Wilde Wesen aus der heimischen Monsterküche

Wilde Wesen aus der heimischen Monsterküche

Rappelvoll istdie Gültsteiner TV-Halle bei der Halloween-PartyGB-Foto: tom

Wer zur Halloween-Party in der Gültsteiner TV-Halle geht, in der Nacht auf den Donnerstag, der wird dort kleben bleiben. Im Foyer schon. Aber er wird gute Gesellschaft haben: Skelette werden ihm zulächeln, Untote mit genähtem Mund werden mit ihm trinken. Die Fußballabteilung des TV Gültstein lädt zur einzigen Geistersause weit und breit – sie dauert lang, und es geht rund dabei.

Kleben bleibt der Partygänger im Foyer der TV-Halle ganz einfach deshalb, weil der Boden dort dicht beschüttet ist mit zuckerhaltigen Getränken; der Gast wird nach dem Gang durch dieses Foyer kaum noch in der Lage sein, einen Fuß vom Boden zu heben. Tut er es doch, wird er ein vermeintlich sehr lautes Knirschen und Reißen spüren, das dann jedoch ganz untergeht, in den synthetischen Rhythmen, die DJ@Dan in die TV-Halle pumpt, ein Gesandter des Teams um den Gültsteiner DJ Boa.

TV-Halle ausverkauft

Es ist dunkel, nur manchmal zuckt sehr helles buntes Licht auf im Takt der elektronischen Beats und füllt die Halle mit inwendigen Gewittern, die in ihren Fenstern spielen und die nächtliche Straße erleuchten. Die Parkplätze vor der TV-Halle sind selten, aber doch vorhanden: Nicht viele, die dort toben, taumeln, blutverschmiert in zerrissenen Hemden, mit dunkel verschleierten Augen und verschlossenen Lippen, haben die Absicht, sich an Allerheiligen noch ans Steuer zu setzen. Taxis verkehren bislang in geringer Zahl – die Nacht der lebenden Toten ist noch jung, keiner will nach Hause, aber die Halle ist längst schon ausverkauft.

„Wir könnten viel mehr Karten verkaufen“, sagt Steffen Reutter, Leiter der Fußballabteilung im TV Gültstein – die Nachfrage ist groß, das Halloween-Fest in der Halle läuft vorzüglich, und das ist auch dem Umstand geschuldet, das es das einzige ist weit und breit. Jene spukhaft heidnische Feier, die irische Einwanderer in die USA trugen und die Hollywood nach Europa reimportierte, an der der Mensch sich frohen Mutes schauerlich verkleidet, hat hierzulande niemals ganz Fuß gefasst – dass der Bedarf riesig ist, das allerdings zeigt sich in Gültstein. Im Halbdunkel der Halle gehen da die wildesten Wesen um – selten solche aus dem Supermarkt, sehr häufig solche aus der heimischen Monsterküche, in wallenden alten Nachtgewändern, mit Roter Bete oder anderen Säften gründlich bekleckert und vor allem: in stundenlanger Arbeit kunstvoll auf Zombie geschminkt. Nadine Drechsel, Lisa Betz, Samira Schwarz und Marvin Kennke gehören zu den Geistern, die im Hallenfoyer kleben. Sie sind in übernatürlich guter Stimmung, gekleidet als klappernde Skelette; sie kommen aus Mönchberg, Affstätt, Öschelbronn, sind heuer schon zum dritten Mal da, freuen sich über den großen Trubel der fantasievoll Entstellten, glühen im Dunkel vor jenseitiger Lebensfreude, und möchten Halloween nie missen.

Und da sind sie nicht alleine. „Uns gefällt es sehr gut hier“, sagt ein glückliches junges Paar. „Vor allem die Musik ist toll, und die Tanzfläche ist voll.“ Andere liegen sich in den Armen, sind rot im Gesicht und auf den Schultern, zeigen schwer unterlaufene Augen vor und haben sehr blasse Nasen mitgebracht zum Fest.

Wo die Party wütet und die Garderobe bunt ist, muss es natürlich auch eine Mode geben, wechseln die Gesichter des Grauens von Jahr zu Jahr ein wenig. 2018 scheint es der halbseitig vernähte Mund im leichenblassen Antlitz zu sein, der en vogue ist – gerade so, als habe ein Fiesling diese Münder für immer schließen wollen. Mit gemeinen Stichen. Aber die Münder, und die Augen über ihnen, lachen doch, gerade deshalb.

Rund 700 Gäste fasst die Gültsteiner TV-Halle; gewiss doppelt so viele hätten gerne in sie hineingewollt. Zum 18. Mal nun schon hat die Fußballabteilung des TV Gültstein eingeladen zum grellen Schwof vor Allerheiligen; die Fußballer selbst sind mit 35 Leuten voll im Einsatz und haben keine Zeit, zu spuken. Zehn Securitykräfte sind in der Halle, wie in jedem Jahr – am Tag nach dem Schrecken allerdings will Steffen Reuter über nichts klagen, muss keine Vorfälle melden, ist zufrieden mit seinen Vereinsfreunden, der Party, dem Publikum: „Wir haben das Fest über die Jahre optimiert“, sagt er. „Seit mindestens fünf Jahren hat es sich nun eingespielt und läuft reibungslos.“

Bleibt den Gültsteiner Fußballern am Donnerstag nur eines zu tun: der Abbau. Um zwei Uhr in der Nacht erlöscht die Musik, schließen die Bars. Bis dahin tanzen die Gültsteiner Toten unter dem großen Kürbis, der im Dach der Halle hing.THOMAS MORAWITZKY