Zeitlose Faszination für ein altes Handwerk

Öffnen für die Haslacher ihre Uhrenstube: Andrea Perschke und Thomas Götzl GB-Foto: Holom
Im 17. Jahrhundert wurde die Uhrzeit meist von öffentlichen Sonnenuhren oder Kirchturmuhren angezeigt. Die Schlosserfamilie Moyet baute damals zahlreiche Kirchturmuhren. Später kam der Familie Morbier die Idee, die Uhren zu verkleinern, um jedem eine Uhrzeit zu geben, erzählt Thomas Götzl. Er und Andrea Perschke sind seit Jahren passionierte Sammler von Comtoise-Uhren. Im Rahmen der „Haslacher Dorfkultour“ öffnen sie am 7. und 8. September ihre Uhrenstube für Besucher und berichten über die Geschichte der alten Uhren.
„Damals hingen die Uhren meist in Küchen, da man sich dort am meisten aufhielt“, sagt Götzl. Zum Schutz der Uhren wurden Holzkästen um sie herumgebaut. Die Aufzugslöcher an den Uhren schützte man mit kleinen Kläppchen vor Ruß, Asche und Fett. „Weil es oft nur eine Uhr pro Haushalt gab, musste diese überall zu hören sein und einen lauten Schlag haben. Für den Fall, dass man beim ersten Mal nicht mitgezählt hat, schlägt die Uhr nach zwei Minuten ein zweites Mal.“
Entwicklung der antiken Uhren
Zu Beginn entstanden die Uhren auf der französischen Hochebene auf etwa 1000 Metern in der französischen Provinz Franche-Comté. Dort war die Landschaft karg, die landwirtschaftlichen Erträge im Winter waren gering. So war der Bau von Uhren in kleinen Werkstätten ein lukrativer Zuverdienst für die Franzosen. Zuerst wurde alles in Handarbeit angefertigt, später wurden Teile automatisiert. „Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedliche Familien mit großer Präzision und Liebe zum Detail die Uhren bauten. Der wechselnde Zeitgeschmack und technische Neuheiten haben die Uhren zwar verändert, aber jede Uhr ist anders“, sagt Götzl. Die Comtoise-Uhren sind mit Emaille gearbeitet. Bei den älteren Modellen sind oft nur kleine Emaillestücke angebracht, da dieses sehr brüchig und schwierig zu verwenden ist. Später entstanden größere Zifferblätter in Schüsselform. „Erst im 18. Jahrhundert wurde mit einer bombierten Form Stabilität ins Material gebracht.“ Die ersten Uhren hatten eine Laufzeit von einer Woche, später kamen noch Tagläufer und Monatsläufer hinzu.
Die erste Uhr erwarben Andrea Perschke und Thomas Götzl im Jahr 1997 per Zufall. Vier Jahre später folgte die nächste. Heute besitzen die beiden etwa 80 Comtoise-Uhren, die sie auf Antikmärkten erworben oder von Freunden abgekauft haben. „Die Uhrenfamilie ist klein, man kennt sich untereinander und hat viele Kontakte“, sagt Andrea Perschke. Die Sammlung der beiden zeigt einen Querschnitt aus allen wesentlichen Entwicklungsphasen der Uhren. Reparaturen an den antiken Uhren machen Andrea Perschke und Thomas Götzl zum Teil selbst, Größeres wird in Restaurierungsbetrieben gemacht.
In den 1970er Jahren sammelte man vor allem prunkvolle Uhren. In den 1980er Jahren wurden Comtoise-Uhren lastwagenweise aus Frankreich geholt. Zehn Jahre später erreichten die Uhren ihren Höhepunkt, was die Preise in die Höhe trieb, erinnern sich die beiden Sammler. „Momentan stirbt die Sammlergeneration weg, der Käufermarkt steigt. Wir selbst gehören aktuell zu den jüngsten Sammlern“, sagt Thomas Götzl. Etwa 1910 verdrängten Schwarzwalduhren die Uhren aus dem Franche-Comté, da diese billiger waren und mehr der damaligen Mode entsprachen.
Andrea Perschke und Thomas Götzl sind aber immer noch beide begeistert von ihren Uhren. „Ein Hobby kann man nur ausführen, wenn man es miteinander teilt“, sagt Andrea Perschke. Sie interessiert sich mehr für den geschichtlichen Hintergrund. „Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl wäre, wenn die Uhr erzählen könnte – über ihre Besitzer, was sie schon alles gesehen und gehört hat, welche politischen Verhältnisse, Freuden und Sorgen sie schon alles miterlebt hat. An bestimmten Merkmalen der Uhren kann man erkennen, was früher politisch gelaufen ist.“
Den Elektrotechniker und technischen Informatiker Thomas Götzl fasziniert die Technik der Uhren. „Von 1680 bis etwa 1910 wurden Comtoise-Uhren gebaut, und während dieser langen Zeit hat sich die Mechanik dahinter kaum verändert. Weil die Uhren nie industriell gefertigt wurden, kann niemand von sich behaupten, eine komplette Sammlung zu besitzen. Außerdem habe ich die Gewissheit, dass wir nicht die Letzten sein werden, die Spaß an Comtoise-Uhren haben werden.“ Und noch einen weiteren Vorteil zieht er für sich aus den Uhren. „Die elektrische Messtechnik in meinem Beruf ist immer am Zahn der Zeit. Nach drei Jahren interessiert niemanden mehr, was ich heute mache. Die Uhren sind für mich der perfekte Gegenpol zu meinem Beruf.“
ISABELLE MAIER
Bei der „Haslacher Dorfkultour“ am Freitag und Samstag, 7. und 8. September, öffnen Andrea Perschke und Thomas Götzl ihre Uhrenstube in der Lichtensteinstraße 7 für Besucher.