Und wieder will Gültstein nicht zweistellig verlieren

Und wieder will Gültstein nicht zweistellig verlieren

Eine der in Deutschland am professionellsten geführten Traditionsteams eines Bundesligisten: Die Weisweiler-Elf spielt am Samstag in Gültstein GB-Foto: gb

Montagabend, 19 Uhr im Gültsteiner Ammerstadion. Christoph Reutter, Teammanager beim B-Ligisten TV Gültstein und einer der Mitorganisatoren des Benefizspiels am kommenden Samstag, 20. Juli, gegen die sogenannte Weisweiler-Elf, blinzelt zufrieden in die Abendsonne. Vor kurzem hat er noch die Idee gehabt, die Fanclubs von Borussia Mönchengladbach im Ländle anzuschreiben. „Das waren 47 Fanclubs – alle aus Baden-Württemberg“, meint der 36-Jährige staunend. Das kommt nicht von ungefähr. Da er erst im Jahr 1983 auf die Welt kam, kann er sich nur schlecht in die 60er und 70er Jahre in Fußball-Deutschland hineinversetzen, als Mönchengladbach den legendären Ruf erwarb neben dem FC Bayern München der beste Verein überhaupt in der Bundesrepublik zu sein. Tobias Lindner, langjähriger Landesliga-Spieler und Trainer beim TV Darmsheim, meint nur trocken zu Christoph Reutter: „Und die Gültsteiner Fanclubs, hast du die auch alle angeschrieben? Ich will doch hier am Samstag kein Auswärtsspiel haben…“

Tobias Lindner weiß, was gespielt wird am kommenden Samstag, wenn die „Gültsteiner AH&Friends“ um 16 Uhr im Ammerstadion die Weisweiler-Elf empfängt. Da muss sein Flachs schon ein wenig für Lockerheit sorgen, denn das Festspiel anlässlich des Dorfjubiläums „1250 Jahre Gültstein“ wird kein Zuckerschlecken für die ehemaligen Gültsteiner Kicker. Zwar stehen mit Torwart Marco Eipper, Christos Kiwranoglou, Steffen Reutter, Dieter Wünsch, Frank Wünsch, Johannes Schuld und Benjamin Schiebel Spieler im Kader, die höherklassig bis zur Landes- oder gar Verbandsliga aktiv waren. Aber die Weisweiler-Elf, so hat TVG-Abteilungsleiter Steffen Reutter erfahren, bietet fast ausschließlich nur Ex-Bundesliga-Profis aus den letzten vier Jahrzehnten Mönchengladbacher Geschichte auf.

Klar, neben Tobias Lindner hat man noch David Wieczorek und Imre Toth als Verstärkung geholt. Doch zu Wochenbeginn haben Steffen Reutter mit Andreas Mähler und Martin Oßwald zwei Hochkaräter abgesagt. Gestern kam noch die Absage von Elvir Adrovic – verletzungsbedingt – dazu. Steffen Reutter: „Eigentlich wollen wir gegen Gladbach schon mit 20 Mann aufwarten, damit wir auch gut durchwechseln können.“ Kurzfristig wurde noch Michael Lohner vom TV Altdorf verpflichtet.

Eifrig haben die Reutter-Brüder in den vergangenen Wochen und Monaten die Homepage der Weisweiler-Elf studiert – 11:2, 12:1 und 12:5 gingen allein die letzten drei Festspiele gegen Alte-Herren-Vertretungen aus. Den beiden „Machern“ des Festspiels, die mit dem TVG-Ausschuss und unter anderem Dieter Wünsch, Markus Krapf, Frank Gauß und Marcel Bernhart das Event vorbereiteten, merkt man die Nervosität ein wenig an: Denn unbedingt zweistellig will Gültstein nicht verlieren. Das weckt Erinnerungen an die denkwürdige „ernste“ Partie zwischen dem TV Gültstein und der damals mit mehreren Weltmeister-Kickern angetretenen Bundesliga-Elf von Borussia Mönchengladbach am 7. September 1974 in der ersten DFB-Pokalrunde. Damals wollte der Amateurligaclub aus Gültstein um Spielertrainer Walter Geltenbort auch keinen „Streifen“ kassieren und zog sich mit einer 0:5-Niederlage hervorragend aus der Affäre (wir berichteten).

