Zunächst zählen vor allem die kleinen Schritte

Zunächst zählen vor allem die kleinen Schritte

Engagement für Klimagerechtigkeit (von links): Claudia und Ulrich Gloistein, Brigitte Ormos, Hans-Jürgen Steffens und Klaus Weingärtner GB-Foto: Holom

Im Jahre 2015 haben die katholischen Kirchengemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart rund 90000 Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Das soll sich nun ändern. 2017 hat man ein ambitioniertes Klimaschutzkonzept vorgelegt, das die einzelnen Kirchengemeinden mit in die Pflicht nimmt. Nun will ein Arbeitskreis in der Seelsorgeeinheit Gäu die hehren Ziele angehen.

Bereits in diesem Jahr will die Diözese Rottenburg-Stuttgart ihren CO2-Ausstoß um 15 Prozent senken. Bis zum Jahre 2050 soll die CO2-Emission im Vergleich zu 2105 in Fünf-Jahres-Schritten auf 85 Prozent heruntergefahren werden. Ein recht sportliches Vorhaben, was dem Herrenberger Ehepaar Claudia und Ulrich Gloistein wohl bewusst ist. Davon lassen sich die Mikrobiologin und der Chemiker jedoch nicht abschrecken. Schließlich muss einer ja mal den ersten Schritt tun. Der besteht in der Gründung eines Arbeitskreises, der vor der eigenen Haustüre kehrt, die Baustellen in Angriff nimmt. „Größtenteils sind das sicherlich die Gebäude“, sagt Claudia Gloistein mit Blick auf Energieeinsparung und Energieeffizienz. 2015 gaben allein die rund 3700 kircheneigenen Gebäude in der Diözese 70000 Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre ab.

Umwelt-Enzyklika des Papstesbringt den Stein ins Rollen

Beruflich hat das Wissenschaftler-Ehepaar zwar mit Umweltschutz und Umwelttechnik zu tun, doch bis zu einem Schlüsselerlebnis spielt dies eher keine Rolle im Rahmen ihres kirchlichen Engagements. „Das waren zwei getrennte Bereiche“, erzählt Claudia Gloistein. Die 2015 erschienene Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“, in der Papst Franziskus eine sozial-ökologische Umkehr fordert, bringt den Stein ins Rollen. „Wir waren von der Enzyklika beeindruckt“, erinnert sich die Kirchengemeinderätin. Die Gloisteins klopfen die Themen des päpstlichen Schreibens naturwissenschaftlich ab und kommen zu dem Schluss, dass jene „eher untertrieben denn übertrieben dargestellt werden“. Das Ehepaar konzipiert einen Vortrag, mit dem es auf Tour geht. Bei einem Stopp in Aidlingen kommen sie in Kontakt mit einer Gruppe, die vor Ort helfen möchte, das Klimaschutzkonzept der Diözese umzusetzen. Einen Arbeitskreis wie die Initiative „Bewahrung der Schöpfung“, die es seit Mai 2019 in der Seelsorgeeinheit Aidlingen-Ehingen-Gärtringen gibt, wollen die beiden Herrenberger auch im Gäu ins Leben rufen. Und so sitzen nun beim Gründungstreffen im Rupert-Mayer-Haus Mitglieder des Kirchengemeinderates und Verwaltungsausschusses neben der Gemeindereferentin und Kirchenpflegerin, Ministranten von der Jugendgruppe neben der Stadträtin und Vertretern des Herrenberger Arbeitskreises Energie. So gut wie alle hatten bis dahin nichts vom Klimaschutzkonzept der Diözese mit seinem umfangreichen Maßnahmenkatalog gehört. Dieses bekannter zu machen und unter die Leute zu bringen, ist eine der Aufgaben der beiden Klimaschutzmanager, die im vergangenen Jahr von der Diözese mit Hilfe von Fördermitteln des Bundes eingestellt wurden.

Klimaschutzmanagerin Vera Polcher-Wied stellt das Vorhaben erst einmal vor. Schnell wird der großen Runde Interessierter klar, dass sie es mit einer ganzen Latte von Themen zu tun hat. Vom Einsatz von Ökostrom über die Heizungsoptimierung und energiesparende Beleuchtung bis zur Schulung von Gemeindemitgliedern zu Energiebeauftragten und der Einführung eines Energiemanagements. Die Verbrauchsdaten könnten in das von der Evangelischen Landeskirche bereitgestellte „Grüne Datenkonto“ eingespeist werden. Bei der gemeinsamen Themenfindung stellen sich die Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit sowie die Energieeinsparung bei den Gebäuden als die gewichtigsten Brocken heraus. Doch von welchen Gebäuden redet man hier überhaupt? Wie die Schwachstellen im Bestand finden? Was ist überhaupt machbar? „Wir müssen erst einmal eine belastbare Datenbank haben, eine komplette Bestandsaufnahme machen, sie von Fachleuten durchschauen lassen“, bekräftigt Ulrich Gloistein. Dabei könnten die alle fünf Jahre erstellten Bauschauprotokolle helfen.

In der Runde ist man sich einig, dass vor allem die kleinen Schritte zählen. Etwa der Einsatz von Energiesparlampen, die Neuanschaffung energieeffizienter Elektrogeräte, eine einfach zu bedienende Heizungssteuerung, die mit der Raumbelegung abgestimmt ist oder der Einsatz recycelbarer und nachhaltiger Materialien. Fahrgemeinschaften zu Gottesdiensten und ein Shuttle-Verkehr zu Veranstaltungen könnten angeboten werden. Oder wie wäre es einfach mit ein bis zwei Grad weniger Wärme in den im Winter vollbeheizten Kirchen? „Ich muss meinen Mantel in der Kirche nicht ausziehen“, findet Stadträtin Pauline Rist-Nowak von der Frauenliste. RÜDIGER SCHWARZ