Schon vor der Pause verliert die SG H2Ku den Faden

Die Handballerinnen der SG H2Ku Herrenberg haben den möglichen Sprung in die obere Tabellenhälfte der Zweiten Bundesliga leichtfertig verpasst. Das Team von Mike Leibssle unterlag vor 350 Zuschauern in der heimischen Markweghalle dem HC Rödertal nach spannendem Spielverlauf mit 29:30. Der Siegtreffer für die Gäste fiel erst vier Sekunden vor der Schlusssirene.

Von Edip Zvizdiç

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Rödertals Pavlina Novotna (Mitte) ist von Lea Neubrander (li.) und Aylin Bok nicht zu stoppen GB-Foto: Drofitsch/Eibner

Rödertals Pavlina Novotna (Mitte) ist von Lea Neubrander (li.) und Aylin Bok nicht zu stoppen GB-Foto: Drofitsch/Eibner

Victoria Hasselbusch erkannte die Lücke. Im Grunde hatte jeder in der Markweghalle diesen Spalt, der sich im Defensivverbund der SG H2Ku Herrenberg auftat, gesehen. Die Gästespielerin ließ sich nicht zwei Mal bitten, ging bis an den Kreis durch und vollendete eiskalt gegen SG-Torhüterin Dora Elbert. Bis der Ball aus dem Tor und dann am Anspielkreis war, ertönte bereits die Schlusssirene. 29:30 – das Spiel war verloren. Während die Spielerinnen des HC Rödertal nicht mehr zu halten waren und wild herumspringend „Auswärtssieg“ skandierten, blickten auf der Gegenseite die SG-Spielerinnen ziemlich bedröppelt drein. „Wir haben das Spiel so beendet, wie wir es auch begonnen hatten“, konstatierte Mike Leibssle enttäuscht. „Aber wir haben es nicht in den letzten zehn Sekunden verloren, sondern in den 59 Minuten davor.“

Bereits im Vorfeld der Partie gegen den Tabellensechsten aus dem Großraum Dresden hatte der SG-Trainer gebetsmühlenartig appelliert, sich zu keinen Alibi-Bewegungen in der Abwehr hinreißen zu lassen, sondern die klaren Zuweisungen zu verfolgen. „Was passiert aber?“, so Mike Leibssle kopfschüttelnd. „Bei den ersten acht Gegentoren sind wir für sechs verantwortlich, weil wir spekulieren und damit den Gegner förmlich zum Toreschießen einladen.“ So verpasste es die SG, den Schwung aus den beiden siegreichen Spielen gegen Halle-Neustadt und in Kirchhof mitzunehmen und sich auch gegen Rödertal frühzeitig abzusetzen.

Rote Karte rüttelt Rödertal
erst so richtig auf

Bei der SG H2Ku gefielen zu Beginn Stefanie Schoeneberg und Marie-Christine Beddies, die mit jeweils zwei Toren für eine 7:6-Führung (14.) sorgten. Als Carolin Tuc kurz darauf auf 8:7 stellte, ahnte noch niemand, dass es die letzte Herrenberger Führung bleiben sollte. Daran änderte auch eine frühe Rote Karte gegen Tammy Kreibich nichts. Die Rödertalerin griff Lea Neubrander bei einer Abwehraktion unabsichtlich, aber doch etwas ungestüm ins Gesicht. Das Schiedsrichter-Duo Leonhard Bona (Remscheid) und Malte Frank (Radevormwald) beriet sich kurz und schickte Kreibich frühzeitig zum Duschen. HCR-Coach Frank Mühlner war kurz baff ob der Entscheidung, mit der Reaktion seiner Mannschaft auf die Hinausstellung aber sehr zufrieden: „Die Rote Karte haben die Mädels sehr gut aufgefangen.“

SG-Rechtsaußen Saskia Hiller, die den kurzfristigen Ausfall von Szimonetta Toepelt-Gera (Entzündung an der Fußsohle) auffing, gelang in der 25. Minute noch der 12:12-Ausgleich, ehe es mit der Herrenberger Offensivkunst bis zur Pausensirene vorbei war. Überhastet wurden die Angriffe vorgetragen, was die Gäste eiskalt bestraften und mit einem 15:12-Vorsprung die Seiten wechselten. Nach Wiederanpfiff schien es, als ob die Gastgeber wieder in die Partie zurückfinden würden. Saskia Hiller und Lea Neubrander verkürzten auf 14:16. Darüber hinaus entschärfte SG-Torhüterin Laura Waldenmaier einen Siebenmeter von Rabea Pollakowski. Auf der anderen Seite scheiterte aber auch Kerstin Foth mit einem Strafwurf an HCR-Keeperin Ann Rammer, so dass auch dieses Aufbäumen schnell vorbei war.

Die Gäste kontrollierten das Geschehen nach Belieben und lagen in der 47. Minute nach einem Treffer der überragenden Ann-Catrin Höbbel zum 26:20 klar auf Siegeskurs. Nun aber änderte Mike Leibssle die Marschroute, ließ Ann-Catrin Höbbel von Marie Beddies kurz decken und zog dem HCR damit vorübergehend den Zahn. Mit einem Doppelpack verkürzte Lea Neubrander auf 22:26 (50.), wodurch ein sichtbarer Ruck durch die Herrenberger Mannschaft ging. Die glaubte urplötzlich wieder an sich, griff hinten fest zu und ließ vorne kaum noch etwas liegen. Als Saskia Hiller knapp sechs Minuten vor dem Ende auf 26:27 stellte, brodelte es in der Markweghalle.

Frank Mühlner sah die Felle seiner Mannschaft davonschwimmen, versuchte der SG mittels einer Auszeit den Schwung zu nehmen, was auch kurzzeitig gelang. Den 29:29-Ausgleich eine halbe Minute vor der Schlusssirene – Kerstin Foth traf per Siebenmeter – konnte er damit aber nicht verhindern. Dennoch blieb seinem Team noch der letzte Angriff, den Victoria Hasselbusch tatsächlich noch – unter gütiger Mithilfe der SG – zum 30:29-Siegtreffer nutzen konnte. „Ich wusste schon vor dem Spiel, dass es eine enge Kiste werden würde, aber nach so einer klaren Führung hätten wir es nicht mehr so spannend machen müssen“, war der HCR-Trainer sichtlich erleichtert und meinte augenzwinkernd: „Bei so einem Spielverlauf altert man ganz schnell zehn Jahre.“

Mike Leibssle gratulierte seinem Gegenüber gewohnt fair zum Sieg, wusste aber gar nicht so genau, warum er das überhaupt tun musste. „Dieses Spiel dürfen wir nicht verlieren“, haderte der Herrenberger Trainer. „Wir werden dieses Spiel aufarbeiten müssen, weil es so nicht geht. Die taktischen Undiszipliniertheiten, dazu etliche Freie, die wir verworfen haben, haben ein besseres Ergebnis nicht zugelassen. Jetzt wird die Luft wieder dünner, so dass wir im Heimspiel gegen Bremen wieder etwas unter Zugzwang stehen.“

SG H2Ku Herrenberg: Waldenmaier, Elbert (beide im Tor); Schoeneberg (3), Bissel (2), Tuc (2), Bok, Foth (3/2), Kühnel, Neubrander (7/2), Hiller (5), Marcikova (3/1), Beddies (4)

HC Rödertal: Rammer, Nühse (beide im Tor); Höbbel (11/3), Boesen (1), Ossenkopp (7), Hasselbusch (4), Eckart (1), Kreibich (1), Novotna, Pollakowski (3), Loehnig (2), Zöge

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Erstellt:
2. März 2020

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