Bälle und Gymnastikreifen: Mehr braucht es nicht, um eine abwechslungsreiche Übungsstunde mit Kindergartenkindern zu gestalten GB-Fotos: asg
Lasst doch mal die Hunde von der Leine“, ruft Sina Zwickl laut und vernehmlich in die Öschelbronner Aspenhalle. Wild sausen die zwölf Jungen und Mädchen durch die Halle. Sie haben allesamt große Gymnastikreifen aus Holz in der Hand und versuchen den Ball durch die Halle zu bewegen. Gar nicht so einfach, den Hund – also den Ball – unter Kontrolle zu behalten. Der Gymnastikreifen ist bildlich gesprochen die Hundeleine.
Einmal wöchentlich bittet Sina Zwickl die ältesten Kindergartenkinder der Kita Hindenburgstraße Öschelbronn zu einer speziellen Sportstunde. Denn Sina Zwickl bringt den Sechsjährigen den Umgang mit Kleingeräten – vor allem mit Bällen nahe. Unter dem Projektnamen „Bleibt am Ball“ wurde die zwölfköpfige Gruppe erstmals im Februar in der Aspenhalle versammelt. Elternabende und die Absprache mit den Erzieherinnen Silke Berger (Kita-Leitung) und Alena Hofmann, die auch als Projekthelferinnen in der Regel die Stunden begleiten, waren im Vorfeld vonnöten.
Denn Zwickl unterrichtet nach den Prinzipien eines sportwissenschaftlich geprägten Bewegungskonzeptes – der Heidelberger Ballschule. Die studierte Heilpädagogin belegte hierfür im vergangenen Herbst ein zweitägiges Seminar beim Institut für Sportwissenschaften der Universität Heidelberg, das diese Ballschule vor über 20 Jahren gegründet hat (siehe auch nebenstehenden Artikel). Aus einem dicken Buch mit Übungssammlungen und jeweils einer Seminarmappe von beiden Tagen kann Zwickl das Übungsprogramm für die Kindergartenkinder zusammenstellen. „Einige schwierige Inhalte haben sich durchaus bewährt“, findet sie. Rund 20, 25 Übungen kommen abwechselnd zur Anwendung: „Wichtig sind vor allem die Wiederholungen.“
In der nächsten Übung darf der Hund übrigens nicht mehr von der Leine. Da muss er, gezogen von dem Gymnastikreifen, in einem Staffellauf um einen Pylonen bugsiert werden. Beim nächsten Durchgang soll der Ball mit einer Schwimmnudel durch die Halle getrieben werden. Die Sechsjährigen sind mit Feuereifer dabei, feuern ihre jeweiligen Teamkollegen an. Lorena verlagert ihren Körperschwerpunkt nach unten, damit der Gymnastikring ganz dicht über den Boden streift und sie den Ball nicht verliert. Sina Zwickl schmunzelt: „Am Anfang waren drei Jungs, die auch Fußball spielen, vorne dran. Aber sie waren viel zu schnell, die Mädchen – zwar etwas langsamer – schaffen es aber, den Ball besser unter Kontrolle zu halten.“ Überzeugt hat Zwickl der ganzheitliche Ansatz der Heidelberger Ballschule: „Ich bin sehr erstaunt über die Fortschritte, die innerhalb eines halben Jahres erkannt werden können.“
Kreativer Umgang mit denSportgeräten ist gefordert
Eine Sportstunde für die Kindergartenkinder in der Woche ist auch nicht viel, findet Sina Zwickl, die vor allem die Kinder zunächst an die Kleingeräte und Bälle gewöhnen musste. Sie hat den Ballschulleiter für die Mini-Ballschule (für Kinder von drei bis sechs Jahren) absolviert. Hier steht gerade der kreative Umgang mit den Sportgeräten im Mittelpunkt, wird aus einem Gymnastikreifen eine Hundeleine. Spielerisch lernen so die Kinder sich geschickter zu bewegen, mit oder ohne Ball. Dieses spielerisch-unangeleitete Lernen ist eine der Prinzipien der Ballschule Heidelberg. Vor allem ist die Aufmerksamkeit aller zwölf Kinder recht hoch, hat Zwickl festgestellt. „Wichtig war es uns von vornherein, alle Kinder abzuholen, auch wenn eines mal einen schlechten Tag hat.“ Das ist mit ihr als Leiterin und den beiden Erzieherinnen an diesem Nachmittag ein Kinderspiel. Mit den anstrengenden Staffelläufen verfliegt die Ballschule-Stunde wie im Flug. Lorena schlägt zwar einen Wettbewerb vor, der viel Aufbauarbeit in einem rechteckigen Parcours mit sich bringen würde. Zwickl hat aber die Uhr im Blick. „Kommt, wir machen das Piratenspiel!“ Jubel brandet auf. Es ist eine Form von Schiffe versenken. Der Gymnastikring wird zum Schiff, mit dem sechs Kinder durch die Halle laufen, die Angreifer müssen den Ball durch den Ring stecken – ohne dass das Kind oder das Schiff (also der Reifen) berührt wird.
Im nächsten Jahr wird Sina Zwickl erneut in der Kita Hindenburgstraße das Ballprojekt anbieten. Der scheidende Gäufeldener Bürgermeister Johannes Buchter hätte auch gerne gesehen, wenn sich Grundschullehrer zu Ballschule-Leitern ausbilden lassen, um einen nahtlosen Übergang zu schaffen. Angesprochen sind auch die großen Sportvereine von Gäufelden, eventuell ein solches Angebot aufzubauen. Nach der Sommerpause ist ein erstes Gespräch der Vereinsverantwortlichen mit Sina Zwickl über ihre ersten Erfahrungen geplant. ANDREAS GAUSS