Absolut jeder ist willkommen

Zehn Jahre ist es her, seit die Begegnungsstätte „kleine Börse“ in Herrenberg erstmals ihre Tore öffnete. In gemütlicher Runde teilten die ehrenamtlichen Mitglieder und Unterstützer gestern Anekdoten und staunten selbst darüber, wie positiv die kleine Börse in der Herrenberger Bevölkerung angenommen wird.

Von Jenny Schwartz

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Seifenblasen von Maria Rockenbauch (in Schwarz) gab’s zum Empfang der Gäste GB-Foto: Holom

Seifenblasen von Maria Rockenbauch (in Schwarz) gab’s zum Empfang der Gäste GB-Foto: Holom

Eine große Runde hat sich in den Räumen der Hildrizhauser Straße 5 versammelt, um den zehnten Geburtstag der kleinen Börse zu feiern. Die Stimmung ist gemütlich – und doch waren die Mitarbeiter schon im Vorfeld wie immer fleißig. Ahlam Allawi hat reichlich Tee und Gebäck vorbereitet, ihr Mann Riyadh Mubarek gehört zu den Mitarbeitern der kleinen Börse. Die Iranerin selbst engagiert sich im Herrenberger Verein „Flüchtlinge und wir“ und plant, ein nächstes Treffen des Gesprächskreises „Frauen erzählen Frauen“ in der kleinen Börse stattfinden zu lassen.

Ahlam Allawi reiht sich damit in die lange Liste an Angeboten ein, die sich in den vergangenen zehn Jahren in der kleinen Börse entwickelt haben. Manuela Sebastian, Vorsitzende der kleinen Börse, möchte diese Angebote zur Feier des Tages noch einmal der Reihe nach vorstellen und hat sich dafür ein besonderes System überlegt: Jeder Gast hat noch vor der Begrüßung einen Zettel in die Hand gedrückt bekommen, auf dem ein Stichwort notiert ist. Die Stichwörter sollen im Laufe der Feier erörtert werden.

„Sozialpraktikum“ wird auch schon der erste Begriff salopp in den Raum geworfen. Hierbei handelt es sich um die soziale Praktikumswoche, die vor allem Schüler des Schickhardt-Gymnasiums und der Vogt-Heß-Schule in der kleinen Börse absolvieren. „In dieser Hinsicht hat die kleine Börse sich in den letzten Jahren zu einem unheimlich begehrten Ort entwickelt“, freut sich Sebastian. Für das kommende Jahr habe sie sogar schon einige Schüler des Schickhardt-Gymnasiums ablehnen müssen. „Die Jugendlichen kommen einfach sehr gern zu uns“, weiß Manuela Sebastian.

Auch der Praktikums-Mittwoch der Friedrich-Fröbel-Schüler ist inzwischen ein großer Erfolg. „Für die Jugendlichen ist das ein erster Schritt ins Arbeitsleben“, erklärt FFS-Lehrer Eberhard Roller. Für die kleine Börse ist die mittwöchliche Unterstützung der FFS-Jugendlichen aber ebenfalls ein besonderes Projekt. „Dadurch bekommen wir eine ganz neue Wahrnehmung den Schülern gegenüber“, erklärt Manuela Sebastian. „Und wenn sie nicht da sind, dann fehlt etwas.“

Dass die kleine Börse als Praktikumsplatz so beliebt ist, ist eigentlich kein Wunder. Schließlich wird hier ja auch beispielsweise leidenschaftlich gern „Rummikub“ gespielt. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin hat das Gesellschaftsspiel vor einiger Zeit in der kleinen Börse etabliert. „Inzwischen kommt es so gut an, dass sich manche sogar beschweren, weil nur noch gespielt wird“, lacht Manuela Sebastian. „Aber Spielen verbindet schließlich auch.“

Wem es beim „Rummikub“ zu laut zugeht, der kann aber auch gesellige Erholung beim Stricken oder Nähen finden, denn in diesen textilen Bereichen werden mittlerweile ebenfalls regelmäßig Treffen angeboten. Alles, was es in der kleinen Börse zu erleben gibt, könnte allerdings ohne die ehrenamtlichen Helfer niemals existieren. Da gibt es Mitarbeiter, die mittwochs die beliebte Gemüsesuppe kochen, Obstsalat schnippeln oder frische Kuchen für den monatlichen offenen Sonntag backen. Mitarbeiter, die sich mit den Gästen unterhalten, für sie da sind, ein offenes Ohr haben. „Aber es gibt auch die Mitarbeiter, die im Verborgenen arbeiten“, betont Manuela Sebastian. Zum Beispiel jene, die den Abfall zum Wertstoffhof bringen, die Lampen auswechseln, die Küche sauber machen. Oder die Personen, die die übrig gebliebenen Lebensmittel aus dem Tafelladen oder vom CAP-Markt abholen, um sie in der kleinen Börse zu verwerten und verkaufen. „Diese Leute nimmt man oft nicht wahr, aber sie sind unheimlich wichtig“, nickt Manuela Sebastian. Oft bekommt die kleine Börse auch heftig zu spüren, wie wichtig ehrenamtliche Mitarbeiter generell sind. Nämlich vor allem dann, wenn ein großer Teil während der Ferienzeit wegfällt. „Das geht unserer Begegnungsstätte dann ziemlich an die Substanz“, gibt Manuela Sebastian zu. „Es gibt also auch schwere Zeiten, die wir hier durchstehen müssen.“

Zum Glück sind da aber auf der anderen Seite auch zum Beispiel die Spenden, durch die sich die kleine Börse seit zehn Jahren ihr Überleben sichern kann. Ganz zu schweigen von der positiven Resonanz zu dem gemütlichen Begegnungsort. „Wir haben ein ziemlich buntes Publikum an Gästen“, schildert Manuela Sebastian. Der Großteil der Gäste bestehe aus älteren Menschen, aber auch Menschen mit Behinderungen seien oft anzutreffen. „In der Anfangszeit der kleinen Börse sind allerdings mehr Leute gekommen“, muss die engagierte Ehrenamtliche zugeben. Viele Bürger hätten schlicht und einfach Scheu, die kleine Börse zu besuchen. Gerade von wohlhabenderen Menschen höre man nämlich oft die Frage, ob sie überhaupt kommen dürften. „Aber die kleine Börse ist für jeden da“, betont Sebastian. Deshalb würde man auch zum Beispiel für das Essen nicht viel Geld verlangen – „damit jeder es sich leisten kann“. Denn in der kleinen Börse sollen Menschen mit Menschen ins Gespräch kommen, akzeptiert werden und sich wohlfühlen.

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Erstellt:
18. Oktober 2019

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