„Unter dem Strich bin ich äußerst zufrieden“

Die dünne Personaldecke war prägend für die abgelaufene Saison der SG H2Ku Herrenberg in der Zweiten Bundesliga der Frauen. Ohne Neuzugänge ging es in die Saison, Verletzungen verschärften die Lage. Es ist bemerkenswert, wie souverän die Kuties unter schwierigen Bedingungen mit Platz acht den Klassenerhalt geschafft haben.

Von Robert Stadthagen

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Trainer Mike Leibssle konnte mit seiner Mannschaft vor allem mit Blick auf die Rahmenbedingungen sehr zufrieden sein GB-Foto (Archiv): Eibner

Trainer Mike Leibssle konnte mit seiner Mannschaft vor allem mit Blick auf die Rahmenbedingungen sehr zufrieden sein GB-Foto (Archiv): Eibner

Platz acht in der Tabelle

„Unser Ziel war von vornherein der Klassenerhalt“, sagt H2Ku-Trainer Mike Leibssle. An andere Ambitionen war unter den personellen Voraussetzungen zu Saisonbeginn auch gar nicht zu denken. Mit nur acht Feldspielerinnen startete das Team im September aufgrund der schwierigen Kaderplanungen und von Verletzungen (siehe „personelle Rückschläge“) in die Saison. Und trotzdem begann die Runde gut. Mit 7:7 Punkten standen die Kuties nach sieben Spieltagen im Mittelfeld. „Dann hatten wir einen Hänger drin“, erinnert sich Leibssle. Sieben Spieltage später war die SG H2Ku durch sechs Niederlagen und ein Unentschieden abgerutscht. Besonders schmerzte das am grünen Tisch verlorene Spiel gegen den TSV Nord Harrislee. Die SG hatte Ina Kühnel aus der zweiten Mannschaft beim 25:17-Heimsieg zum fünften Mal eingesetzt, es aber verpasst, die notwendige Spielberechtigung für die Bundesliga zu beantragen – die zwei Punkte waren futsch. „Ohne diesen Fehler hätten wir 30:30 Punkte“, so Leibssle. Der Coach und sein Team gewannen nach dem Malheur sieben der folgenden acht Partien und arbeiteten sich so aus dem Keller. Dass der Klassenerhalt lange vor dem Ende der Saison in trockenen Tüchern war, ist unter den Bedingungen bemerkenswert. „Natürlich fallen mir Situationen ein, in denen es besser hätte laufen können. Aber unter dem Strich bin ich äußerst zufrieden“, so der Coach.

Personelle Rückschläge

Dass der Kader dünn sein würde, war klar – aber so dünn? Mit acht Feldspielerinnen und zwei Torhüterinnen startete die SG H2Ku Herrenberg in die Saison. Darunter kein einziger Neuzugang. Eigentlich hatte Torfrau Monika Lide ihre Karriere beenden wollen, hängte aber ein Jahr ran, nachdem die SG-Verantwortlichen keine Nachfolgerin gefunden hatten. Und auch für die verabschiedeten Sarah Neubrander, Sulamith Klein und Anika Leppert konnte kein Ersatz präsentiert werden. Dazu kam, dass sich Saskia Putzke und Aylin Bok in der Endphase der Vorsaison Kreuzbandrisse zugezogen hatten und bis weit in die neue Saison ausfielen. Die während der Vorbereitung verpflichtete Litauerin Inesa Verbovik machte aufgrund ihrer kurz nach Vertragsunterschrift festgestellten Schwangerschaft kein einziges Spiel für die SG H2Ku und ist längst in ihre Heimat zurückgekehrt. Für Entlastung sorgte die Verpflichtung von Jurate Zilinskaite. Mitte September fiel Kerstin Foth mit einem Riss der Achillessehne für viereinhalb Monate aus. Die unfassbare Serie setzte sich mit den Kreuzbandrissen von Carolin Tuc (Mitte November) und Marie Beddies (Mitte Januar) fort. Trainer Mike Leibssle blieb nichts anderes übrig, als immer wieder zu improvisieren und nach neuen Lösungen zu suchen. „Es hat Seltenheitswert, dass ein Team in 30 Saisonspielen 29 verschiedene Kader aufbietet“, meint der Coach. Lediglich Monika Lide, Dora Elbert, Katrin Schröder, Sandra Kußmaul und Lea Neubrander standen in allen Spielen zur Verfügung. „Als Marie Beddies dann auch noch ausgefallen ist, war das für mich ein Knackpunkt“, sagt Leibssle. „Saskia Putzke war in der Wiedereingliederung, Carolin Tuc, Kerstin Foth und Aylin Bok waren noch verletzt. Das war für mich als Trainer eine ganz schwierige Situation, weil ich ja auch keine weiteren Spielerinnen gefährden durfte. Ich habe wirklich überlegen müssen, wie ich die Trainingstage und die Spiele gestalten kann.“ Apropos Training. Oft waren aus Mangel an Personal nur Spielformen im Drei-gegen-drei oder Vier-gegen-vier möglich. Leibssle ist selbst erstaunt, wie die Kuties die überaus schwierige Situation gemeistert haben. „Das bekommt man nur mit viel Kommunikation und einem Konzept hin, das alle verstanden haben. Das hat viel mit Ressourcen-Management zu tun. Das haben die Spielerinnen sehr gut umgesetzt.“

