Personal rückt vom Hinter- in den Vordergrund

Die Angst wächst. Hatten noch vor zwei Wochen viele Menschen das Coronavirus auf die leichte Schulter genommen, ist mittlerweile zunehmend zu beobachten, wie die Zuversicht in die kommenden Wochen schwindet. Im Herrenberger Krankenhaus steigt die Zahl der Beatmungsfälle.

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Ein Zeichen der Hoffnung: Kerzen in St. Josef GB-Foto: gb

Ein Zeichen der Hoffnung: Kerzen in St. Josef GB-Foto: gb

Die katholische Krankenhausseelsorgerin Dr. Ulrike Altherr berichtet, dass es in diesen Tagen geboten sei, nicht nur an Patienten und Angehörigen Seelsorge zu üben, sondern auch die immensen Leistungen des Krankenhauspersonals zu sehen und zu würdigen. Das Personal rückt in diesen Tagen für die engagierte Pastoralreferentin vom Hintergrund in den Vordergrund ihres seelsorgerlichen Wirkens. In den Kliniken wird mit Hochdruck gearbeitet, um sich auf die kommenden Tage einzustellen. Dies bringt auch eine erhöhte Belastung der Krankenhaus-Mitarbeiter mit sich. Altherr entzündet indes in diesen Tagen fast täglich Kerzen in der Herrenberger Josefskirche für Patienten und Beschäftigte im Krankenhaus und für weitere Menschen, um deren Not sie weiß.

Ihr evangelischer Kollege in der Krankenhausseelsorge, Pfarrer Stephan Bleiholder aus Oberjesingen, berichtet indes: „Im Krankenhaus rüstet man sich für einen größeren Ansturm auf die Beatmungsgeräte. Die Stimmung im Pflegepersonal ist nicht mehr so zuversichtlich wie noch vor zwei Wochen.“ Der Klinikverbund plant derzeit, eine Kriseninterventions-Hotline mit Psychologen und Klinikseelsorgern für seine Mitarbeiter einzurichten.

Als Gemeindepfarrer in Oberjesingen erlebt Stephan Bleiholder zudem, dass immer mehr Menschen bei ganz alltäglichen Anrufen von ihren Sorgen und Nöten im Alltag erzählen: von den Problemen mit den Kindern im „Homeschooling“, von der Einsamkeit und Sorge um Gesundheit, von wirtschaftlichen und manchmal geradezu auch existenziellen Problemen.

Das Risiko, seelischen Schaden durch das Virus zu erleiden, erhöht sich derzeit drastisch. Die evangelische Pfarrerin Heidi Fuchs aus Nufringen berichtet: „Ich habe immer öfter weinende Angehörige von Erkrankten am Telefon. Außerdem zermürbt es mich, Einsamen, Trauernden und Kranken nicht nahe sein zu dürfen. Mit der auferlegten Distanz über das Telefon und die digitalen Kommunikationsmittel habe ich das Gefühl, dass ich nicht die Begleiterin sein kann, die ich gerne wäre.“

Die Pfarrer in den Gemeinden stehen in diesen Tagen vermehrt telefonisch als Ansprechpartner zur Verfügung. „Die Seelsorge ist die Muttersprache der Kirche und gehört zu den Hauptkompetenzen im Pfarrberuf. Wir sind für die Menschen da“, erklärt Dekan Eberhard Feucht. Ihm ist es in diesen Tagen besonders wichtig, dass die Mitarbeiter jetzt sorgsam auch mit sich selbst umgehen und auch spüren, dass sie Unterstützung durch ihn und Kollegen bekommen, die ihnen an der Seite stehen.

Pfarrerin Friederike Schmalfuß aus Herrenberg beleuchtet auch den momentanen Umgang mit den Medien kritisch. Sie fragt: „Was machen diese negativen Nachrichten mit uns?“ und weist darauf hin, dass die vielen beängstigenden Bilder und Beiträge zur Corona-Krise in Fernsehen und Internet dazu führen können, dass viele Menschen Schaden an ihrer Seele erleiden. Deshalb sei es gut, auch den eigenen Umgang mit den Medien kritisch zu reflektieren.

Der leitende katholische Pfarrer für die Seelsorgeeinheit Gäu, Markus Ziegler, betont, dass gerade in diesen Zeiten die „gute Nachricht“ für die Seelsorge an den Gläubigen unerlässlich ist: „Gott ist da. Wir sind nicht allein. Nicht die Krise hat das letzte Wort, sondern Gott.“ Diese Botschaft will er weitergeben, auch mit den wenigen Mitteln, die ihm bleiben, wie beispielsweise Internet und Telefon, aber auch durch Andachten. Die katholische Kirche bietet über die „Orte des Zuhörens“ den Menschen auch die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen mit in der Seelsorge ausgebildeten ehrenamtlichen Zuhörern, und zwar telefonisch unter der Nummer (0 70 32) 94 26-21. Die Evangelische Kirche bietet ebenfalls Seelsorge über alle örtlichen Pfarrämter an. -gb-

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Erstellt:
28. März 2020

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