Annett Kaufmann bringt die Halle zum Toben
Tischtennis: Böblinger Talent unterliegt bei der EM in der Hauptrunde nur knapp der Polin Natalia Bajor.
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Mit couragierten Auftritten überzeugte Annett Kaufmann in der Qualifikationsrunde der Europameisterschaft. GB-Foto: Lau/Eibner
Für Annett Kaufmann vom Bundesligisten SV Böblingen endeten gestern die European Championships von München. Erst war im Achtelfinale des Doppelwettbewerbs Endstation, dann musste sie der Polin Natalia Bajor im Einzel nach spektakulärem Spielverlauf über die Maximaldistanz von sieben Sätzen gratulieren. In der mit Abstand bislang spannendsten Partie des Großturniers ging es für die Spielerinnen durch ein Wechselbad der Gefühle – mit dem besseren Ende für die Favoritin aus Polen.
Auch wenn die Enttäuschung direkt im Anschluss an die verlorenen Spiele groß war, so kann die 16-jährige Senkrechtstarterin doch erhobenen Hauptes die Heimreise aus München antreten. Schon in der Doppelkonkurrenz hatte sie sich mit ihrer vier Jahre älteren Partnerin Franziska Schreiner in die Herzen der Zuschauer gespielt. „Es war dann natürlich bitter, gleich im Achtelfinale auf ein Topduo zu treffen und dann auch noch gegen eines aus dem eigenen Nationalteam“, sagte Annett Kaufmann. Gegen die an Position zwei gesetzte Formation Nina Mittelham/Sabine Winter (TTC Berlin/TSV Schwabhausen) fanden die beiden jungen Spielerinnen nie so recht ihren Rhythmus. In Summe agierten die Gegnerinnen mutiger und machten weniger leichte Fehler, Sabine Winter diktierte das Spiel oftmals mit ihrer starken Vorhand. Im dritten Durchgang spielten Kaufmann/Schreiner auf Augenhöhe, zogen aber letztendlich beim 5:11, 8:11 und 10:12 den Kürzeren. „Es sind viele kleine Dinge zusammengekommen, die nicht so recht für uns liefen“, sagte Annett Kaufmann, „außerdem haben wir uns nicht optimal bewegt, weil wir manchmal andere Bälle erwartet hatten.“
Zwei Stunden nach dem Aus im Doppel kam es in der Rudi-Sedlmayer-Halle zu Kaufmanns Erstrundenauftritt im Hauptfeld der besten 64 Spielerinnen Europas. Gegen Natalia Bajor, die Nummer 75 der aktuellen Weltrangliste, unterlag die 16-Jährige im Juni beim Contender-Turnier in Zagreb mit 0:3 Sätzen, diesmal lieferte sie der Polin einen offenen Schlagabtausch auf vier Gewinnsätze. Recht ausgeglichen verliefen die ersten Durchgänge, in denen sich die 25-jährige Bajor dennoch einen Vorteil bis zur 3:1-Satzführung erspielte. Kaufmann kämpfte um jeden Ball, hatte jedoch zuweilen Probleme, die guten Aufschläge ihrer Kontrahentin zu lesen. Von leichten Fehlern unbeeindruckt, setzte sich die Bietigheimerin immer wieder mit ihrer druckvollen Rückhand gut in Szene. So wechselte das Stimmungsbild beim SVB-Youngster oftmals zwischen unverständlichem Kopfschütteln und geballter Siegesfaust.
Im fünften Satz befand sich Annett Kaufmann bereits auf der Verliererstraße, drehte aber – die Niederlage vor Augen – einen 6:9-Rückstand noch in ein 12:10. Und war fortan mental obenauf. Durchgang sechs ging mit 11:8 an die 16-Jährige und im entscheidenden siebten Satz nach phasenweise hochklassigem Tischtennissport, der die Halle zum Toben brachte, hatte Kaufmann bei einer 8:5-Führung alle Trümpfe in der Hand. Doch dann riss der Faden, Bajor machte fünf Punkte in Serie und brachte das Spiel noch mit 11:9 nach Hause. Riesengroß der Jubel bei der Polin, die wohl selbst nicht mehr an den Sieg geglaubt hatte. Auf der anderen Seite fiel es Kaufmann schwer, auf Ursachenforschung zu gehen. „Es war ein Spiel auf Augenhöhe. Ich war nervös und habe mir bei meinem eigenen Aufschlag nicht viele Variationen zugetraut. So konnte sie sich leichter darauf einstellen. Außerdem hat meine Gegnerin die Bälle gut platziert und ich habe es nicht geschafft, mich gescheit dorthin zu bewegen, um dann selbst den Ball gut zu platzieren. Einfach den Ball auf den Tisch zurückzuspielen, reicht halt nicht.“
Nachwuchs-Bundestrainerin Lara Broich, die Kaufmann betreute, zog das Positive aus dem Turnier-Aus: „Bei 1:3 zurückzukommen, sich danach eine Chance zu erspielen, das Ganze noch zu gewinnen und einen Matchball abzuwehren, das hat Annett bei ihrer ersten Einzel-EM bei den Damen einfach gut gemacht.“ Mit dem privaten „Shuttleservice“ ihrer Mutter Anna geht es am heutigen Mittwoch wieder ins heimische Bietigheim. Bereits nächste Woche steht für Annett Kaufmann ein weiteres, internationales Turnier im tschechischen Olmütz auf dem Programm.