Schnell bildet sich eine Menschentraube

Von Maria-Dolores Bloching

„Erhofft“ hatte sich Pfarrer Markus Ziegler eine große Resonanz auf den Info-Abend. Tatsächlich kamen am Donnerstagabend über 20 Personen, um mehr zu erfahren über das Projekt „Orte des Zuhörens“, das die katholische Kirchengemeinde Herrenbergs in Zusammenarbeit mit der Caritas initiiert. Die meisten trugen sich auch in die Liste ein, um sich mit einer Schulung auf ihr Ehrenamt vorzubereiten.

„Ich freue mich, dass Sie sich für unser neues Projekt interessieren“, freute sich Pfarrer Ziegler im Gemeindezentrum St. Martin über die vielen potenziellen ehrenamtlich engagierten Menschen, die für das Projekt ein „Herzstück“ sind, wie es Jessica Karagöl von der Caritas formulierte. Menschen sollen für Menschen da sein – ohne Zeitdruck, ohne Ansprüche zu stellen. Mehr Frauen als Männer waren zum Informationsabend gekommen, alle Altersklassen waren vertreten. „Einsamkeit macht hilflos, krank, depressiv. Die Orte des Zuhörens sollen darauf eine kleine Antwort sein, ein Ort, um zu reden, um etwas loszuwerden“, stellte Ziegler die Idee vor, die es in der Diozöse Rottenburg-Stuttgart bereits an 33 Orten gibt (der „Gäubote“ berichtete).

Um drei Aspekte geht es dabei besonders. Ausgrenzung soll vermieden werden, Armut gemindert, indem Ressourcen, Kompetenzen im Sozialraum in Anspruch genommen werden, Kontakte an weitere Anlaufstellen können vermittelt werden. „Wir möchten unseren diakonischen Auftrag weiter vorantreiben“, machte Karagöl deutlich.

Persönliche, soziale, materielle oder finanzielle Notlagen können in der Sprechstunde, die vermutlich zwei Mal in der Woche stattfinden soll, das Thema sein. Ob jemand mit einem Antrag überfordert ist, als pflegender Angehöriger an seine Grenzen kommt oder in einer persönlichen Notsituation ist und jemanden zum Reden braucht, weil er sonst niemanden hat: Die Türen stehen allen offen, die sie öffnen möchten. „Um kompetent mit allen Themen umzugehen, um abzuwägen, um Entscheidungen zu treffen, bekommen sie eine Schulung.“ Karagöl nannte das Engagement ein „anspruchsvolles Ehrenamt“. Aus sechs Modulen besteht deshalb die Schulung: Kirche nah bei den Menschen, Wahrnehmung und Kommunikation, Struktur der helfenden Beziehung, Soziales Hilfenetzwerk, Soziale Leistungen und Interkulturelle Kompetenz. „Die Schulung beläuft sich auf insgesamt 32 Stunden, das macht man nicht so nebenbei“. Aber die Beratung der Ehrenamtlichen profitiere davon – „und Sie profitieren, wenn Sie sich sicher und kompetent finden.“ Die Personen, die sich bei den „Orten des Zuhörens“ einbringen, sollten gewisse Eigenschaften, Charakteristiken vorweisen, „denn die Arbeit ist intensiv“, betonte Karagöl. Persönliche Stabilität, Integrität und mentale Sicherheit seien genauso wichtig wie die eigene soziale Eingebundenheit. Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit, Reflexionsvermögen, Toleranz und Kommunikationsfähigkeit weitere notwendige Wesenszüge.

In der Pause hatten sich viele bereits für das Ehrenamt begeistern lassen. Am Stehtisch, an dem die Liste lag, bei der man sich für die Teilnahme an der Schulung eintragen konnte, bildete sich schnell eine Menschentraube, Gespräche untereinander folgten Minuten später. Elija Aichele aus Gültstein war mit 18 Jahren der jüngste Zuhörer. Dass er mitmachen würde, war für ihn schnell klar. „Ich helfe gerne, höre auch gerne zu. Auch bei meinen Freunden gebe ich gerne Ratschläge. Weil ich die Aktion wunderschön finde, möchte ich sie gerne unterstützen und mache deswegen mit.“ Mit dabei ist auch seine Mutter Anke Aichele-Holler. „Ich erlebe viele Menschen, die Gesprächsbedarf haben und hoffe, dass wir, die hier mitmachen, die Richtigen sind, die helfen können.“ Auch Karola Brohammer-Dieterle aus Herrenberg hat sich eingetragen, ein Neuling ist sie aber nicht. „Mein Mann und ich haben vor rund 15 Jahren das Krisentelefon gegründet und weil ich jetzt wieder Zeit habe, möchte ich mich gerne wieder ehrenamtlich engagieren“, so die 77-Jährige.

Nach der Pause erzählten Pfarrer Ziegler und Ulrike Altheer von ihren Erfahrungen an anderen Orten des Zuhörens. Über mögliche Uhrzeiten für die Sprechstunden in Herrenberg wurde nachgedacht, aber nichts beschlossen. Im Pfarramt nahe der St.-Josefs-Kirche könnte ein solcher Ort entstehen. „Wir denken, dass er niederschwellig genug ist. Aber das wird sich zeigen. Auch der Klosterhof oder die kleine Börse, wenn sie geschlossen hat, sind Alternativen.“