Bauern setzen wieder vermehrt auf die „Ernte vom Dach“

Der Landwirt als Energiewirt – mit diesem Schlagwort wurde um die Jahrtausendwende darum geworben, dass auf den vielen, teilweise ideal ausgerichteten Dächern von Scheunen, Stallanlagen und Nebengebäuden Fotovoltaikmodule installiert werden, die sauberen Strom erzeugen und dem Landwirt damit ein zweites Standbein eröffnen.

Von Jutta Krause

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Friedrich Rappim Technikraumseiner Kühlanlage:„Fotovoltaik istfür uns eine pure Selbstverständlichkeit“GB-Foto: Holom

Friedrich Rapp im Technikraum seiner Kühlanlage:
„Fotovoltaik ist für uns eine pure Selbstverständlichkeit“ GB-Foto: Holom

Nicht zuletzt dank der – damals üblichen – hohen und auf 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung investierten zahlreiche Landwirte in die Erzeugung von Sonnenstrom. Sinkende Vergütungen, ein verändertes, restriktiveres Ausschreibungssystem und weitere Hürden für die Solarenergie führten zu einem deutlichen Knick.

Doch inzwischen steht die Energieerzeugung in landwirtschaftlichen Betrieben wieder höher im Kurs. Deutschlandweit sind die Investitionen in Fotovoltaik-Anlagen in landwirtschaftlichen Betrieben wieder auf das Niveau von 2013 gestiegen. Der Grund dafür liegt zum einen darin, dass nicht nur die Einspeisevergütung gesunken ist, sondern auch die Anschaffungskosten für eine Fotovoltaik-Anlage. Die Module kosten derzeit nur noch etwa ein Viertel vom damaligen Anschaffungspreis und sind zudem effizienter. Statt den mit Sonnenenergie erzeugten Strom ins öffentliche Netz zu speisen, nutzen viele Betriebe ihn zudem inzwischen selbst, senken damit ihre Stromrechnung und geben nur noch die überschüssige Energie ins Netz ab.

Ein Nachteil der Sonnenenergie: Die Verbrauchsspitzen fallen nicht unbedingt auch mit den Zeiten der höchsten Stromerzeugung zusammen und Batteriespeicher sind in der Landwirtschaft bislang noch kaum im Einsatz. Jedoch sind in vielen Betrieben auch Stromverbraucher am Netz, die ständig Energiebedarf haben.

So stellt der selbst erzeugte Sonnenstrom für Friedrich Rapps Gemüsehof in Bondorf eine nahezu ideale Ergänzung dar. Den auf den fünf Hallendächern produzierten Sonnenstrom nutzt er direkt für die Betreibung der Kühlräume, in denen das geerntete Gemüse bis zum Verkauf lagert. „Mittags um 12 Uhr, wenn es draußen 30 Grad hat, brauchen wir dafür viel Strom. Das passt sehr gut zusammen“, erklärt er. Denn wenn die Sonne vom Himmel brennt, wird für die Kühlung besonders viel Energie benötigt. Bereits vor zwölf Jahren hat Friedrich Rapp die erste Fotovoltaik-Anlage installiert, und dann sukzessive seine Dachflächen mit Modulen bestückt. „Fotovoltaik ist für uns eine pure Selbstverständlichkeit“, betont Friedrich Rapp, der auch beim zugekauften Strom auf die Umwelt achtet und Ökostrom aus erneuerbaren Energien bezieht. 60 Prozent des im Betrieb verbrauchten Stroms kommt bereits jetzt vom Dach, Friedrich Rapp kann sich einen weiteren Ausbau vorstellen. Er hat sich intensiv mit der Materie befasst und für die Zukunft ein spannendes Energiekonzept aus innovativen und umweltfreundlichen Methoden zusammengestellt. So verfolgt er interessiert die Entwicklung des „Redox-Flow-Batteriespeichers“, der die Sonnenenergie auf Basis von Polymeren und Kochsalzlösung speichert und dabei ganz auf Schwermetalle verzichten kann. „Für uns als Biobetrieb sind ungefährliche Materialien wichtig, diese Technik wäre für uns deshalb die erste Wahl“, erklärt er. Auch eine weitere potenzielle Verwendung für den produzierten und gespeicherten Sonnenstrom findet er faszinierend: Ein neues Verfahren ermöglicht es, mit Wasser, Kohlendioxid aus der Luft und Sonnenstrom Methanol herzustellen – ein Kraftstoff, mit dem beispielsweise auch Traktoren fahren könnten. Noch ist das Zukunftsmusik – beide Verfahren sind noch nicht in Serie, Zulassungen stehen aus.

