Anja Lück: kein Platz für Dominanz und Hierarchie

Pädagogik, Didaktik und die Verbindung dieser Bereiche mit dem Lebewesen Pferd – dies sind die Eckpunkte, mit der sich die Arbeit Anja Lücks umschreiben lässt. Mit einem ganzheitlichen Konzept, das unter anderem die Ecole de Légèreté einbezieht, hilft die Pferdetrainerin sowohl Vier- als auch Zweibeinern, die gemeinsame Kommunikation zu verbessern.

Von Christiane Hornung

Lesedauer: ca. 3min 14sec
Anja Lück achtet genau auf die Signale, die ein Pferd aussendetGB-Foto: Schreiber

Anja Lück achtet genau auf die Signale, die ein Pferd aussendetGB-Foto: Schreiber

Die in Altingen lebende Pferdeliebhaberin baut auf die enge Zusammenarbeit mit Hannah König aus Bayern, mit der sie 2016 die Arbeitsgemeinschaft „Die Pferdetrainerinnen“ gegründet hat. „Wir verstehen uns als mobile Reitlehrerinnen, wir sind lehrend unterwegs und besuchen unsere Kunden in ihrem Heimatstall“, fasst sie das Konzept zusammen. „Jedes Pferd hat bestimmte Bewegungsabläufe in seinem natürlichen Verhaltensrepertoire verankert“, erklärt Anja Lück, die Dressur versucht, diese Fähigkeiten gezielt abzurufen und bis zur Formvollendung zu zeigen. „Wir möchten schauen, wie man ein Pferd-Reiterpaar über ein gutes Ausbildungskonzept mit Verständnis dorthin bringen kann“, dabei stehen jedoch stets die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten im Vordergrund. „Bei einem Kaltblüter wird dies immer anders aussehen als bei einem Sportpferd.“

Sowohl Anja Lück als auch Hannah König arbeiten eigenständig mit ihrem jeweiligen Kundenstamm, stehen jedoch in engem Austausch, um sich stets weiterzuentwickeln. „Wir haben uns im Rahmen der Ausbildung kennengelernt und waren uns von Anfang an super sympathisch“, blickt die Ammerbucherin zurück, wöchentliche Skype-Termine etwa sind nur eine der Möglichkeiten, um sich durch gemeinsame Impulse immer und immer wieder weiterzuentwickeln.

Anja Lück versteht sich nie als Ausgelernte, eine Sichtweise, die sich bereits durch ihr ganzes Leben zieht. „Ich bin ein kleiner Fachidiot“, bemerkt sie lachend, bereits als Kind saugte sie alles Wissenswerte zum Thema Pferd auf, eine „gute Kombi aus Selbstüberschätzung und Naivität“ war es schließlich, die sie immer weiter vorantrieb und zu der Pferdetrainerin machte, als die sie heute agiert. Sie selbst versteht ihr Leben als „Projekt“. „Etwas, das mich interessiert, eigne ich mir an und gebe es weiter.“

Darunter fällt auch die Beschäftigung mit Lernverhalten und Lerntheorie, Bereiche, die Anja Lück ebenfalls schon seit Jahren begeistern und die eng mit ihrer Arbeit an Pferd und Reiter verwoben sind. Im Studium schnupperte sie in den pädagogischen Bereich hinein, auch wenn sie die Universitäts-Laufbahn nicht beendete, „brachte es mir sehr viel Fachliteratur und hat mir den Blick geöffnet, was es alles in diesem Bereich gibt“.

Die gewaltfreie Kommunikation ist ein zentraler Punkt der Arbeit

2008 erhielt sie schließlich einen Platz in der ersten Ausbildungsstaffel Bea Borelles, „das hat das Ganze professionalisiert“. Anja Lück konnte sich fortan in den Bereichen „Boden- und Körperarbeit nach Linda Tellington-Jones“, „Klassische Handarbeit“ sowie der „Longenarbeit und Reiten im Sinne der Ecole de Légèreté“ weiterbilden. Wie die anderen Kursteilnehmer auch, konnte sie ihre individuellen Fähigkeiten mit den Inhalten Bea Borelles verknüpfen und zu einem ganzheitlichen Training vor dem Hintergrund der Pädagogik und gewaltfreien Kommunikation ausbauen. Dabei versucht Anja Lück die Wahrnehmung von Reitern und Pferdebesitzern zu schulen und ihnen auf dieser Basis die Wahlfreiheit zu weiteren Handlungen zu geben. „Sobald man etwas wahrnimmt beim Pferd, kann man Signale verstärken oder eine andere Strategie wählen, es geht dabei um die bewusste Entscheidung“, so Anja Lück. Genaue Kenntnisse der körperlichen und psychischen Signale der Tiere stellen den Schlüssel zur bewussten Wahrnehmung dar.

„Es geht mir darum, den Umgang mit Pferden nicht auf der Vorstellung von Dominanz oder Hierarchie gegenüber dem Pferd zu basieren“, berichtet Anja Lück weiter, „ich wünschte, dass Menschen weggehen von der Vorstellung, dass Pferde etwas Böses möchten und dominiert werden müssen.“ Das Tier „handelt in eigenem Interesse, sein Verhalten lohnt sich oder lohnt sich nicht“, erläutert Anja Lück.

Ihre Kompetenz in Sachen gewaltfreier Kommunikation sowie der tiergestützten Pädagogik brachte Anja Lück zudem in den Herrenberger Waldkindergarten, indem sie nicht zuletzt mit ihrem eigens ausgebildeten Therapiepferd arbeitet. Die Kinder kommen über ihr „tolles, vielseitig ausgebildetes Stütchen, das mich durch die Trainerausbildung getragen hat“, in den Kontakt mit Pferden.

Videoanalyse und telefonische Anleitung in Zeiten von Corona

Der Bedarf an Anja Lücks Arbeit ist enorm, seit Jahren existiert eine Warteliste und auch das Coronavirus vermag die Pferdetrainerin nicht zu bremsen. Videoanalysen oder Telefongespräche ersetzen den direkten Kontakt, nicht zuletzt ermöglichen die Technologien auch potenziell Interessierten, das Trainingskonzept unverbindlich zu testen. Anja Lück zeigt sich mehr als erleichtert über das Privileg, dass sie ihre Tätigkeit trotz der derzeit angespannten Situation weiter ausüben kann, denn die Arbeit mit den Pferden ist für sie nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung: „Ich liebe es, mein Herz macht Hüpfer, ich brenne dafür und es macht so eine Freude, das alles zu vermitteln.“

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Erstellt:
1. April 2020

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