Thomas Dietsche: „Da wird jedes Spiel zur Hölle“

Mit gemischten Gefühlen reagieren die Verantwortlichen der höherklassigen Mannschaften im Bezirk Böblingen/Calw auf den Plan des Württembergischen Fußballverbandes (WFV), den Modus in der Verbands- und in der Landesliga bei Wiederaufnahme des derzeit coronabedingt unterbrochenen Spielbetriebs zu verändern.

Von Edip Zvizdic, Von Thomas Oberdorfer

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Thomas Dietsche (VfL Sindelfingen) findet den WFV-Vorschlag „höchst unfair“ GB-Foto (Archiv): edip

Thomas Dietsche (VfL Sindelfingen) findet den WFV-Vorschlag „höchst unfair“ GB-Foto (Archiv): edip

Vor allem die Abstiegsrunde, bei der am Ende bis zu sieben von zehn Mannschaften absteigen könnten, bereitet dem Sportlichen Leiter des VfL Sindelfingen, Thomas Dietsche, und Trainer Roberto Klug Sorgen. Bereits fünf Wochen ist es her, dass der Verbandsligist um Punkte kämpfen durfte. Einen Tag nach dem 3:3 im Nachholspiel beim 1. FC Heiningen unterbrach der WFV die Saison zunächst für einen Monat, um letzte Woche die Vereine frühzeitig in die Winterpause zu schicken. Währenddessen plant der Verband für den Amateurbereich ab der Oberliga abwärts wegen der Corona-Pandemie einen veränderten Spielbetrieb. Der drastische Einschnitt sieht vor, nach Beendigung der Vorrunde eine Auf- und Abstiegsrunde folgen zu lassen. Und sorgt mit seinem Vorstoß für reichlich Skepsis in Sindelfingen. Eine Änderung müsse auf jeden Fall folgen, betont Dietsche: „Allerdings darf der Modus nicht dazu führen, dass die Verbandsliga in zwei Zehnergruppen aufgeteilt wird.“ Es könne nicht sein, so der Sportliche Leiter des VfL, „dass dann zehn Teams um zwei Plätze nach oben kämpfen und zehn andere Mannschaften gleich sieben Abstiegsränge vermeiden wollen. Da wird jedes Spiel zur Hölle.“

Roberto Klug, seit dieser Saison Cheftrainer des VfL, bläst ins gleiche Horn und hat darüber hinaus Bedenken, ob denn überhaupt noch mal gespielt wird: „Egal wie der Modus letztlich auch aussehen wird, ein großes Fragezeichen bleibt: Denn ob es wie geplant im Februar weitergehen wird, steht noch völlig in den Sternen. Zumal wir mindestens vier, besser noch sechs Wochen Vorlauf haben müssten, um uns für den Rest der Saison fit zu machen. Was wiederum bedeuten würde, dass wir möglichst Anfang Januar wieder auf den Platz dürften.“ Denn für dieses Restprogramm – sieben Spiele noch in der Vorrunde plus weitere neun danach – braucht Roberto Klug „absolut fitte Spieler. Ansonsten steigt die Verletzungsgefahr. Man darf nicht vergessen, dass wir Amateure sind, die alle noch irgendwelchen Berufen nachgehen. Schon im bisherigen Saisonverlauf war es nicht einfach, während der englischen Wochen ein schlagkräftiges Team aufzubieten.“

Gar nicht anfreunden kann sich der Sindelfinger Coach mit dem vorgeschlagenen Spielmodus: „Stand jetzt wären wir in der Abstiegsrunde, haben derzeit aber auch nur zwei Punkte Rückstand auf Rang zehn und noch etliche Duelle gegen die Mitkonkurrenten im Kampf um die obere Tabellenhälfte vor der Brust. Aber was wäre, wenn ein Team nur um ein Tor die obere Tabellenhälfte verpasst und dann am Ende sogar absteigen muss?“ Thomas Dietsche findet die vorgeschlagene Änderung des WFV deshalb auch „höchst unfair“. Einen Lösungsvorschlag hält er gleich parat: „Sechs Teams spielen um den Aufstieg, die anderen 14 in zwei 7er-Gruppen gegen den Abstieg. Das wäre dann auch von der Anzahl der Spiele durchführbar.“