Während Friedrich Rapp als Mitglied im Solarförderverein der Fotovoltaik sehr positiv gegenübersteht, war der Renninger Landwirt und Kreisvorsitzende beim Bauernverband Andreas Kindler lange Zeit eher skeptisch. Inzwischen hat indes auch er seit vier Jahren eine 30 kWp starke Anlage auf seinem Reitstall installiert. Die dort gewonnene Energie wird vor allem für den Stall und die in den Hof eingebundene Gastronomie eingesetzt. „Strom für den Eigenverbrauch zu erzeugen ist eine tolle Sache“, findet Kindler, würde die Investition in eine Anlage aber nicht uneingeschränkt empfehlen. „Wenn jemand dafür einen großen Kredit bei der Bank aufnehmen muss, weiß ich nicht, ob die Rechnung aufgeht. Aber wenn die Mittel dafür da sind, dann ist Fotovoltaik immer noch rentabel.“

Landwirten, die sich nicht auf die beachtlichen Investitionen einlassen wollen, steht noch eine weitere Möglichkeit zur Verfügung, die zunehmend Verbreitung findet: Sie können ihre bislang nicht energetisch genutzten Dachflächen an Fotovoltaik-Unternehmen verpachten, die für Installation und Betreiben der Anlagen verantwortlich zeichnen und im Gegenzug den dort produzierten Strom verkaufen. Dafür müssen indes einige Voraussetzungen erfüllt sein: So muss die Dachfläche mindestens 600 Quadratmeter betragen und darf nicht verschattet sein. Voraussetzung ist zudem, dass die Gebäude vor April 2012 und vorrangig zu anderen Zwecken als der Stromerzeugung errichtet wurden. Auch Wohnhäuser sind tabu. Für viele landwirtschaftliche Gebäude trifft all dies zu, weshalb die Unternehmen die landwirtschaftlichen Betriebe für sich entdeckt haben. Dachbesitzer profitieren von den Pachtzahlungen, ohne dass sie für Betreibung oder Wartung aufkommen müssen. Wird ein neues Dach benötigt, so kommen einige Fotovoltaik-Unternehmen dafür auf und zahlen im Gegenzug auf Jahre hinaus keine Pacht.

Mit diesem Modell macht beispielsweise Wilhelm Hiller aus Bondorf gute Erfahrungen. Auf seinem Reiterhof mussten insgesamt sechs in die Jahre gekommene Dachflächen erneuert werden – eine gute Gelegenheit, im Zuge der Dacherneuerung Fotovoltaik-Module zu installieren. Da die dafür nötige Investition indes allzu hoch und deshalb riskant erschien, entschloss Wilhelm Hiller sich kurzerhand dazu, die Dachflächen an ein professionelles Unternehmen zu verpachten. „Die haben das Dach saniert und die Module installiert – alles auf ihre Kosten. Dafür zahlen sie jetzt keine Pacht und bekommen die Einspeisevergütung. Und nach einer bestimmten Anzahl von Jahren gehört die Anlage mir.“ Damit ist allen Beteiligten gedient: Der Landwirt hat sein neues Dach, das Unternehmen hat im Gegenzug nahezu ideale Dachflächen für die Energieproduktion und die Umwelt freut sich über sauberen Strom.

Nicht nur Dächer, sondern auch Freiflächen werden bisweilen für die Energiegewinnung verwendet. Während es vor allem in Norddeutschland große derartige Anlagen gibt, ist die Freiflächennutzung nicht weit verbreitet. Fotovoltaik auf Ackerland ist nicht unumstritten, denn die Energieerzeugung sollte nicht mit Nahrungsproduktion konkurrieren. Es gibt indes Flächen, die sich nicht gut für den Lebensmittelanbau eignen. Zu den sogenannten „benachteiligten Flächen“ gehören etwa direkt an Autobahnen und Bahnlinien gelegene
Flächen bis zu einer Breite von 110 Metern.

Auf solch einer Fläche hat der Energiehof Weitenau 2012 gemeinsam mit der Gemeinde Eutingen einen Solarpark mit insgesamt knapp 1000 kW Leistung errichtet. „Wer ein Dach hat, der sollte es auch zur Energiegewinnung nutzen – oder zumindest zu diesem Zweck verpachten“, betont Winfried Vees, der auf seinem Energiehof seit 2007 Sonnenstrom gewinnt.

Reitanlage Hof Hiller in Bondorf: Dachflächen sind verpachtetGB-Foto: gb

Reitanlage Hof Hiller in Bondorf: Dachflächen sind verpachtetGB-Foto: gb

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Erstellt:
31. Oktober 2018

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