schluss geholfen“. Das schönste Obst stapelte sie als Blickfang vor dem Laden auf. Kurzwaren, kleine Gegenstände zum Nähen, waren ein anderer Schwerpunkt und etwas, das sie von den Supermärkten, die vermehrt aufkamen, unterschied. Ein weiterer Vorteil: Bei ihr gab es fast alles. Ihr Neffe arbeitet im Marketing und ist unter anderem der Erfinder der Marke Bruno Banani. Tante und Neffe sind früher mit der Dampflok von Herrenberg nach Stuttgart gefahren und haben dort die Läden unsicher gemacht. „Für mich war sie die Tür zur großen Welt.“ ANKE KUMBIER

Gretel Zeebs Kolonialwarenladen an der früheren Herrenberger Straße (heute Schlossstraße)GB-Foto: gb

Gretel Zeebs Kolonialwarenladen an der früheren Herrenberger Straße (heute Schlossstraße)GB-Foto: gb

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Erstellt:
22. Mai 2019

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