Hanjo Kemmler, Trainer des Landesligisten FC Gärtringen, kann dagegen mit dem vom WFV erdachten Vorschlag „gut leben. Aus meiner Sicht ist das in der aktuellen Situation eine praktikable Lösung. Mir fällt nichts Besseres ein. In der Vorrunde stehen noch neun Spiele aus, dazu kommen noch neun weitere Spiele in der Aufstiegs- und der Abstiegsrunde. Insgesamt haben die Mannschaften dann jeweils 28 Spiele absolviert, das sind dann fast so viele Begegnungen wie in einer normalen Runde. Es war eigentlich klar, dass man im Januar nicht spielen kann. Ich finde die Option mit Play-offs jedenfalls deutlich besser als einen Abbruch der Saison nach Abschluss der Hinrunde. Ich kann mir vorstellen, dass sich der Verband auch etwas Zeit verschaffen wollte und vielleicht deswegen in der vergangenen Woche noch keinen konkreten Vorschlag auf den Tisch brachte. Die Vereine hocken sicher auf heißen Kohlen und wollen möglichst schnell eine klare Entscheidung haben. Der Verband macht auch nur seinen Job und ist abhängig davon, was Bund und Länder letztlich entscheiden. Für jeden Fußballer ist dieser Plan eine neue Herausforderung.“

„Mir bleibt nichts anderes übrig, als diesen Plan des WFV zu akzeptieren“, sagt Giuseppe Vella, Coach des GSV Maichingen. Er wiederholt sein Credo, dass er es in dieser ungewöhnlichen Saison für sinnvoller halte, „so wenig Spiele wie möglich zu absolvieren“. Vella spricht sich dafür aus, die Hinrunde komplett auszutragen, um danach die Runde zu werten, aber auch zu beenden. Der Landesliga-Coach rechnet damit, dass es in der Abstiegsrunde zu einem „Hauen und Stechen“ kommen werde. „In diesen Spielen wird noch mehr Feuer drin sein als sonst. Für uns gilt es, in den Nachholspielen zu punkten, zu punkten und zu punkten.“ Vellas Ziel ist natürlich, nach der Vorrunde zumindest Platz zehn zu erreichen, um mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Sollte das nicht gelingen, so will er jedenfalls so viele Zähler wie möglich in eine Abstiegsrunde mitnehmen.

Marcel Lindner, Trainer des Liga-Konkurrenten TV Darmsheim, hält nichts von dem Weg, den der WFV nun einschlagen will. Er befürchtet ein Ansteigen der Verletzungsgefahr, wenn den Mannschaften nur eine „extrem kurze Vorbereitungszeit“ zur Verfügung steht, nach der monatelangen Unterbrechung, in der kein Mannschaftstraining möglich war. Lindner befürchtet, dass die Abstiegsrunde „knüppelhart wird. Wenn von zehn Mannschaften, die sich in der Abstiegsrunde befinden, sechs direkt absteigen müssen, dann ist das zu viel. Jede Partie ist ein Endspiel. Ich bin der Meinung, der WFV sollte sich bei einer solchen Regelung mit Play-offs noch mal Gedanken über seine Abstiegsregelung machen und den verschärften Abstieg vielleicht auf zwei Spielzeiten ausdehnen.“ Der TVD-Coach sieht auch bei der Aufstiegsrunde Probleme. „Wenn eine Mannschaft nach der Vorrunde auf Platz zehn landet, aber schon 20 Punkte auf den Erstplatzierten Rückstand und keine Chance mehr hat, aufzusteigen, dann sind die restlichen neun Spiele für das Team witzlos. Die Saison ist dann praktisch gelaufen, sie verliert dann ihren Reiz.“

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Erstellt:
4. Dezember 2020

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