Schönbuchbahn: Neue Elektrozüge fahren ab Ende Juli
Kreis Böblingen: Der Zweckverband Schönbuchbahn erhält eine Entschädigung von fünf Millionen Euro und einigt sich außergerichtlich mit dem spanischen Hersteller CAF.
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Die Zulassung für die neuen Züge war bereits 2017 beantragt worden. GB-Foto: gb
Am 26. Juli kann die Schönbuchbahn endlich ihre neuen Elektro-Fahrzeuge in Betrieb nehmen. „Damit fällt ein Stein vom Herzen, der Freudentag rückt näher, und die letzte Hürde konnten wir beseitigen“, freut sich der Landrat Roland Bernhard. Vorausgegangen ist eine lange Leidensgeschichte. Die Zulassung der neuen Elektro-Fahrzeuge für die Schönbuchbahn des Typs Nexio hatte sich mehrfach verzögert, bis das Eisenbahnbundesamt sie schließlich am 18. März erteilte. Im Mai 2024 musste der erste konkrete Termin für die Jungfernfahrt abgesagt werden, im Dezember dann auch der zweite. Seither bestand Uneinigkeit zwischen dem Hersteller CAF und dem Zweckverband als Auftraggeber darüber, wer Verantwortung für die Verzögerungen trägt und wie der finanzielle Schaden zu regeln ist. Ein Gerichtsprozess war nicht auszuschließen. Nun konnten die Parteien eine gütliche Einigung erzielen.
Die Inbetriebnahme findet am Samstag, 26. Juli 2025 statt. An diesem Wochenende werden den Fahrgästen kostenlose Fahrten angeboten. Auch der Verkehrsminister wird zur Eröffnung erwartet, da die Schönbuchbahn landesweit die erste Nebenbahn ist, die beschlossen hatte, auf elektrische Antriebe umzustellen. Mit der jetzt getroffenen Einigung können in den nächsten Tagen die vertragliche Abnahme und die Übereignung der zwölf Fahrzeuge vom Hersteller auf den Zweckverband stattfinden. Erst mit den Fahrzeugen im Eigentum dürfen die Triebfahrzeugführer der Schönbuchbahn den Umgang mit den elektrischen Zügen in praktischen Fahrstunden lernen.
Im Juli 2017 hatte CAF bei der Landeseisenbahnaufsicht (LEA) die Zulassung beantragt. Für 2021 war der Bescheid erwartet worden. Nach mehrfachen Verzögerungen erteilte die LEA im März 2025 die Zulassung. Das größte Problem war die Frage der regelgerechten Ausgestaltung der Bremse. Denn der Nexio benötigte entsprechend seiner Leichtbauweise für den Fall des Einsatzes im Mischverkehr mit „normalen“ Eisenbahnfahrzeugen besondere bremstechnische Fähigkeiten, um Zusammenstöße oder Aufpralle zu vermeiden und so den Nachweis gleicher Sicherheit im Eisenbahnverkehr erbringen zu können.
Die Verantwortung für die Verzögerung und den zähen Verlauf des Zulassungsprozesses haben sowohl CAF als Antragsteller als auch die Genehmigungsbehörde zurückgewiesen. Der Zweckverband Schönbuchbahn war als Kunde von CAF nicht direkt in den Zulassungsprozess involviert. Für eine endgültige Klärung hätte es eines Gerichtsurteils bedurft.
Dem Zweckverband ist ein finanzieller Schaden von sieben Millionen Euro entstanden, unter anderem durch die interimsweise Anmietung von elektrischen Zügen der Deutschen Bahn, für die Kosten, um die neuen Fahrzeuge sicher unterzustellen, und für zusätzliches Personal für den Fahrkartenverkauf. Zudem werden für den Zweckverband in weiter Zukunft weitere Kosten entstehen durch die strengen Auflagen der Landeseisenbahnaufsicht für den Fall eines Mischbetriebs. In rund 20 Jahren, wenn die Züge altersbedingt mehr Wartung und Reparaturen benötigen, werden die auflagenbedingten Einschränkungen im Falle von Mischverkehr mit Fahrzeugen anderer Bauart Zusatzkosten verursachen. Auch CAF ist durch die Verzögerung ein erhöhter Personal- und Sachaufwand in Millionenhöhe entstanden.
Um seine Interessen durchzusetzen, standen dem Zweckverband das Mittel der Aufrechnung und des Einbehalts auf die letzte Kaufpreisrate zur Verfügung. Der Hersteller konterte damit, im Falle von Aufrechnung oder Einbehalt die Fahrzeuge nicht zu übereignen. Eine weitere Verzögerung auf unbestimmte Zeit bis zu einem Gerichtsurteil wollte der Zweckverband seinen Fahrgästen nicht zumuten. Im Sinne einer schnellen Inbetriebnahme hat man sich daher auf eine Entschädigung und den beiderseitigen Klageverzicht geeinigt. CAF wird den Zweckverband ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit fünf Millionen Euro entschädigen, wobei die Summe über die Dauer des 19-jährigen Instandhaltungsvertrags ratenweise abgegolten wird.
Landrat Roland Bernhard gibt einen Einblick, wie er die Verhandlungen empfunden hat: „Das war ein hartes Ringen. Der Druck war gewaltig, denn im Falle eines Scheiterns bestand bis zuletzt das Szenario, dass CAF die Züge nicht an uns herausgibt. Damit hätten keine praktischen Schulungsfahrten für die Triebfahrzeugführer stattfinden können, und der betriebliche Einsatz wäre bis zu einer gerichtlichen Klärung nicht möglich gewesen. So etwas kann man den Fahrgästen und der Öffentlichkeit nicht zumuten. Wir haben zwar keine vollständige Entschädigung erreicht, aber der Kompromiss gibt uns Rechtssicherheit. Und einer konstruktiven Zusammenarbeit bei Wartung und Instandhaltung steht jetzt nichts mehr im Wege. Damit kann die Schönbuchbahn leben. Ab jetzt können wir uns auf die Einweihung konzentrieren.“
Einen besonderen Dank richtet der Roland Bernhard an den Geschäftsführer des Zweckverbands, Dr. Walter Gerstner: „Er hat die Verhandlungen mit den Spaniern trotz der Drohkulisse in aller Ruhe und Besonnenheit geführt. Es standen nicht nur Millionensummen auf dem Spiel, sondern auch das Image der Schönbuchbahn in der Öffentlichkeit. Der schwäbische David hat gegen den spanischen Goliath Mumm gezeigt.“ -gb-