In Erinnerung an die Trainer-Legende Hennes Weisweiler, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, hat sich die Traditionsmannschaft von Borussia Mönchengladbach benannt. Weisweiler gewann mit den Gladbachern 1970, 1971 und 1975 den Bundesligatitel. Die Traditionself führt ein Eigenleben außerhalb des Bundesligaclubs und wird von mehreren ehemaligen Profis gemanagt. Einer von ihnen ist Karlheinz Pflipsen (Bundesligaspieler von 1989 bis 1999). Er schickte am gestrigen Dienstag Steffen Reutter einer Mail mit der voraussichtlichen Aufstellung der Weisweiler-Elf. Dabei stechen Hans-Jörg Criens (290 Spiele für Borussia von 1981 bis 1993), Martin Schneider (266 Spiele von 1990 bis 1999), Peter Wynhoff (240 Spiele), Thorben Marx (99 Spiele von 2009 bis 2015), Bachirou Salou (97 Spiele von 1990 bis 1995) und der aus Brasilien stammende Chiquinho (36 Spiele von 1997 bis 2002) heraus.

Über die Professionalität, mit der die Weisweiler-Elf ihre Gastauftritte in ganz Deutschland bestreitet, kann Steffen Reutter nur staunen: „Sie reisen in der Regel mit Kleinbussen an, übernachten dann vor Ort. Von Mai bis September/Oktober spielen sie in wechselnden Besetzungen praktisch an jedem Wochenende.“ Die jeweiligen Veranstalter werden per Vertragsabschluss auch darum gebeten, den Ex-Profis noch ein wenig „Kulturprogramm“ um das Festspiel herum zu bieten. So wird nach dem Spiel zunächst ein gemeinsames Essen in der Gaststätte „Zom Kronawirt“ eingenommen, ehe die Gladbacher Delegation zum Herrenberger Stadtfest geleitet wird. Dort ist ein sogenannter „Absacker“ im Reisebüro/Café Ratzfatz geplant.

Die Idee, ein solches Festspiel anlässlich des Jubiläums auf die Beine zu stellen, war den Gültsteiner Kickern übrigens erst Anfang des Jahres gekommen, als die meisten Flyer und Ankündigungen zum Ortsjubiläum schon gedruckt waren. Der erste Kontakt mit Karlheinz Pflipsen und Peter Wynhoff, die maßgeblich für die Organisation der Termine verantwortlich zeichnen, verlief problemlos. Allerdings musste innerhalb von einer Zwei-Wochen-Frist eine verbindliche Zusage seitens der Gültsteiner erfolgen. Steffen Reutter: „Und dann hatten wir innerhalb von wenigen Tagen mit Sponsorenzusagen das Honorar für die Weisweiler-Elf zusammen.“ Aufgrund der Unterstützung von drei Unternehmen – Fuxtec GmbH in Gültstein; P. Brändle in Empfingen, Rinol in Ingersheim – und des Hauptvereins war das Festspiel in trockenen Tüchern. Der Rest wurde zum Selbstläufer. Mittlerweile gab es weitere Firmen, die unterstützen und in der Werbung, etwa durch die Einrichtung eines Vorverkaufs mithalfen. So stand dann für Steffen und Christoph Reutter früh fest, dass das Ganze als Benefizspiel ausgerichtet wird, sprich sämtliche Einnahmen gehen an die „Gäubote“-Weihnachtsaktion, die vomArbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ betreut wird, der am Samstag auch mit einem Stand vertreten sein wird.

Und über die Idee, wieder einen Hauch von „Gladbacher Fußballwelt“ nach Gültstein zu bringen, wurden selbstverständlich die TVG-Spieler von 1974 kontaktiert. Aufgrund einer Familienfeier wird Trainer Walter Geltenbort zwar nur bis zum Abpfiff des Festspiels bleiben können, aber mit Hugo Prokopp, Wolfgang Schmidt, Karl-Heinz Schnell, Günther Schrön und Herbert Michel haben fünf Spieler zugesagt. Hans Gries, der als Spielertrainer ein Jahr zuvor mit dem Pokalgewinn 1973 zur Teilnahme am DFB-Pokal wesentlich beigetragen hat, wird ebenfalls vor Ort sein.

Geleitet wird die Partie von Knut Kircher (Hailfingen), dem ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichter, er wird assistiert von Daniel Buck (TV Gültstein) und Josia Egeler (VfL Herrenberg). Das Spiel wird am Samstagabend in Auszügen auf FuPa.tv zu sehen sein, auf der „Gäubote“-Homepage gibt es dazu noch mehrere Fotogalerien. ANDREAS GAUSS