Autoschmuggler-Bande zerschlagen

Umfangreiche mehrmonatige und teils verdeckt geführte Ermittlungen gegen ein Autoschmuggler-Netzwerk gipfelten gestern in bundesweiten Durchsuchungen und Verhaftungen. Involviert ist ein Korruptionsfall innerhalb des Landratsamtes Böblingen.

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Polizei und Zoll führten am Mittwoch eine koordinierte Aktion gegen ein Autoschmuggler-Netzwerk durch GB-Foto (Archiv): gb

Polizei und Zoll führten am Mittwoch eine koordinierte Aktion gegen ein Autoschmuggler-Netzwerk durch GB-Foto (Archiv): gb

Die Ermittlungsgruppe „Sayara“ hatte im November 2019 die Ermittlungen gegen eine vorwiegend deutsch-libanesische Tätergruppierung aufgenommen, die nach Polizeiangaben im Verdacht steht, hochwertige gebrauchte Kraftfahrzeuge überwiegend aus dem arabischen Raum in Deutschland gewinnbringend in Umlauf gebracht zu haben, obwohl diese in Europa nicht zulassungsfähig waren.

Das illegale Geschäftsmodell bestand nach bisherigen Erkenntnissen darin, dass die 46 und 27 Jahre alten Drahtzieher die Fahrzeuge überwiegend in den Arabischen Emiraten kauften und auf dem Seeweg über Rotterdam nach Deutschland einführten, wo sie auf Abstellplätzen von Komplizen in Leonberg und Geislingen an der Steige zwischengelagert wurden. Um Einfuhrzölle und Steuern zu sparen, legten die Tatverdächtigen Rechnungen mit deutlich geringeren Kaufpreisen vor.

Da die nicht für den deutschen Markt produzierten Fahrzeuge aufgrund ihrer Ausführung hier nicht ohne weiteres zulassungsfähig waren, wären kostenintensive Vollgutachten nötig gewesen. Diese umgingen die Tatverdächtigen durch Bestechung von Prüfingenieuren aus dem Großraum Stuttgart, die für die Fahrzeuge die notwendigen Papiere ausstellten.

Über eine Mitarbeiterin bei der KFZ-Zulassungsstelle des Landratsamtes Böblingen wurden die Fahrzeuge anschließend kurzzeitig auf Strohmänner zugelassen für eine deutsche Zulassungsbescheinigung. Anschließend wurden die Wagen per Privatverkauf an wohl gutgläubige Kunden veräußert. Die Mitarbeiterin im Landratsamt wurde am gestrigen Morgen unter dringendem Tatverdacht verhaftet. „Ich bin persönlich sehr bestürzt darüber, was hier offenbar über einen längeren Zeitraum im Verborgenen passiert ist“, teilte Landrat Roland Bernhard mit und sagte eine lückenlose Aufarbeitung zu.

Ausstattungsabweichungen
in den Fahrzeugen korrigiert

Mit den Eigenbetrieben, Beteiligungsgesellschaften und Zweckverbänden „haben wir viele Arbeitsbereiche, in denen Mitarbeiter starken Einflüssen von außen ausgesetzt sind und in den Verdacht der Korruption geraten könnten“, sagt der Landrat. Man sei immer bestrebt, jedem Korruptionsverdacht konsequent vorzubeugen und Verdachtsmomente so rasch wie möglich aufzuklären. „Der aktuelle Vorfall zeigt, wie wichtig diese Arbeit ist“, so Bernhard. „Trotz allem können wir uns nie ganz in Sicherheit wiegen.“

Augenscheinliche Ausstattungsabweichungen in den Fahrzeugen hatten beauftragte Fachkräfte korrigiert, darunter die Umprogrammierung arabischer Bordcomputer oder Navigationsgeräte.Dadurch brachte die Bande etwa 500 dieser hochwertigen Gebrauchtfahrzeuge in Umlauf.

Am Mittwoch durchsuchten die Ermittler in einer koordinierten Aktion 19 Wohn- und Geschäftsräume bei neun Tatverdächtigen in den Landkreisen Böblingen, Ludwigsburg, Stuttgart, Reutlingen, Rems-Murr-Kreis und Göppingen. Zeitgleich schlugen Ermittler in Berlin zu. Dort hatte sich ebenfalls eine deutsch-libanesische Gruppierung gebildet, die Bezüge zur Gruppe in Baden-Württemberg hatte. Nach bisherigem Stand fanden die Ermittler etwa 50000 Euro Bargeld und bei einem Tatverdächtigen zwei russische Sturmgewehre, Munition, zwei Handgranaten und ein Kleinkalibergewehr.

Durch das Zusammenwirken von Polizei und Zoll sei es gelungen, „ein international agierendes kriminelles Netzwerk zu zerschlagen“, sagt Mathias Bölle, Leiter der Kriminalpolizeidirektion Böblingen. „Gewinnbringend war dabei auch die gute Zusammenarbeit des Landratsamts Böblingen mit den Ermittlern.“-pb/gb-

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Erstellt:
24. Juni 2020

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