Schulleiter, Mesner und Organist in Personalunion

Er hat nie viel Wind um seine Person gemacht. Im Gegensatz zu seinem Enkel, dem Kunstmaler Karl Kühnle, ist Jakob Georg Kühnle heute eher weniger bekannt. Dabei war der Schulleiter während seiner Zeit in Kuppingen eine prägende Figur. Pfarrer Matthias Deu-schle erinnerte mit einem ortsgeschichtlichen Vortrag im evangelischen Gemeindehaus an an jenen Mann, der vor 100 Jahren starb.

Von Rüdiger Schwarz

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Pfarrer Matthias Deuschle zeigt die Stelle, wo sich das Grab von Jakob Georg Kühnle befand GB-Foto: Bäuerle

Pfarrer Matthias Deuschle zeigt die Stelle, wo sich das Grab von Jakob Georg Kühnle befand GB-Foto: Bäuerle

Hätten seine im Jahre 1910 niedergeschriebenen Erinnerungen nicht die Zeit überdauert, fiele die Quellenlage zu diesem Jakob Georg Kühnle recht dürftig aus. In den Akten jener Zeit stößt man nur auf beiläufige Bemerkungen über den ehemaligen Kuppinger Schulleiter und Kirchengemeinderat der ersten Stunde. Wer war dieser Mann, dem Wilhem II. den königlich-württembergischen Friedrichsorden verlieh und den die Kuppinger zu ihrem Ehrenbürger machten? Jakob Georg Kühnle wird am 29. Mai 1835 in Weiler an der Zaber, einem kleinen Dorf im Landkreis Heilbronn, geboren. Der Vater ist Schäfer, die Mutter die Tochter des Kronenwirtes. Sie stirbt kurze Zeit nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes. Der wächst bei der Tante und den Großeltern auf, in einem ärmlichen, pietistisch geprägten Umfeld, wo sich ländliche Frömmigkeit mit Weisheit und Milde verbanden. Dafür steht jedenfalls der Großvater, der einen maßgeblichen Einfluss auf seinen Enkel hat und die Weichen für dessen späteren Lebensweg stellt. Zwar ist es im 19. Jahrhundert möglich, dass begabte Schüler aus sozial schwachen Milieus über den Bildungsweg an höhere Stellungen gelangen können, doch muss diese Begabung von den Familien erkannt und gefördert werden. Der seinem Enkel liebevoll, ja zärtlich zugewandte Großvater tut dies. Zeigt sich doch in der Schule in Massenbach, wohin die Familie umgezogen war, die Begabung des Knaben.

Als Erster in der Familie die Laufbahn als Lehrer eingeschlagen

„Als Erster in der Familie schlug er die Lehrerlaufbahn ein“, weiß Matthias Deuschle. Jakob Georg Kühnle besucht ein privates Lehrerseminar im damaligen Bonfeld, nach dreieinhalb Jahren verlässt er das Seminar und steigt als 20-Jähriger sofort in die Praxis ein. Im Königreich Württemberg herrscht Lehrermangel. 1853 verschlägt es den jungen Lehrer nach Kornwestheim. Rückblickend schreibt Kühnle in seinen Erinnerungen, dass sein Glaube in jener Zeit immer weniger wurde, hat das nahe gelegene Stuttgart doch so einige Zerstreuungen und Verlockungen für einen jungen Mann zu bieten. Als er 1859 seine erste, aus Brettach im Hohenlohekreis stammende Frau kennenlernt, findet er wieder zurück in den Schoß des Glaubens und kommt zum ersten Mal mit der Hahn’schen Gemeinschaft in Berührung. „Ihr Vater war der örtliche Leiter der Hahn’schen Gemeinschaft“, sagt Matthias Deuschle über Kühnles erste Frau.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts fächert sich die evangelische Landschaft in Württemberg weiter aus. Aus dem Geist des Pietismus heraus entstehen Versammlungsbewegungen wie die Hahn’sche oder die Pregizer Gemeinschaft, anglikanische Freikirchen fassen Fuß. Der von Erleuchtungen heimgesuchte Altdorfer Bauernsohn Michael Hahn war Vertreter eines theosophischen Christentums, das an die Allversöhnung, sprich auf die Wiederherstellung aller Dinge am Ende der Zeiten hoffte. Ab 1794 wirkte Michael Hahn auf dem Rittergut Sindlingen. „Zu seinen Erbauungsstunden kam eine große Zahl an Menschen“, erzählt Matthias Deuschle.

Lange währt das Glück der Eheleute Kühnle nicht. Die Frau stirbt 1871. Doch aus der kurzen Ehe geht Sohn Karl Samuel hervor, der spätere Vater des Malers Karl Kühnle. Dessen Großvater geht nach Bärental im Kreis Tuttlingen, heiratet 1872 erneut. Aus dieser Verbindung stammen der Sohn Friedrich und die Tochter Maria. Die Familie zieht es nach Haslach, wo Jakob Georg Kühnle die Stelle als Volksschullehrer übernimmt. Kühnle selbst zieht es jeden Sonntag ins 1874 errichtete Stundenhaus in der Kuppinger Kappellengasse, dort hält der charismatische Schulleiter und leitende Bruder der Hahn’schen Gemeinschaft, Heinrich Lorch, seine Erbauungsstunden ab.

Lorch und Kühnle scheinen Seelenverwandte gewesen zu sein. „Beide verband der Schuldienst und die tiefe Frömmigkeit. Die Hahn’sche Gemeinschaft in Kuppingen hatte durch Heinrich Lorch eine große Ausstrahlungskraft auf die umliegenden Gemeinden“, lässt Deuschle wissen. Schlussendlich tritt Kühnle in die Fußstapfen von Heinrich Lorch und leitet ab 1890 die Kuppinger Schule. Dort ist er schon mal für an die 90 Schüler zuständig und in alter reformatorischer Tradition Schulleiter, Organist und Mesner der Kirche in Personalunion. Das Kuppingen jener Jahre wird noch von der Landwirtschaft beherrscht. Hopfen- und Zuckerrübenbau florieren, man wählt den konservativen Bauernbund, die erste Wasserleitung kommt erst 1907 im Zuge des Anschlusses an den Wasserverbund Gäu, mit ersten Straßenlampen und der Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden hält die Elektrifizierung ab 1910 Einzug in den Ort. 1892 betritt Jakob Georg Kühnle Neuland, wird in den 1889 eingerichteten Kirchengemeinderat gewählt. Ein für das Königreich Württemberg völlig neues Gremium. 25 Jahre wird er ihm angehören. Als Kirchengemeinderat beschäftigen Kühnle auch die Sitten im Dorf, etwa das „feuchtfröhliche“ Treiben in den Spinnstuben oder das Fasnachtssaufen. In der Hahn’schen Gemeinschaft wird der Schulleiter mit seiner freundlichen, warmen Art zum Gegenpol des eher spröden und kantigen Jakob Stoll, dem Nachfolger von Heinrich Lorch. Im betagten Alter kommt Kühnle zu hohen Ehren. Für seine Verdienste werden ihm der königlich-württembergische Friedrichsorden und von der Gemeinde die Ehrenbürgerschaft verliehen. Jakob Georg Kühnle stirbt am 29. Oktober 1919 mit 84 Jahren. Sein Grabkreuz wird derzeit restauriert. Es soll künftig seinen Platz beim Grabmal von Karl Kühnle auf dem Kuppinger Friedhof finden.

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Erstellt:
25. November 2019

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