Premiere als Bundesliga-Chefcoach

„Es war eine sehr interessante Runde“, sagt Mike Leibssle nach seiner ersten Saison als Cheftrainer eines Bundesligisten. Als intensiv hat er den Aufwand erlebt. Nicht nur, weil er sich sehr ausführlich in der Video-Analyse mit den Gegnern beschäftigt hat. „Ich wollte für mich selbst auf gar keinen Fall überrascht werden“, sagt Leibssle. „Eventuell habe ich deshalb zu akribisch Videos geschaut.“ Letztlich lastete die komplette Arbeit auf seinen Schultern. Das ist ungewöhnlich für einen Bundesligisten. „Was mir gefehlt hat, ist ein Co-Trainer. Eine zweite Meinung.“ Das wird sich zur neuen Saison ändern. Jochen Neutz, der zuletzt als Torwarttrainer für den TV Nellingen arbeitete, wird in der kommenden Saison an die Seite von Mike Leibssle rücken. In der abgelaufenen Runde haben die Rolle immer wieder verletzte Spielerinnen übernommen. Zunächst war es Saskia Putzke, mit der sich Leibssle während des Spiels auf der Bank austauschte, später Kerstin Foth, Marie Beddies und Carolin Tuc.

Der Kader für die neue Saison

So eng wie in der abgelaufenen Runde wird es aller Voraussicht nach in der neuen Saison bei den Kuties nicht. Die Personalplanungen sind im Prinzip abgeschlossen. Saskia Hiller (TSV Wolfschlugen), Laura Waldenmaier (VfL Waiblingen), Anika Bissel (HC Erlangen), Szimonetta Gera, Stefanie Schoeneberg und Sarka Marcikova (alle TV Nellingen) haben sich der SG H2Ku angeschlossen. Die Abgänge Monika Lide, Lisa Gebhard, Katrin Schröder (alle Karriere-Ende), Katrin Friedrich, Sandra Kußmaul (beide zweite Mannschaft), Saskia Putzke (berufliche Gründe) und Celine Effinger (SG BBM Bietigheim) sind damit zumindest quantitativ aufgefangen. Kerstin Foth, Aylin Bok, Marie Beddies, Carolin Tuc, Dora Elbert, Lea Neubrander und Jurate Zilinskaite haben ihre Verträge verlängert. Friedrich und Kußmaul sind als Backup jederzeit eine Option. „Der Kader bietet viele Möglichkeiten nach oben“, findet Mike Leibssle. „Aber die Spielerinnen müssen erst einmal kapieren, was es bedeutet, in Herrenberg zu sein. Eben nicht nur, sich das Trikot überzuziehen und 60 Minuten zu spielen“, erklärt der Coach. Leibssle sieht es bei aller Qualität der Neuzugänge als anspruchsvolle Aufgabe an, aus den einzelnen Persönlichkeiten wieder ein funktionierendes Team zu formen. Wann Carolin Tuc und Marie Beddies aus der Reha zur Mannschaft stoßen und wieder einsatzbereit sein werden, lässt sich zurzeit noch nicht sagen. Klar ist aber, dass der Coach in der neuen Saison über bessere personelle Möglichkeiten verfügen wird. „Ich freue mich darauf, meine Vorstellungen umsetzen zu können“, sagt er.

Sommerpause bis Ende Juni

Offiziell beginnt die Vorbereitung auf die neue Runde mit dem ersten Training am 1. Juli. Einige Spielerinnen werden aber bereits am 29. Juni für die SG H2Ku am Herrenberger Altstadtlauf teilnehmen. Am vergangenen Wochenende war das Team auf Abschlussfahrt auf Mallorca. Individuell geht es jetzt für die Spielerinnen mit dem Training weiter. Alle haben ihre persönlichen Pläne vom Trainer bekommen. Leibssle selbst war seit Beginn der vergangenen Woche mit der Familie in der Heimat seiner Frau in Ungarn. Der erste Trainingsblock wird bis zum 26. Juli dauern, dann haben die Spielerinnen bis zum 4. August Urlaub. Das erste Pflichtspiel steht Ende August/Anfang September in der ersten Runde des DHB-Pokals auf dem Programm, eine Woche später startet die Saison der Zweiten Bundesliga.

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Erstellt:
29. Mai 2019

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